Urban Audio Zaragoza – Florian Türcke

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Das Paseo Project ist eines der Projekte, die vom Prix Ars Electronica unterstützt werden. Der diesjährige Wettbewerb läuft gerade, der deutsche Künstler Florian Türcke berichtet im Interview von seinem Erfahrungen mit dem Preis.

Technologie ist nur ein Transportmittel für eine Idee

Letztes Jahr gewann der deutsche Künstler Florian Tuercke mit seinem Projekt Urban Audio den ersten Durchgang des Wettbewerbs Paseo Project: New Creative Models to Experience the City zum Thema „Kunst, Technologie und neue Medien in urbanen Kontexten“, der von der Zaragoza City of Knowledge Foundation in Zaragoza, Spanien, in Zusammenarbeit mit der Ars Electronica organisiert wird. Kommenden September wird Tuercke nach Zaragoza reisen, um sein Projekt zu realisieren. Es handelt sich um eine Klangforschung im öffentlichen Raum, bei der die Geräuschkulisse von Städten und urbanen Situationen in Hinblick auf ihr kompositorisches und musikalisches Potenzial ausgelotet wird. Seine Forschungsarbeit und eine Ausstellung mit sämtlichen Klangkörpern und -empfängern, die er in den letzten Jahren entworfen und gebaut hat, wird im Etopia Center for Art and Technology, dem neuen Zentrum für Innovation und neue Medienkultur in Zaragoza, gezeigt.

Hallo, Florian. Wo erreichen wir Sie gerade? Ich vermute, Sie sind sehr beschäftigt mit der Herstellung irgendwelcher Transportcontainer … Wie läuft es?

Ein Projekt dieser Größenordnung ist sehr aufwendig; auch in der Vorbereitung: Es sind neue Instrumente zu entwerfen, Container für den Transport zu bauen, der Kleintransporter muss vorbereitet werden, zusätzliche Ausrüstung, Kabel und Adapter sind zu besorgen … Aber ich kann sagen, es läuft gut.

Warum gerade Klang? Wie inspiriert Sie Klang, wie beflügelt er Ihre künstlerische Kreativität?

Klang ist ein Phänomen, das wir überall ringsum uns vorfinden. Auf unserem Planeten erleben wir Schall meistens als Schwankung der Luftdichte. Schall bewegt sich aber auch in festen oder flüssigen Materialien fort. Und wenn wir unser Verständnis von Klang auf Vibrationen und zyklische oder rhythmische Muster erweitern, finden wir klangähnliche Phänomene sowohl in den kleinsten Bausteinen der Materie (in den rhythmische Bewegungen von atomaren und subatomaren Partikeln) als auch in universellem Maßstab (in den Rotationen von Planeten und Sternen oder jeder Bewegung, die in kreisförmigen Umlaufbahnen zu beobachten ist). Wenn wir das Augenmerk auf unsere eigene Existenz und unsere Wahrnehmung der Welt legen, bemerken wir, dass der Hörsinn uns wesentliche Informationen über die Welt, in der wir leben, verschafft. Während wir über die Augen direkte und fokussierte Informationen erhalten, nehmen wir über unsere Ohren – oft unbewusst – allgemeine Informationen über die Welt auf. Unser Sehsinn ist mit dem rationalen Denken verbunden; Klang verbindet uns mit dem Unterbewusstsein und unseren Emotionen. In unserer vom Visuellen dominierten Weltsicht wird die Auswirkung des Klangs auf unseren Körper und unsere Psyche oft vernachlässigt. Dadurch ist er ein interessantes Handlungsfeld für künstlerische Forschung.

Wie wurde Ihr Interesse an der Arbeit mit Klang im öffentlichen Raum und insbesondere an Ihrem Projekt Urban Audio geweckt?

Ich habe bereits einige Zeit mit Klanginstallationen gearbeitet und diese Installationen gleichsam als Musikinstrument für konzertähnliche Performances verwendet. In dieser Situation habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, meinen kompositorischen Einfluss auf das klangliche Ergebnis zu reduzieren. Gleichzeitig begann ich an künstlerischen Strategien für den öffentlichen Raum zu arbeiten und bemerkte bei der Beobachtung urbaner Verkehrssituationen, dass ihnen kompositorische Aspekte eigen sind. Ich begann Verkehr als eine kompositorische Struktur zu verstehen, die unwissentlich durch Entscheidungen, Handlungen und Interaktionen zahlreicher Einzelpersonen entsteht. Daher begann ich, diese Strukturen in die Sprache der Musik zu übersetzen. So entstand die Idee für Urban Audio.

Und wie hat sich dieses Projekt im Laufe der Zeit entwickelt oder verändert?

Als ich mit dem Projekt begann, habe ich mit einzelnen Instrumenten gearbeitet und sie im urbanen Raum verwendet, um die Akustik einer Verkehrssituation in musikalische Klänge zu übersetzen. Nach einem Projekt, das ich in den USA durchgeführt habe und für das ich durch das Land tourte, um den Sound des Verkehrs in 26 Städten aufzunehmen, beschloss ich, der spezifischen Struktur jeder einzelnen Verkehrssituation mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ich stellte fest, dass ich mit mehreren Instrumenten gleichzeitig arbeiten musste, um ein größeres Gebiet zu erfassen und mich dadurch der Vielschichtigkeit einer urbanen Verkehrssituation besser annähern zu können. Daher habe ich einen Kleintransporter mit einem mobilen Tonstudio, einem drahtlosen Übertragungssystem und acht Instrumenten ausgestattet, die alle anders gestimmt sind.

Wie funktionieren diese Instrumente?

Diese Instrumente funktionieren im Grunde wie auf Saiten basierende akustische Filter, wobei die Frequenzen des Filterns durch die Stimmung der Saiten definiert werden. Die Funktionsweise gleicht im Prinzip jener der ersten einzelnen Instrumente, aber nun hatte ich acht unterschiedlich gestimmte Instrumente zur Verfügung, die ich im Bereich einer Verkehrskreuzung verteilen konnte. Diese Technik ermöglichte mir, vielschichtigere und detailliertere musikalische Transformationen zu erzeugen und dadurch mehr von der Komplexität jeder einzelnen Verkehrssituation in eine parallel generierte musikalische Komposition zu übertragen.

Sie sind ein Künstler, der mit Klangtechnologie arbeitet. Inwiefern hat Technik Einfluss auf Ihre Kreativität? Bestimmt sie Ihre Projekte?

Technologie ist für mich eines der möglichen Medien für künstlerische Arbeit. Ich arbeite mit Technologie oder technologiebasierten Medien, um eine Idee umzusetzen. Der Unterschied zum Pinsel eines Malers ist nicht allzu groß. Technologie kann bei der Umsetzung einer Idee helfen, bestimmt aber das Ergebnis nicht. Außerdem arbeite ich gerne in einem Maßstab, in dem die erforderliche Technologie beziehungsweise ihre Komponenten sehr leicht verfügbar oder produzierbar sind. Zugegebenermaßen sind einige Ideen leichter zu realisieren als andere. Aber letzten Endes ist die Technologie nur ein Transportmittel für eine Idee.

Gibt es einen bestimmten Künstler, der Einfluss auf Ihre Arbeit hat?

Es gibt mehrere Künstler, deren Konzepte und Ansätze mich beeinflussen. Offensichtlich basiert meine Arbeit zu einem gewissen Teil auf Künstlern auf, die die Komposition neu überdachten wie Terry Riley, John Cage und LaMonte Young – um nur einige zu erwähnen –, aber auch auf zeitgenössischen Künstlern wie Christina Kubisch, Sam Auinger oder George Winter.

Können Sie uns vorab etwas über Urban Audio Zaragoza erzählen? So weit ich weiß, haben Sie ein neues Instrument für dieses Projekt entworfen? Können Sie uns etwas darüber sagen?

In einem Teil des Projekts werde ich fünf wichtige Verkehrsknotenpunkte in Zaragoza mit meiner mobilen Studioausstattung erforschen. Besucher können zu meinem Transporter kommen und sich die musikalische Umsetzung der jeweiligen Verkehrssituation anhören. Ein weiterer Teil des Projekts widmet sich einer erweiterten Konzeption von Komposition. Die Stadtbewohner werden in den kompositorischen Prozess einbezogen. Für diesen Teil des Projekts habe ich eine Reihe von sechs leichten und einfach zu verwendenden Instrumenten entworfen, die den Menschen vor Ort zur Verfügung gestellt werden. Die Entscheidung, welche spezifische Situation in Zaragoza aufgenommen werden soll, ist ihnen überlassen. Alle Aufnahmen, die von den Teilnehmern gesammelt werden, werden online veröffentlicht, wo sie in freier Kombination wieder abgespielt werden können. Die Idee dahinter ist, die Stadt Zaragoza auf verschiedenen Ebenen in den Kompositionsprozess einzubeziehen.

Urban Audio Zaragoza war das Gewinnerprojekt des ersten Durchgangs des Wettbewerbs Paseo Project. Sie hatten Gelegenheit, nach Zaragoza zu kommen und Etopia, das Center for Art and Technology der Stadt zu besuchen, das im kommenden September seine Aktivitäten starten wird. Was können Sie uns darüber berichten?

Allem voran möchte ich der Stadt Zaragoza zur Errichtung eines Kunst- und Technologiezentrum in so schwierigen Zeiten gratulieren. Ich glaube, ein solcher Schritt zeugt nicht nur von Mut, sondern auch von visionärem Denken. Die Unterstützung von interdisziplinären und offenen Strukturen – insbesondere im Bereich der Technologie, der Künste und der Wirtschaft – ist ein wesentlicher Schritt in Richtung einer zukünftigen Nachhaltigkeit. Ich bin überzeugt, dass Etopia als international anerkannte Institution das Potenzial hat, eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung dieser Region zu spielen.

Neben Ihrem Projekt wird es auch eine Ausstellung der Klangkörper, die Sie in den letzten Jahren gebaut haben, geben. Können Sie uns dazu etwas sagen? Betrachten Sie sich als eine Art Klanginstrumentenbauer oder Klanghandwerker?

Es ist eigentlich ganz einfach: Die Instrumente, die ich brauche, um gewisse Ergebnisse zu erzielen, gibt es nicht; deshalb muss ich sie bauen. Der Instrumentenbau ist sicherlich Teil meiner künstlerischen Praxis. Und obwohl von Künstlern gestaltete Objekte im Allgemeinen als Skulpturen angesehen werden, betrachte ich sie einfach als Instrumente, schlicht und einfach aufgrund der Tatsache, dass ihr Design und ihre Konstruktion der Funktion folgen, die ihnen zugedacht ist. Ich sehe mich daher eher als Saiteninstrumentenbauer denn als Bildhauer. Andererseits sind die Instrumente nicht alles. Sie sind Werkzeuge für Projekte zur Untersuchung kompositorischer Strategien.

Danke, Florian, für ihre Zeit. Wir freuen uns darauf, Sie nächsten September in Zaragoza bei der Realisierung von Urban Audio Zaragoza zu sehen.

Ich danke ebenfalls. Ich freue mich darauf, in Zaragoza zu sein und mit den Klängen der Stadt zu spielen :-)

Mariano Salvador, Paseo Project
Aus dem Englischen übersetzten von Martina Bauer

Paseo Project 2013 ist offen für Einreichungen.