ARS and the CITY

Donnerstag, 5. September 2019, 10:00 - 21:00
Freitag, 6. September 2019, 10:00 - 18:00
Samstag, 7. September 2019, 10:00 - 18:00
Sonntag, 8. September 2019, 10:00 - 20:00
Montag, 9. September 2019, 10:00 - 18:00
Alle Termine werden in der Mitteleuropäischen Zeit (MEZ / UTC+1) angegeben.
LENTOS Kunstmuseum

Eine Retrospektive der Aktivität und Wirkung von Ars Electronica in, mit und für Linz.

Eine Ausstellung über Kunst-, Medien- und Partizipationsprojekte der Ars Electronica im öffentlichen Raum – von 1979 bis heute.

„Keine andere österreichische Stadt hat im 20. Jahrhundert einen so dramatischen ökonomischen, sozialen und demographischen Wandel vollzogen wie Linz. Jahrzehntelang wurde das Image der Stadt fast ausschließlich von der Großindustrie bestimmt. Linz war 40 Jahre lang das Herz der österreichischen Stahlindustrie – die Stahlstadt.“, schrieb Siegbert Janko, langjähriger und einflußreicher Kulturdirektor der Stadt Linz in einem Text über die besonderen Rahmenbedingungen der Kulturpolitik in Linz am Ende des 20. Jahrhunderts

Damit beschrieb er auch einen wichtigen und prägenden Ausgangspunkt für das Entstehen und die Entwicklung der Ars Electronica: Eine Stadt im Wandel, die Kunst und Kultur als wichtige Kraft in der Gestaltung ihrer Zukunftschancen sah. Es gehört zum Gründungsmythos dieses einzigartigen Projekts Ars Electronica, dass es als Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft ins Leben gerufen wurde – als Initiative der Stadt Linz und des ORF –, um den damals dringend notwendigen Wandel der Stadt einzuleiten, zu begleiten und zu unterstützen. Computer und Mikroelektronik waren naheliegende ökonomische Zukunftsperspektiven für eine Industriestadt, aber besonders und außergewöhnlich war, dass man dabei von Anfang an auch die Wichtigkeit der gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte erkannte und ernst nahm, was sicher auch dem Einfluß des Ars Electronica Mitbegründers Hannes Leopoldseder zu verdanken ist.

Es ist daher nur naheliegend, dass Ars Electronica schon in den ersten Jahren die Arbeit in und mit der Stadt mit großer Energie und Begeisterung betrieb und auch immer wieder erhebliche Ressourcen dafür mobilisierte. Medienkunst – so sollte sich schnell herausstellen – war besonders gut dafür geeignet, aus den etablierten Orten der Kunstdarbietung und Kulturvermittlung auszubrechen und sich eigene Wege in die Öffentlichkeit zu bahnen bzw. sich überhaupt ihre eigene Öffentlichkeit zu schaffen.

Ars Electronica Center, Credit: rubra

Die spätere Ausrichtung des Ars Electroncia Center als „Museum und Schule der Zukunft“ und die breite Aufstellung als Kunst-, Bildungs- und Forschungseinrichtung in der sich Ars Electronica heute darstellt, sind eine logische Konsequenz dieser frühen Zielsetzungen.

Die Ausstellung gliedert die kaum faßbare Vielzahl und Vielfalt an Projekten und Initiativen im öffentlichen Raum in vier thematische Sektoren: Donaupark, Hauptplatz, Voest, Stadtwerkstatt.

Der Donaupark steht nicht nur symbolisch für den Lebensraum Stadt, sondern ist auch der Ausgangspunkt dieser aufregenden Reise, denn 1979 wurde für die Eröffnung des ersten Festivals auch die Linzer Klangwolke erfunden, die in ihrem Gründungsjahr nicht nur ein spektakuläres Open-Air-Konzert war, sondern mit dem Projekt „Radio ins Fenster“ ein außergewöhnlich prophetisches Projekt verwirklichte.

Schon Wochen vor der Klangwolke begann man die Bevölkerung einzuladen am Samstag Abend während der Klangwolke ihre Radios ins Fenster zu stellen, um so gemeinsam eine weit über den Donaupark hinausreichende, echte Klangwolke im ganzen Land entstehen zu lassen. Tausende von Menschen folgten diesem Aufruf. Aus heutiger Sicht kann man es als gelungenes „Social Media“-Pionierprojekt bezeichnen, da das Medium nicht bloß dafür eingesetzt wurde, Information oder Unterhaltung auszustrahlen, sondern um im großen Stil Menschen zu aktivieren und teilnehmen zu lassen. 33 Jahre später kommt es zu einer weiteren Weltpremiere: 2012 steigen im Donaupark zum ersten mal 50 Drohnen, die organisiert als autonomer Schwarm flogen, zu einer einzigartigen Show auf. Diese Entwicklung des Ars Electronica Futurelab sollte um die ganze Welt gehen.

Der Hauptplatz ist einer der häufigsten Schauplätze von Projekten im öffentlichen Raum. Viele LinzerInnen erinnern sich noch an das Projekt „Audience Participation“ von Loren Carpenter im Jahr 1994 bei dem 4000 Menschen am Hauptplatz gemeinsam „Pong“ spielen konnten. Der Hauptplatz als thematischer Sektor der Ausstellung steht aber auch für die wichtige und aktive Rolle der Stadtverwaltung, ohne deren intensive Unterstützung viele dieser Projekte nicht möglich gewesen wären. So findet sich noch heute in der Eingangshalle des Linzer Rathauses ein „Nebenprodukt“ des vielleicht größten Partizipationsprojektes in der Geschichte der Ars Electronica. Im Jahr 2007 wurde ein eigener Fotoüberflug über Linz organisiert und öffentlich angekündigt. Die Bevölkerung wurde dazu eingeladen, sichtbare Zeichen in ihren Gärten, auf ihren Dächern, auf Betriebsflächen und in Parkanlagen zu setzen. Das dabei entstandene, riesige Luftbild von „Ganz Linz“ wurde in der Folge am Boden der Eingangshalle des Linzer Rathauses aufgebracht. Bis heute erfreut sich das Luftbild von Linz großer Beliebtheit und BesucherInnen kommen extra ins Rathaus, um ihre Stadt zu sehen und zu erkunden. Zudem wird es stetig von der Stadtverwaltung aktualisiert.

Der dritte thematische Sektor ist die „Voest“. Das riesige Betriebsgelände, im zweiten Weltkrieg als Hermann Göring Werke gegründet, wurde nach dem Krieg rasch wieder aufgebaut und avancierte zum ökonomischen Motor der Stadt, der über Jahrzehnte hin die Identität von Linz als Stahlstadt geprägt hat. Heute ist sie ein Zeichen für den erfolgreichen, modernen Technologiestandort Linz.

Ars Electronica 1996 – 2000 Ridin’ a Train – eine musikalische nachtfahrt mit dem Zug durch das Werksgelände der Voest, Credits: Fadi dorninger, Ikue Mori + Tenko, pan sonic, Marina rosenfeld

Nicht nur thematisch taucht die Voest daher von Anfang an in den Ars Electronica Festivals auf (Stahlsymphonie, Stahloper …), sondern auch als ikonischer Austragungsort für außergewöhnliche Projekte. Heute kaum mehr vorstellbar, gab es mit „Contained“ Anfang der 1990er Jahre auch eine KünstlerInnengruppe, die mitten im Voest-Gelände Quartier bezogen hatte und aus der das bis heute erfolgreich arbeitende Kollektiv „Times Up“ hervorging. Legendär sind die nächtlichen musikalischen Zugfahrten durch das Voestgelände, die Fadi Dorninger von 1996 bis 2000 für das Festival organisiert hat.

Ars Electronica 1991 – Stadtwerkstatt TV Niemand ist sich seiner sicher, Credit: Stadtwerkstatt

Der vierte Sektor ist ausgehend von vielen Stadtwerkstatt-Projekten, die im Rahmen der Ars Electronica stattgefunden haben, der Rolle der freien Szene gewidmet. Die Stadtwerkstatt, heute das älteste autonome Kulturzentrum in Linz, entstand ebenfalls 1979 und war der Ausgangspunkt einer vitalen Linzer KünstlerInnen Szene, die den Weg von der Stahlstadt zur Kulturstadt maßgeblich mitgestaltete und bis heute einen prägenden Einfluß auf das Festival hat. Unter dem Begriff „Hundesprengung“ erinnern sich noch viele an das große Kooperationsprojekt der Stadtwerkstadt mit dem ORF-OÖ bei der Ars Electronica 1991. Aber auch z.B. „Bug-Race“ von 1997 oder zuletzt die „Turnton Docklands“ von „Times Up 2016“ zeugen von dieser einflußreichen und fruchtbaren Wechselwirkung.

Sieht man auf das breite Spektrum von Kreativitäts- und Innovationsorientierten Playern, die heute in Linz aktiv sind und mittlerweile weit über Ars Electronica hinaus auch in den Universitäten der Stadt verankert sind, oder zum Beispiel in der ehemaligen Tabakfabrik eine Drehscheibe für die ökonomische Wertschöpfung von Kreativität aufgebaut haben, so bestätigt sich darin die mutige Idee, die am Anfang von Ars Electronica stand: Kunst und Kultur als Katalysator in den Wandel der Stadt einzubeziehen, eine große Chance auch für die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte.