Theme Exhibition

See me, feel me, touch me … hear me & heal me ..

Hana Zeqa, Laura Thaçi, Elisabeth Mirnig & Werner Jauk (2021)

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Mediatisierung emotionaler Nähe durch das Hören. Von Informations- zu Kommunikationssystemen

Technische Mediatisierung hat Raum und Zeit in die all-at-oncenss gepresst, sie hat die Trennung zwischen Arbeit und Leben, zwischen Öffentlichkeit und Privatheit aufgehoben – allerdings mit Informationsübertragungssystemen, die nicht die Präsenz des körperlichen Ver-Handelns zulassen, sondern nur die Information über diese in symbolischer Form der Repräsentation. Dabei geht die Bedeutung der Interaktion mit unbelebter wie belebter Materie der Ver-Handlung als „primäre Bedeutung“ für den Körper verloren. Diese Form der Mediatisierung drängt den Körper aus Verhandlungen, letztlich verordnen Anordnungen Ordnung, symbolische als kulturelle Formen, die letztlich den Anordnenden, den GesetzesgeberInnen, dienen.
Im Falle der ArbeitsgeberInnen wird dies legitimiert durch den Besitz der Produktionsmittel, diese sind in den Dienstleistungen der Informationsgesellschaft allgegenwärtig, Wissen legitimiert hier diesen Machtanspruch.

Grundsätzlich ist dieser durch Trennung von Arbeit und Leben gegebene Schnitt solange als Distinktion von rationalen und emotionalen Rollen sozialen Verhaltens kulturell wirksam, solange Informationssysteme nicht zu Kommunikationssystemen werden und soziale als informelle Prozesse der Verhandlung formale Gesetze ersetzten.

Das ist keine anarchische Gefährdung von scheinbar demokratischer Kultur, die letztlich durch diese Trennung eine Kultur als wertende Hierarchie schafft. Informelles als menschliches Handeln ist natürlich geregelt durch die Intentionalität der Körper-Umwelt-Interaktion. Im voraufklärerischen Verständnis bedeutet in-tentional in Spannung seiend. Körperliche Spannung als Erregung, die nach einem überlebensnotwendigen homöostatischen Zustand strebt, regelt jegliches explorative Verhalten, Verhandlung ist ein körperlicher Überlebensprozess. Ethisches als prosoziales Verhalten zeigt sich in Körpernähe und dient der Erhöhung der Überlebenskraft, ästhetisches Verhalten ist ihr Spiel-Feld zur Optimierung.

Vor allen Sinnesmodalitäten, formalisiert in den Künsten, besteht das Hören als Fernsinn darin, dass es abstrakte Wahrnehmung von Erregung durch die Intensität von Bewegung ist, die den Körper erregt und bewegt, was wiederum körperlich ausgedrückt zur körperlichen Mitbewegung anderer Körper führt – Hören ist eine stimulativ kollektivierende Wahrnehmung gemeinsamer Gestimmtheit, emotionaler Bewegtheit.
Klang ist unmittelbar körperlich primäre Bedeutung gebend und dabei kollektiv und kollektivierend, worin soziale und ethische Qualitäten integriert sind. Entkörperlichte Verhandlung am Gesetzestext kann als mediatisiertes Verhalten betrachtet werden, darin zeigt es ich auch von sozialen und ethischen Qualitäten entfernt.

Körperlichkeit als primäre Bedeutung von Information für den Körper in die medialen Informationssysteme einzubringen macht diese zu Kommunikationssystemen humaner Art.
Dabei können die Paradigmata der sound-gesture und ihrer emotional contagion dazu dienen, die stimulativ emotionalisierende Wirkung der niederen Sinne zu verstärken. Sie können dem Sehen, als ikonische Abbildung und als indexikalisches Erkennen und symbolische Benennen von Dingen im Prozess der Einordnung kultureller Semiosis, zusätzlich diese primäre Bedeutung als Urbedeutung geben. Damit reichern sie rationale Denkweisen (vom Sehen abgeleitet geometrische Bezüge des Körpers zur Umwelt denkend) mit Emotionalität, mit Erregung als soziale und ethische Qualität an. Damit wird die Gefahr des Verlustes von Selbstbestimmung durch Gesetze, die in neoliberalen Systemen aus der Arbeitswelt in die Privatheit eindringen, gemindert werden. Allgemein wird damit emotionale Nähe in Informationen über die Distanz gebracht und damit Information als körperlich erregende Qualität lebendig – der Hauch der Stimme berührt.

Basierend auf diesen Theorien ist das Projekt See me, feel me, touch me … hear me & heal me … methodisch epistemologische Medienkunst, das Erkenntnis aus Verstehen um Erleben erweitert; Theorie und Methode weisen es als Teil des AERI auditory culture aus, das post-digitale als humane Kultur der Körperlichkeit am Paradigma des Hörens erlebbar macht.
Dabei werden bestimmende Charakteristika der sonisch performativen Nähe-Stimulation experimentell auf Luftbewegung, letztlich Klang, und Geruch verstärkend übertragen. Schließlich wird das Paradigma des Hörens dem phylogenetisch jüngeren Sehen aufgemappt, um das Verstehen durch ikonische Abbilder und symbolische Bezeichnungen des Gesehen um primäre Bedeutungen der Körperlichkeit zu bereichern. Dabei gilt es, den Abstand des kognitiven Denkens durch die Nähe des prä-kognitiven Körpers zu minimieren, sich auf die lebensregulierende Intentionalität als Erregung jeglicher Körper-Umwelt-Interaktion zu besinnen.

InterakteurInnen haben die Möglichkeit zu erleben, wie Informationsaustausch in einer Form, die die Bedeutung dieser Information für ihren Körper als physisch/psychische nach außen bringt und „amplified“ zu einem Prozess der Kommunikation führt, zur Annäherung aber auch zur Entfernung. Dabei wird entsprechend sensitive Kleidung sich an den Erregungszustand der TrägerIn in Form und Farbe anpassen und diese Qualitäten als körpernahes Interface in den sozialen Raum der Interaktions-PartnerIn übertragen; die AkteurInnen befinden sich damit im Stimmungsraum der jeweils anderen, zugleich wird ihre eigene Stimmung über ihre Kleidung für die IngerakteurIn als verstärktes externalisiertes Feedback erlebbar – interne und externe PartizipientInnen können dies als Kluft oder Verschmelzung der privaten Emotionsräume im sozialen Raum erleben.
Je nach dem eigenen Erleben der anderen Körperlichkeit kommt es zu einem Communis zu einem Ein-Klang oder zur Distinktion, zu einem Zwei-Klang.

Dieses multimedial / modale ganzkörperliche Erleben von complete agents, deren Interaktion von einem künstlich intelligenten System (nachahmend) überhöht wird, macht primäre Bedeutung als Bedeutung für die Körperlichkeit im Kommunikationsprozess erlebbar.

Das installative setting stellt zwei begehbare „Handy-screen“ -Räume nebeneinander. Diese dienen als Interaktionssysteme erregungsinduzierter Interaktion mit anderen InterakteurInnen. Ihre Anordnung nebeneinander ist die kognitive Irritation des Erlebens von Nähe und Ferne bezogen auf emotionale und physische Distanz – emotional nah und fern zugleich unabhängig von physischer Distanz, was in unmediatisierten Welten nicht möglich ist.
Das visuelle styling ist an die TikTok Ästhetik angelehnt und verweist auf eine Technologie als Interaktionssystem, das visual Karaoke von pop-songs am Prinzip des sonisch Performativen ermöglicht, als erregungsbestimmte Selbstdarstellung und gestaltende Interaktion mit anderen InterakteurInnen – Privatheit und Öffentlichkeit verschmelzen.

Als Teil populärer Kultur dekonstruiert die TikTok Ästhetik technoide Video-art über die Verfügbarkeit ihrer Mittel, kollektive und kollektivierende Gestaltung der net arts durch deren Überhöhung und schließlich den Kunst & Leben Anspruch im Hedonismus populärer Kultur neoliberaler Marktwirtschaft – entgegen alle Ermahnungen der Moderne hat sonisch performative Jugend der sound-dominierten Pop-Kultur Körperlichkeit informalisiert und individualisiert.

Das Projekt ist methodisch epistemologische Medienkunst als Teil des Ars Electronica Research Institute „auditory culture“, das post-digitale als humane Kultur der Körperlichkeit am Paradigma des Hörens erlebbar zu machen versucht.

Credits

Besonderer Dank gilt Florian Gokl für die Unterstützung bei der Entwicklung der shining garment-software, Barbara Haspl für ihre Unterstützung bei der Organisation des Projektes und Elisa Visca für Ihre Unterstütztung bei Durchführungsarbeiten des Audio-Designs und seiner Programmierung

Mit der Unterstützung von: