Das Centro de Cálculo der Universität Madrid (CCUM) ist ein gutes Beispiel dafür, wie Rechenzentren, Mathematiker und einige private Computerunternehmen eine Interaktion zwischen Technologie und anderen Disziplinen anstoßen können. Im Januar 1966 einigte sich die Universität Madrid mit IBM auf die Einrichtung eines Zentrums für Informationsverarbeitung, das jedoch erst im März 1969 offiziell der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Im Jahr 2019 feiern wir daher den 50. Jahrestag dieser Veranstaltung. IBM schenkte der Universität Madrid einen IBM-70904- und einen IBM-14015-Computer und stellte einen Beitrag von 18.000 Euro pro Jahr für Forschungsstipendien zur Verfügung. Dieses Zentrum war das erste Rechenzentrum in Spanien, und die beiden Computer waren damals zwei der fortschrittlichsten Computer, die in Europa verfügbar waren. Vor der Eröffnung dieses Zentrum in Madrid gab es an einigen Abteilungen verschiedener spanischer Universitäten nur kleine Computer. Daher sollte dieses Zentrum, das zwar in die Struktur der Universität Madrid integriert war, allen Forschungs- und Bildungszentren in Spanien offenstehen. Sein ursprüngliches Ziel war es, den Einsatz neuer mathematischer Rechentechniken in Forschung und Lehre in Spanien zu fördern und den Rechenbedarf der spanischen Universitäten zu decken. Die ersten Aktivitäten des CCUM gruppierten sich daher in zwei Hauptbereiche: Rechenunterstützung für Universitätsabteilungen sowie Computer- und Programmiertraining für Studenten und andere Fachleute nicht nur in Madrid, sondern in ganz Spanien.
Es ist jedoch offensichtlich, dass es für die Gründung des CCUM nicht nur pädagogische oder wissenschaftliche Interessen gab, sondern auch kommerzielle und wirtschaftliche Gründe. IBM hatte ein klares Interesse daran, Computer an spanische Universitäten zu verkaufen, wobei die Vereinbarung und die Spende nur als vorbereitender Schritt für zukünftige Verkäufe gedacht waren. Deshalb gab es in der Vereinbarung eine Klausel, die festlegte, dass die gespendeten Computer nur für Forschung und nicht für Routineaufgaben verwendet würden. So würde IBM zahlreiche Computer für Verwaltungsarbeiten an die Universitäten verkaufen können. Was zunächst vielleicht als Einschränkung der Mission des CCUM angesehen wurde, wurde jedoch zum Schlüssel für die zukünftige Entwicklung der Aktivitäten und Ziele des Zentrums.
In den ersten vier Jahren war das CCUM nicht nur Rechenzentrum und Trainingseinrichtung, sondern auch ein Ort für intellektuelle und künstlerische Debatten über die Rolle von Computern in der Gesellschaft. Obwohl es auch andere Workshops zu Themen wie Lernen, Automaten, Bauwesen, Gesundheitswesen oder Musik gab, waren die aktivsten und produktivsten folgende drei Seminare: „Mathematische Linguistik“, „Automatische Generierung architektonischer Räume“ und ein spezielles Seminar für bildende Kunst: „Analyse und Erzeugung plastischer Formen“.
Es gab aber nicht nur theoretische Debatten: KünstlerInnen und ArchitektInnen arbeiteten mit ProgrammiererInnen, um Programme zu entwickeln, die ihnen helfen sollten, ihr eigenes Kunstwerk zu verstehen, oder um ihre Kunstwerke selbst generieren zu können. Diese Werke, die bei verschiedenen Ausstellungen gezeigt wurden, reflektierten die wichtigsten internationalen künstlerischen Trends der Computerkunst. Von Anfang an war sich die Leitung des CCUM des Pioniercharakters des Zentrums nicht nur für Spanien, sondern auch für die Welt bewusst. Sie entwickelte ein erstaunliches internationales Netzwerk von ExpertInnen, KünstlerInnen, TheoretikerInnen und Zentren, die auf die unterschiedlichsten Bereiche spezialisiert waren und so die Erfahrungen der Teilnehmer bereicherten. Eine Reihe dieser internationalen Fachleute wurden als ReferentInnen oder AusstellungsteilnehmerInnen eingeladen, und mehrere CCUM-MitarbeiterInnen wurden auch zu internationalen Veranstaltungen entsandt. Zum Beispiel hielt Nicholas Negroponte, der 1967 die Architecture Machine Group des MIT gegründet hatte, im Mai 1971 einen Vortrag über „Architektur und Maschinen“. Abraham Moles verbrachte im Februar 1970 einige Tage am CCUM und hielt verschiedene Vorträge. Nees, Nake, Noll, Lecci, Mezei und Milojevic nahmen 1970 an der Ausstellung „Generation of Plastic Forms“ im CCUM teil.
Noch im Februar 1972, als sich bereits erste Anzeichen eines Verfalls der Seminartätigkeit abzeichneten, organisierte das CCUM zusammen mit dem Goethe-Institut und Siemens drei Wochen lang Veranstaltungen und Ausstellungen zum Thema „Kunst und Computer“, an denen eine bemerkenswerte Gruppe internationaler KünstlerInnen und TheoretikerInnen teilnahm, darunter Max Bense, der Vater der Informationsästhetik.
Leider wurde die Seminartätigkeit 1973 allmählich reduziert, und 1974 wurde das CCUM umstrukturiert. Seitdem konzentrierte sich das CCUM nur noch auf die Informationsverarbeitung. Aber immer noch erinnern sich einige der TeilnehmerInnen an diese außergewöhnliche, kreative Periode der spanischen Kunstgeschichte, und der interdisziplinäre Geist des CCUM ist eine Inspiration für eine neue Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die davon träumen, einen Ort zu haben, an dem echte interdisziplinäre Diskussionen auf hohem Niveau und auf Dauer stattfinden können.