Welcome to Pluriversal Futures
Emiko Ogawa (JP/AT) / Ko-Kuratorin & Head of Prix Ars Electronica
Der Prix Ars Electronica ist der traditionsreichste Medienkunstwettbewerb der Welt und dient seit seiner Gründung im Jahr 1987 als sensibles Barometer für den Zeitgeist. Die Prix Ars Electronica Ausstellung, in der die preisgekrönten Arbeiten präsentiert werden, bietet eine hervorragende Gelegenheit, zentrale Entwürfe von Zukünften kennenzulernen, die noch nicht vollständig ausformuliert sind. Im Jahr 2025 gab es 3 987 Einreichungen aus 98 Ländern. Die prämierten Arbeiten in den Kategorien New Animation Art, Digital Musics & Sound Art sowie Artificial Life & Intelligence sind im Lentos Kunstmuseum Linz zu sehen.
Ein bemerkenswerter Trend unter den diesjährigen preisgekrönten Arbeiten ist die Neuinterpretation des Menschseins aus einer planetarischen und langfristigen Perspektive sowie die Darstellung „multipler“, ja sogar „pluriversaler” Zukunftsvisionen, die in spezifische Kulturen und Kontexte eingebettet sind. In dieser Ära der Unsicherheit und des rasanten technologischen Fortschritts laden uns die Künstler*innen mit ihren Werken auf provokante Weise ein, an Zukunftsvisionen teilzuhaben.
Die Goldene Nica in der Kategorie New Animation Art ging an Requiem for an Exit, ein Expanded Cinema-Erlebnis mit einem vier Meter hohen Roboter, der durch ein ausgeklügeltes Projection Mapping geschaffen wurde und die gesamte Menschheit adressiert, um über die Essenz des Menschseins zu reflektieren. Dieses Werk ist eine langjährige Zusammenarbeit zwischen dem norwegischen Komponisten und Sounddesigner Frode Oldereid und dem Künstler und Autor Thomas Kvam. Es greift auf das einfach erscheinende Format eines Robotermonologs zurück und fordert uns dazu auf, die Welt aus der Perspektive der „Menschheit“ als Ganzes zu betrachten – eine Sichtweise, die Nationalität und race transzendiert.
In der Kategorie Artificial Life & Intelligence wurde die Goldene Nica an Guanaquerx verliehen. Das Projekt rekonstruiert die Route der Überquerung der Anden – ein historisches Ereignis, das im 19. Jahrhundert als einer der Auslöser für die Dekolonisierung Lateinamerikas diente – und interpretiert es in einem zeitgenössischen Kontext neu. Paula Gaetano Adi, geboren in Argentinien und derzeit Professorin für Computation, Technologie und Kultur in den USA, definiert die Beziehung zwischen Menschen, Maschinen und Erde neu, indem sie Roboter nicht als Werkzeuge zur Ausbeutung der Umwelt, sondern als Verbündete bei der Reparatur des Planeten imaginiert.
Die Goldene Nica für Digital Musics & Sound Art ging an Organism, eine Installation und Performance, bei der eine historische Pfeifenorgel rekonstruiert und mit drei Pendeln kombiniert wird, um ein neues Instrument zu schaffen, das Chaos und klangliche Turbulenzen evoziert. Dieses Projekt ist das Resultat einer Zusammenarbeit zwischen dem iranisch-kanadischen Künstler und Komponisten Navid Navab und dem kanadischen Künstler und Audioingenieur Garnet Willis. Es lädt die Besucher*innen ein, poetische Klänge zu erleben, die Unsicherheit und Verflechtung zulassen, anstatt kontrollierter Komposition zu folgen.
Wir leben in einer Welt, in der wir einen gewissen Handlungsspielraum im Umgang mit Technologien wie KI und Robotik sowie mit wissenschaftlichem Wissen und Daten haben. Die Künstler*innen fordern uns mit ihren scharfsinnigen Fragen heraus, darüber zu reflektieren. Begnügst du dich weiterhin damit, nur Zuschauer*in zu sein? Mit welcher Vision kannst du dich identifizieren, und wie wirst du einen Teil der Verantwortung für die Zukünfte übernehmen?