Von 1.-3. Oktober 2020 führte die Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ) zum zweiten Mal ein Intensivseminar zum Thema Klimawandel durch; dieses Jahr in Form einer Herbstschule unter dem Motto „Für eine lebenswerte Zukunft“. 14 engagierte junge Erwachsene nahmen an Vorträgen, Workshops und Diskussionen teil. Die Organisation und Gesamtleitung hatte Dr.in Birgit Bahti?-Kunrath (JBZ) inne, die auch durch die Herbstschule führte. Hier ein Bericht zu der im Rahmen der Partnerschaft mit der Klima- und Energiestrategie „Salzburg 2050“ ausgerichteten Veranstaltung.

Die Herbstschule verfolgte zwei Ziele: Eine hochkarätige Weiterbildung zum Klimawandel zu bietenund aufgeschlossene junge Erwachsene aus verschiedenen Salzburger Organisationen untereinander bekanntzumachen und zu vernetzen. Nominiert wurden die TeilnehmerInnen vom Naturschutzbund, dem Klimabündnis, dem Alpenverein, der PLUS Green Campus Initiative der Universität Salzburg, der Österreichischen Hochschülerschaft Salzburg, dem Friedensbüro, der Arbeiterkammer und dem ÖGB sowie der Erzdiözese Salzburg und Katholischen Jugend und der JBZ.

Eine besondere Herausforderung in diesem Jahr war COVID-19. In Abstimmung mit den Verantwortlichen beim Veranstaltungsort (Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, Strobl) wurde ein COVID-19-Präventionskonzept erarbeitet, welches eine sichere Umsetzung der Herbstschule garantierte. Zudem wurden digitale Lösungen gefunden, die ermöglichten, dass alle ReferentInnen ihre Vorträge wie geplant hielten, auch wenn sie auf Grund von Reisewarnungen nicht persönlich vor Ort sein konnten.

Tag 1: Vorträge zum Thema Klimawandel und Vorstellung der Klima- und Energiestrategie „Salzburg 2050“

Die Herbstschule startete am Tag 1 mit zwei Vorträgen plus Diskussion, die das Phänomen Klimawandel auf zwei Ebenen begreifbar machten. Zudem wurde am Abend des ersten Tags Salzburg 2050, die Klima- und Energiestrategie des Landes, vorgestellt.

Birgit Mahnkopf über systemische Zukunftslosigkeit

Prof.in Dr.in Birgit Mahnkopf (Professorin in Ruhe, Institute for Political Economy Berlin) thematisierte in ihrem Online-Vortrag des Tages die „systemische Zukunftslosigkeit“ unseres politischen und wirtschaftlichen Systems, indem sie die Gründe analysierte, warum noch immer viel zu wenig für den Schutz des Klimas passiert.

Tatsächlich hat nach Jahrzehnten einer Ideologie des schwachen Staates die COVID-19-Krise staatlicher Macht neue Legitimation verschafft: Die Angst um das eigene Leben erhöhten die Akzeptanz eines regulierenden Staats. Warum ist dies nicht auch in der Klimakrise, die gravierende Auswirkungen auf die Menschheit haben wird, möglich? Mahnkopf ortete die Gegenwartsorientierung unserer Gesellschaft als grundsätzliches Problem für wirksamen Klimaschutz – die Zukunft wird ausgeblendet. Es hat seit den 1990er Jahren immer wieder Anläufe gegeben, Klimaschutz umzusetzen, etwa mit dem Kyoto-Protokoll. Doch scheute sich die Staatengemeinschaft, wirkungsvolle Sanktionsmechanismen zu schaffen; diese Versuche blieben somit wirkungslos, so Mahnkopf. Mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 wurde ein neuer Anlauf gestartet; zudem hat sich die EU bereits 2012 zur CO2-Reduktion verpflichtet. 2020 wurde zudem ein „Green New Deal“ proklamiert, der die EU bis 2050 klimaneutral machen soll.

Laut Mahnkopf erweisen sich diese Abkommen als zu zahnlos und sie lassen viele Einfallstore offen: Vor allem in der EU gelte es, Details noch zwischen den Staaten auszuhandeln; auch bleibe man in der Logik des Kapitalismus verfangen: Neue Technologien und „grünes Wachstum“ sollen das Klima retten, doch verlagere  eine solche Strategie die ökologischen Krisen nur, da sie weiterhin auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen setzt, so Mahnkopf. Als besonders problematisch gilt hier der Abbau seltener Erden, die vor allem im Bereich Elektromobilität nötig sind. Das Zwischenfazit der Referentin: Die bislang gesetzten Maßnahmen, sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene, reichen auf alle Fälle nicht, um bis 2050 Klimaneutralität zu schaffen – was das vom International Panel of Climate Change ausgegebene Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, jedoch verlangen würde. Das Setzen auf Freiwilligkeit, sei es in der Industrie, sei es mit Blick auf Konsumverhalten, hat sich als ineffektiv erwiesen.

Birgit Mahnkopf betonte, dass auch „grüner Kapitalismus“ auf ständigem Wachstum und Akkumulation beruhe – wir leben im „Kapitalozän“, einem durch Kapital geprägtem Zeitalter, das niemals ein „genug“ kennen kann. Kapitalismus müsse immer Überschuss produzieren, was Ressourcenausbeutung unausweichlich mache. Die Verwertung von Kapital isei im Kapitalismus unendlich – doch die natürlichen Ressourcen seien es nicht. Zudem liege der Fokus auf kurzfristige Rendite und nicht auf langfristigem Zukunftsdenken.

Kritisch äußerte sich Mahnkopf auch gegenüber der Funktionsweise unserer parlamentarischen Demokratien: Die aktuelle Politik erfahre ihre Legitimation durch Wohlstandsgewinne. Man sei eher Status-Quo orientiert und denke in Wahlperioden, was einen grundlegenden Wandel erschwert. WählerInnen würden ein „Mehr“ und kein „Weniger“ honorieren – und vor allem erweise sich globale Koordination als hochkomplexe Herausforderung. Überlegungen der Referentin für eine ökologisch nachhaltige Form des Wirtschaftens beinhalten regionale Wirtschaftskreisläufe, Eingriffe in die existierende Eigentumsordnung und eine politische Auseinandersetzung darüber, was dem Markt überlassen werden soll und wo es staatliche Gestaltung braucht. Auch unbequeme Gedanken müssten thematisiert werden: Was bedeutet es für unsere Lebensweise, 80 Prozent der verfügbaren fossilen Energie nicht mehr zu verbrennen – etwa für die produzierenden Länder? Welche Implikationen haben eine schrumpfende Finanzwirtschaft und ein radikales Rückfahren von Exporten? Was würde De-Globalisierung systemisch bedeuten? Und wie könnte man solche Umbrüche gestalten, ohne soziale Ungleichheit zu verschärfen?

Birgit Mahnkopf betonte am Ende ihrer Ausführungen, dass eine sozial-ökologische Wende schmerzhaft seiund nicht automatisch ein besseres Leben für alle bedeute, sondern auch viele Zumutungen mit sich bringe. Dennoch bleibe diese ohne Alternative, wenn man einen ökologischen und damit einhergehenden sozialen Kollaps vermeiden möchte.

Hinweis: Birgit Mahnkopfs Vortrag „Systemische Zukunftslosigkeit“ ist für alle Interessierte auf JBZ TV abrufbar.

Thomas Lindenthal: Klimawandel und der Faktor Mensch

Der zweite Vortrag des Tages von Dipl.-Ing. Dr. Thomas Lindenthal (Universität für Bodenkultur, Wien) beschäftigte sich mit dem Klimawandel als Produkt des „Menschseins“: Können wir nicht anders, als unsere Umwelt auszubeuten? Wenn doch – wie durchbrechen wir unsere nicht-nachhaltigen Handlungsmuster? Ging es bei Birgit Mahnkopf um systemische Ursachen, stand bei Thomas Lindenthal der „Faktor Mensch“ im Mittelpunkt.

Lindenthal verwies, ähnlich wie Mahnkopf, darauf, dass die Menschheit mit einer Reihe von „Grand Challenges“ konfrontiert wäre, die über Klimaschutz hinausgehen: Ressourcenverknappung, Welternährung, Demographie, Biodiversität, Bodenverlust, Müll, Armut und Globalisierung: In all diesen Bereichen finden sich exponentielle Kurven, die in Richtung Kollaps weisen. Doch warum ändern wir das nicht – warum können wir nicht anders, so die von Lindenthal gestellte Frage

Neben den bereits von Birgit Mahnkopf angesprochenen systemischen Ursachen gilt es gemäß dem Referenten, Augenmerk auf die Verfasstheit des Menschen zu legen. Die Werte, welche eine Gesellschaft für sich festlegt, können darüber Aufschluss geben. In leistungsorientierten kapitalistischen Gesellschaften seien dies insbesondere persönliche Profitorientierung, Nützlichkeitsdenken (inkl. Effizienz), Distanz zur Natur und ein damit einhergehendes fehlendes Wissen über Umweltzusammenhänge. Die Überbetonung von Konkurrenz und Wettbewerb, die Akzeptanz von Ungerechtigkeit, ein Leben im Hier und Jetzt, welches die Bedürfnisse zukünftiger Generationen außer Acht lässt, der Machbarkeitsglauben und das Konsumdenken – aber auch Fremdbestimmung, vor allem in der Arbeitswelt, seien bestimmende Merkmale. Letztere verringere die Motivation, auf etwas zu verzichten; Konsum kompensiere ein freudloses Dasein: „Verzicht ist möglich, wenn die Lebenszufriedenheit hoch ist und Beziehungen funktionieren.“

Dazu komme die Überbetonung eines einseitigen rationalen Denkens, welches Fühlen, körperliches Empfinden und Intuition ausblendet, so Lindenthal. Wir passen uns an äußerliche Normen an, auch wenn diese nicht zu unserer innerlichen Konstitution passen. Doch gerade im Zuammenhang mit Umwelthandeln müssten Gefühle angesprochen werden. Rationale Argumente allein würden Menschen nicht zum Verzicht motivieren – es gehe darum, Werte neu zu definieren.

Welche Werte fördern nun nachhaltige Entwicklung und welche hemmen sie? Lindenthal nannte Chancengleichheit, Verantwortung übernehmen, Partizipation, Kooperation und Dauerhaftigkeit, Zufriedenheit – und Ehrfurcht vor der Natur. Zudem gelte es, gemeinschaftliche Ziele über Ich-bezogene Lebensziele zu stellen sowie Empathie und Anteilnahme statt alleiniges  Nützlichkeitsdenken zu fördern, so Lindenthal. Nicht nur die räumliche und zeitliche, sondern auch die emotionale Distanz zum Klimawandel hinderten uns, dagegen aktiv zu werden – hier gelte es Begeisterung und Interesse zu wecken Fazit: „Weder Optimismus noch Pessimismus werden die Krise beenden, sondern das Entstehen-Lassen von neuen Visionen und das Überwinden der Angst vor Veränderung.“

Diese beiden Eröffnungsvorträge regten zu einer intensiven Diskussion zwischen TeilnehmerInnen und ReferentInnen an, zeigten sie doch die Vielschichtigkeit des Umgangs mit der großen Herausforderung Klimawandel.

Peter Waltl: Die Klima- und Energeistrategie „Salzburg 2050“ des Landes

Nach einem gemeinsamen Abendessen präsentierte DI Peter Waltl präsentiert.  die Klima- und Energiestrategie des Landes Salzburg – Salzburg 2050–Diese Strategie wird vom Land Salzburg seit 2012 mit dem Ziel umgesetzt,, das Bundesland bis 2050 klimaneutral zu machen. Tatsächlich stehen für uns alle große Veränderungen vor der Tür – entweder, weil wir die Klimawende durch grundsätzliche Umstellungen schaffen, oder weil wir sie eben nicht schaffen, so Waltl. Die Klimawende bedeute, die Erderwärmung bis zur Jahrhundertwende auf +2 Grad zu begrenzen. Was die Umsetzung der Klima- und Energiestrategie des Landes anbelangt, hat Salzburg die selbst gesteckten Reduktionsziele für 2020 nicht geschafft. Der Hauptverursacher für CO2-Emissionen in Salzburg ist der Verkehr; gleichzeitig isei Verkehrspolitik weitgehend Bundessache, was die Sache schwieriger mache, so Waltl. Im Bereich nachhaltige Energie wurden die Ziele hingegen fast vollständig umgesetzt; mittlerweile liegt der Anteil der erneuerbaren Energien im Bundesland bei 49 Prozent. Auch im Wohnsektor gibt es positive Entwicklungen, auch hier wurden die Ziele fast geschafft. Der Masterplan für 2030 befindet sich derzeit in Ausarbeitung und soll die Wende erfolgreich einleiten.

2. Tag: Workshops zu Klimawandel und KI sowie zu den Commons

Tag 2 stellte in zwei Workshops komplett unterschiedliche, nichtsdestotrotz einander ergänzende Lösungsansätze zum Klimawandel vor.

Michael Mondria: „Erde an KI ….“

Michael Mondria, Senior Director Ars Electronica Solutions, diskutierte in seinem Workshop „Erde an KI ….?“ das Potenzial von Künstlicher Intelligenz für den Klimaschutz. Dazu gab es eine spannende Einführung in das Thema, vor allem zur grundsätzlichen Funktionsweise von KI – mit all ihren Chancen, aber auch Gefahren. Die Frage, wie Menschen Technologie zum Wohle der Gesellschaft nutzen können, stand dabei im Vordergrund.

Mondria plädierte für eine Verschränkung von Branchen und Denkarten – so komplex der Klimawandel und dessen Ursachen sind, so komplex seien die Lösungen. Hier könnte KI einen wichtigen Beitrag leisten. Aktuell entstehen künstliche neuronale Netzwerke mit einer nie dagewesenen Leistungsfähigkeit, welche in naher Zukunft jene des menschlichen Gehirns überflügeln werden. Es sei wichtig zu verstehen, das KI aus Algorithmen besteht, die das neuronale Netzwerk des menschlichen Gehirns kopieren. Für gut funktionierende Algorithmen brauche es eine Unmenge von Daten; zudem müsse KI „trainiert“ werden. Hier sei besondere Vorsicht geboten, um mit dem Training nicht menschliche Vorurteile, Werte u.Ä. in die KI einzuspeisen. Zudem sei zu bedenken, dass KI keine echte Intelligenz sei, sondern auf Muster reagiere – und zudem anfällig für Missbrauch sei, wie Mondria betonte. Chinas Sozialkredit-Systemnsei ein Beispiel dafür, wie KI Menschen nicht unterstützt, sondern unterdrückt.

Als zentraler Richtwert gilt für Mondrian daher, dass KI das Individuum niemals einschränken dürfebzw. Individuen die Wahl gelassen werden müsse, inwieweit sie KI ins persönliche Leben eingreifen lässt.

Was den Klimawandel anbelangt, sei KI zunächst eine große CO2-Emittentin, so Mondrian: Das Trainieren von KI verschlingt sehr viel Energie, die nach wie vor hauptsächlich fossil erzeugt wird. Mittlerweile wird KI jedoch auch dafür eingesetzt, den Stromverbrauch gezielt zu verringern. Zudem bringe KI uns wichtige Informationen über den Klimawandel – ein Beispiel wären Satellitenbilder. Die Organisation „Climate Change AI“ setzt sich zudem für den Einsatz von KI gegen den Klimawandel ein: etwa, wenn es um effizienteren Ressourceneinsatz, Abfallmanagement, Energiegewinnung, effizientere Mobilität oder Gebäudenutzung geht.

Im zweiten Teil des Workshops konnten die TeilnehmerInnen in Kleingruppen Szenarien erarbeiten, wie KI gegen den Klimawandel eingesetzt werden könne. Besprochen wurden völlig neue Möglichkeiten von Kooperationen und Vernetzung durch KI, das Potenzial von Big Data und deren Einsatz in verschiedensten Bereichen für den Klimaschutz – immer mit Blick auf die Privatsphäre des Individuums, welche geschützt werden müsse

Brigitte  Kratzwald: Alternative Wirtschaftsformen und die Commons

Der zweite Workshop des Tages, abgehalten von Mag.a Brigitte Kratzwald(Commons & Co), stellte sich der Frage nach dem Potenzial alternativer Wirtschaftsformen für den Kampf gegen den Klimawandel, mit einem Fokus auf dem Konzept von „Commoning“.Zu Beginn wurde gemeinsam reflektiert, was Wirtschaft überhaupt ist. Dabei wurde rasch klar, dass das, was herkömmlich unter Wirtschaft verstanden wird, nämlich alle jene Bereiche, in denen Gütr und Dienstleistugen über Geld Geld gehandelt werden, einen wichtigen Teil des wirtschaftlichen Handelns ungesehen lässt: die vielfach diskutierte unbezahlte Sorgearbeit, welche meist Frauen übernehmen, aber auch die Produktionsleistungent der Natur, die von uns als selbstverständlich hingenommen werden.

Tatsächlich kann der sichtbare Teil der Ökonomie, dem meist unser Hauptaugenmerk gilt, nur erfolgreich sein, wenn der unsichtbare und unbezahlte Teil unhinterfragt funktioniert. Alternative Wirtschaftsansätze wollen diesen unsichtbaren und unbezahlten Teil, inkl. der Naturproduktivität, sichtbar machen, dessen Relevanz herausstreichen oder gar zeigen, dass die Menschheit sehr gut nur mit diesem Teil der Wirtschaft leben könnte – und die sichtbare Ökonomie, der Markt, am wenigsten wichtig sei, vor allem wenn es um Zukunftsfähigkeit geht. Ein Wirtschaften, welches die Umwelt schont, betont nicht nur den Profit und baut nicht auf die Ausbeutung von Mensch oder Umwelt, so Kratzwald. Statt Wachstum soll in Kreisläufen gedacht werden.

Es gebe zahlreiche Ansätze für alternative Wirtschaftskonzepte, so Kratzwald weiter: Etwa die solidarische Ökonomie, welche den Gegensatz zwischen Eigentümerinnen, Management und Arbeitern aufheben und den Nutzen aller Mitglieder zum Ziel hat; oder verschiedene feministische Ansätze, die sich mit Sorgearbeit und Subsistenzwirtschaft auseinandersetzen.

Ein Konzept stand im Zentrum des Workshops – die „Commons“. „Commons“ bezeichnet einen besonderen Umgang mit drei Elementen: Ressourcen, Gemeinsamkeit und Regeln. Commons sind Gemeingüter, die gemacht, erhalten und reproduziert werden müssen – sie sind also zuerst soziale Prozesse und ein Bündel an sozialen Beziehungen. Damit stehen Kommunikation und Gemeinsames im Vordergrund. Commoning als Wirtschaftsform setzt sich zum Ziel, ein gutes Leben für alle zu schaffen, basierend auf Gemeingütern – angefangen von Boden, Wald und Wasser über Gebäude, Kunst und Kultur, Software und Technik, Saatgut oder öffentlichen Verkehr: All das kann auch zur Ware werden, was das Commoning ablehnt. Damit ein gemeinsames Bewirtschaften solcher Güter funktioniert, braucht es klar definierte Grenzen und faire Regeln mit Konfliktlösemechanismen, die von den NutzerInnen selbst geschaffen werden.

Die Logik der Commons unterscheide sich entscheidend von jener des Kapitalismus, betonte Kratzwald: Es geht um Bedürfnisbefriedigung anstelle von Profit, um gemeinsamen Nutzen anstelle monetärer Tauschgeschäfte, um gemeinsamen Besitz anstelle von Eigentum, um Kooperation und Vertrauen anstelle von Wettbewerb. Dazu brauche es ein anderes Menschenbild: Nicht mehr der egoistische homo oeconomicus, sondern der Mensch, der in größere Zusammenhänge eingebunden ist, steht im Zentrum.

Wichtige Fragen für ein neues klimaverträgliches Wirtschaften lauten daher: Wie gehen wir mit Ressourcen um, wie nutzen wir diese gemeinsam? Wie können wir das, was wir zum guten Leben brauchen, so produzieren, dass Bedürfnisse gestillt werden, alle nach ihren Möglichkeiten beitragen können und Ressourcen gleichzeitig erhalten bleiben?

In den darauffolgenden Gruppenarbeiten wurden Beispiele von Commining diskutiert – mit Blick auf ihr Potenzial einer alternativen klima- und umweltfreundlichen Wirtschaftsform für alle. Die TeilnehmerInnen wurden ermutigt, selbst Szenarien für Commoning zu entwerfen, im eigenen Umfeld, wo Wandel durch Engagement gelingen kann.

Tag 2 klang nach dem Abendessen mit einer Gruppenarbeit aus: Diskutiert wurden Leitfragen zum Thema Klimaschutz in der Post-Corona-Gesellschaft: Wie geht es mit dem Klimaschutz nach dieser weltweiten Krise weiter? Welche Möglichkeiten, welche Probleme hat die Krise eröffnet? Anhand dieser Leitfragen wurden die TeilnehmerInnen angeleitet, ein Drehbuch für Kurz-Videos zur Thematik zu schreiben, welche am letzten Tag der Herbstschule gedreht wurden.

3. Tag: Die Möglichkeiten zivilgesellschaftlichen Engagement

Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens

Am Tag 3 der Herbstschule sprach Katharina Rogenhofer, MSc, die Sprecherin des Klimavolksbegehrens und Mitbegründerin von Fridays for Future Österreich, in einem Online-Vortrag über die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation im Klimaschutz. Besonders betonte sie, dass zivilgesellschaftliches Engagement unerlässlich für eine politische Wende sei. Diese bräuchte es gerade in Österreich, welches bislang im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern beim Klimaschutz zähle.

Rogenhofer sprach nicht nur über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Aufbau einer jungen Klimaschutzbewegung in Österreich, sondern auch darüber, was es braucht, um Engagement zu fördern. Eine besondere Bedeutung maß sie der Rolle von Emotionen für ein langfristiges Engagements bei. Theoretisches Wissen reiche nicht um sich für eine größere Sache einzusetzen, wenn man davon nicht emotional berührt sei, so die Aktivistin. Die Sichtbarmachung von Betroffenen des Klimawandels, wie es auch das Kimavolksbegehren in seinen Kampagnen gemacht hat, zeige, dass das Problem nicht abstrakt, sondern sehr konkret ist und auf das Leben konkreter Individuen große Auswirkungen hat.

Neben dem persönlichen Engagement lebte das Klimavolksbegehren von Anfang an vom Einbeziehen verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen: So wurde die Kampagne von allen anerkannten Religionen in Österreich unterstützt, von KünstlerInnen ebenso wie von WissenschaftlerInnen, von Wirtschaftstreibenden und SportlerInnen. Wichtig war die permanente Abstimmung mit VertreterInnen aus der Wissenschaft. Ohne nennenswertem Budget und ohne professionelle Organisation im Hintergrund, allein mit dem Engagement hunderter Freiwilliger, konnte das Klimavolksbegehren über 300 000 Unterschriften sammeln und schaffte es so in den Nationalrat.

Am Ende betonte Rogenhofer, dass monate-, gar jahrelanges Engagement ermüdend sei; AktivistInnen ausbrennen; Frustrationen alltäglich sind. Die Fluktuation unter AktivistInnen sei mitunter hoch, was die Planbarkeit von Aktivitäten erschwert. Die Erkenntnis daraus: Auch mit sich selbst muss man „nachhaltig“ umgehen, um überhaupt in der Lage zu sein, Engagement längerfristig aufrechtzuerhalten. Oft würden schon kleine Aktivitäten, wie Briefe an politische VerantwortungsträgerInnen zu schreiben, reichen um einen Unterschied zu machen, so Rogenhofer. – Fazit: ein inspirierender und motivierender Vortrag, der in eine intensive Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen von individuellem Protest mündete.

Die Herbstschule wurde mit dem vergnüglichen Drehen der Videos beendet, welche 2021 präsentiert werden. In der Abschlussrunde wurden die TeilnehmerInnen eingeladen, sich permanent über die JBZ zu vernetzen. Es gab zudem die Möglichkeit, anonym die Herbstschule zu bewerten. Mit dem wertvollen Feedback hoffen wir, auch für 2021 eine erfolgreiche Herbstschule durchzuführen.

Bericht: Birgit Bahti?-Kunrath