Faszination Panorama

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Thomas Bredenfeld, Experte auf dem Gebiet der Panoramafotografie und Fachbuchautor, spricht im Interview über die Faszination von breitformatigen Bildern und wie diese heute entstehen. Panoramabilder gibt es aber nicht erst seit der Digitalfotografie. So hat bereits im 18. Jahrhundert der irische Künstler Robert Barker mit Panoramen experimentiert und gar ein eigenes Panorama-Haus in London erbauen lassen, in dem Menschen Eintritt dafür zahlten, um das riesige Panoramabild betrachten zu können. Am DO 12.12.2013 verwandelt sich der Deep Space im Ars Electronica Center in ein modernes Panorama-Haus, wenn Thomas Bredenfeld bei einem Deep Space LIVE die heutigen Möglichkeiten dieser „entgrenzten“ Fotografie an eigenen Beispielen präsentiert.

Was glauben Sie, fasziniert uns Menschen so an Panoramabildern?

Die Faszination ist sicher der entgrenzte Blick. Wenn wir Fotografien oder Bilder anschauen, sind wir gewohnt, diese in Ausschnitten zu sehen und zu denken, während wir als Menschen normalerweise „entgrenzt“ sehen. Wir haben einen relativ großen Blickwinkel, der über 180 Grad ist, zwar nicht immer Objekte scharf abbildet, aber durchaus ein Bewegungssehen zulässt. Damit kommt die Panoramafotografie näher an die menschliche Sehweise als die eigentliche Fotografie, weil der Rahmen nicht so stark vorhanden ist. Das fasziniert uns Menschen. Wir sind ja so gebaut – und das ist banal: Unsere Halswirbelsäule ist eine senkrechte Drehachse und damit blicken wir viel mehr in die Breite und in die Horizontale. Vertikale Panoramen hingegen verwirren uns Menschen schnell.

Sie haben Malerei und Elektrotechnik studiert – zwei auf den ersten Blick scheinbar ganz konträre Studienrichtungen, die Sie aber mit Ihren Arbeiten wieder zusammenführen. Welche Verbindungen gibt es zwischen Kunst und Technologie ihrer Meinung nach?

Das ist eine gute Synthese. Für mich war es nicht einfach, das unter einen Hut zu bekommen, aber die Panoramafotografie gibt mir eine tolle Mischung: Ich habe mit mechanischen, optischen und physikalischen Sachen zu tun, und muss aber trotzdem ein gestalterisches Auge haben – auch in Bezug zum Panoramastandpunkt. Das geht dann weiter mit der Bildbearbeitung am Computer und in Richtung interaktive Technologien. Hier kommt meine Gehirnhälfte zum Einsatz, die früher die Elektrotechnik bedient hat. Hier geht es um Programmieren der interaktiven Formate mit den Bildern. Diese Zweigleisigkeit bzw. die Kombination aus Technik und Gestaltung ist eine sehr ausbalancierte Auslastung von beiden Gehirnhälften. Das ist etwas, das mir sehr gefällt. Panoramafotografie ist eine sehr schöne Sache.

Foto: Thomas Bredenfeld

Mittlerweile sind Panoramabilder auch auf unseren Smartphones angekommen – wir drücken auf einen Knopf, schwenken das Smartphone von links nach rechts aus freier Hand und lassen uns daraus ein breites Panorama errechnen. Wie viel „Mensch“ braucht es heute noch, um Panoramabilder zu erstellen?

Ich habe einmal für den Verlag Galileo Design, bei dem ich mein Buch „Digitale Fotopraxis Panoramafotografie“ herausgegeben habe, einen Beitrag für den YouTube-Channel „Blende 8“ erstellt. Dort habe ich im Rahmen eines Workshops mit Panoramafotografie und iPhone experimentiert. Es gibt mittlerweile die passende Hardware dafür, es gibt Programme ohne Ende. Das ganze bewegt sich in einer Ambivalenz zwischen Spielzeug und Ernsthaftigkeit. Ich habe versucht, wirklich professionelle Panoramaaufnahmen mit dem iPhone zu machen – das geht auch. Für viele war es früher die Kompaktkamera und jetzt sind es die Smartphones mit ihren Apps, die diese Sachen können. Viele Leute kommen über dies in die Thematik hinein. Für Facebook und Tumblr reichen die Bilder, aber wenn man dann merkt, da sind dann Anpassungen notwendig und da ist die Belichtung nicht perfekt, dann fangen die Leute an, sich ernsthafter damit zu beschäftigen und dann geht‘s so richtig los. Von den vielen Leserbriefen, die ich bekomme, weiß ich, dass viele auf diesem Weg zur Panoramafotografie gestoßen sind. Das Produktionsmittel wird demokratisiert – es wird wirklich mehr, das merkt man. Hard- und Softwarehersteller sehen die Tendenzen auf dem Markt nicht als Hype-Thema wie es HDR war. Panoramafotografie entwickelt sich sehr gleichmäßig.

Foto: Thomas Bredenfeld

Wie können Panoramabilder erstellt werden?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten – von herkömmlichen Fotokameras und Einzelbildaufnahmen bis hin zu professionellen Scanner-Kameras, die das Bild in einem Rutsch machen. Letzteres beginnt dann aber ab dem fünfstelligen Euro-Bereich. Dazwischen gibt es viele Möglichkeiten. Die meisten Leute stellen zunächst die eigene Kamera auf ein Stativ und drehen die Kamera rundherum. Dann gibt es die ersten mechanischen Dinge, die man beachten muss. Weiters gibt es Leute, die freihändig auf dem Berggipfel Panoramabilder machen – was meistens gut geht, weil man da keinen Vordergrund hat. Es gibt dabei ein optisches Problem, auf das ich bei Deep Space LIVE eingehen werde, das man relativ gut nachvollziehen kann. Und dann muss man die Bilder zusammensetzen und da geht es dann darum, welches Objektiv und welche Kamera ich eingesetzt habe, wie viele Bilder ich brauche, ob ich eine Kugel oder einen Zylinder machen möchte. Da gibt es verschiedene Entscheidungen, die das Format betreffen. Es stellt sich immer die Frage: Was will ich damit machen? Was ist ein guter Standpunkt für mein Panoramabild?

Ich habe beim Panoramabild ja keinen Ausschnitt und deshalb ist meine Entscheidung nicht die des Ausschnitts sondern des Standpunkts. Es ist eine sehr schöne räumliche Übung. Man muss ein Gefühl für den Raum bekommen, in dem man steht. Man muss in 3-D statt 2-D in der Fotografie denken. Das ist sehr herausfordernd. Es gibt Sujets, die für ein normales Foto völlig langweilig sein können, aber für ein Panorama großartig sind. Der Standpunkt unterscheidet auch gute Panoramabilder von schlechten. Am Ende steht relativ viel Technik. Der einfachste Weg sind Programme, die man mit Bildern füttert und ein Einzelbild dabei herauskommt. Man kann auch mit Photoshop arbeiten, nicht besonders gut, aber es geht. Und dann gibt es professionelle Programme, die mit jeder Art von Bildern klarkommen und absolut perfekte Ergebnisse liefern. Diese haben aber einen gewissen Anspruch und erfordern natürlich auch intensives Lernen und ein gewisses Handwerkzeug, wie alle professionellen Anwendungen auch.

Beim Equipment ist es auch so, dass man im Laufe der Zeit relativ viel Geld ausgeben kann, wie eben Scanner-Kameras oder Kameraroboter, die Einzelbilder automatisch aufnehmen können. Ich werde bei Deep Space LIVE ein kleines handliches Setup mitbringen, damit man sich ein erstes Bild über die notwendige Ausrüstung machen kann, die oft viele Leute verblüfft. Wenn ich damit im Freien fotografiere, fragen Passanten meistens: „Aha, was machen Sie denn da eigentlich?“

Foto: Thomas Bredenfeld

Wenn Sie Ihre Panorama-Fotos zeigen möchten – welches Medium finden Sie dafür am geeignetsten?

Meistens sehe ich mir die Fotos am Bildschirm an. Das Ausdrucken hat seinen Reiz, wenn man zum Beispiel Gebirgspanoramen macht, eignet sich dies sehr gut für ein extremes Breitformat im Druck. Der am meisten verwendete Bereich ist jedoch die interaktive Darstellung – entweder als zylindrisches Panorama, als 360-Grad-Ansicht rundherum nach oben und unten oder als vollsphärische Darstellung. Letztere ist die interessanteste, da eine wirklich komplette perfekte Kugel von dem Standpunkt erzeugt wird, auf dem ich gestanden bin. Ich kann ohne Einschränkungen nach oben und unten blicken, denn bei dieser Ansicht werden Stativ und Fotograf digital aus dem Bild entfernt. Das ist interaktiv im Web sehr gut erfassbar.

Die am weitesten verbreitete Verwendung ist, sich mit Interactive Imaging in diesen „virtuellen“ Räumen zu bewegen. Man steht „virtuell“ an einem Punkt und sieht die realistische Repräsentation des Raums. Das ist perfekt, um sich eine gewisse Location anzusehen, und man kann diese Dinge interaktiv zusammenhängen. Hier kommt die Programmierung ins Spiel, wenn man multimediale Anwendungen macht und sich beispielsweise durch ein Haus oder ein Unternehmen bewegen kann. Das Panorama wird im Web als Sammlung von Bildern aufbereitet, es werden nur diese Bilder geladen, die gerade für die Ansicht benötigt werden. Hier ist sehr viel in Bewegung, der Markt dafür ist da und das mache ich derzeit beruflich auch am meisten. Und da Flash schön langsam aus dem Web verschwindet, treten immer mehr offene Standards an den Tag. Es werden immer mehr Sachen möglich, die früher nicht barrierefrei waren und man muss sich nicht mehr fürchten, dass sich viele Leute aus technischen Gründen die Panoramen nicht ansehen können. Das mit den multimedialen Inhalten im Web wird schön langsam besser. Das ist der spannendste Output der vergangenen Zeit.

 Am DO 12.12.2013 ist Thomas Bredenfeld bei einem Deep Space LIVE im Ars Electronica Center Linz zu Gast und stellt eine Auswahl seiner Panoramabilder auf der 16 mal 9 Meter großen Präsentationsfläche im Deep Space vor.

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