Science Talk: Gehirn für Alle – Embodiment

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Donnerstag, 27. August 2020, 13:00 - 15:00
Alle Termine werden in der Mitteleuropäischen Sommerzeit (MESZ / UTC+2) angegeben.

Lernen ist kein Phänomen des Geistes, wie Gelehrte und Wissenschaftler viele Jahrhunderte propagiert haben. Lernen beruht auf sensomotorischen Prozessen, so die These des Embodiments. Der Erwerb der Muttersprache findet statt, indem Kinder die Welt sensomotorisch erkunden und die Bezeichnungen von Gegenständen, Handlungen und Emotionen von ihren Bezugspersonen in kommunikativer Interaktion erfahren. In der Fremdsprache hingegen wechseln Lesen und Schreiben einander ab. Dennoch gibt es die Möglichkeit, sensomotorische Erfahrung, beispielsweise durch Gesten, in den fremdsprachlichen Unterricht zu bringen. Im Vergleich zum traditionellen audiovisuellen Lernen steigern Gesten die Menge der gelernten Wörter. Sie bleiben auch länger im Gedächtnis. Neurowissenschaftliche Studien belegen, dass der Einsatz von Gesten zu ausgedehnten Netzwerken im Gehirn führt. In ihrer Ausdehnung spiegeln solche Netzwerke die eingesetzten Lernmodalitäten wider: Sie verbinden Sprache mit sensorischer Wahrnehmung und motorischen Programmen. Darüber hinaus nutzen Gesten zwei Gedächtnissysteme: das deklarative sowie das prozedurale Gedächtnis. Dies erklärt möglicherweise die überragende Behaltensleistung von Wörtern, die durch Gesten gelernt werden, gegenüber audiovisuell erlernten.

Manuela Macedonia ist eine international anerkannte Expertin im Embodiment. Sie promovierte 2003 in Salzburg mit einer Dissertation über das sensomotorische Erlernen von Fremdsprachen beim Gedächtnisexperten Wolfgang Klimesch.

Am Max-Planck Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig arbeitete sie 2007-2010 in der Abteilung Neuropsychologie bei Angela Friederici und 2011-2018 in der Forschungsgruppe Neuronale Mechanismen zwischenmenschlicher Kommunikation. Derzeit ist sie in der Forschungsgruppe „Neuronale Plastizität bei Gesa Hartwigsen“ affiliiert und beforscht weiterführende Aspekte des Sprachgedächtnisses. Seit 2012 ist Macedonia leitende Wissenschaftlerin an der Johannes Kepler Universität und seit 2019 am Linz Center of Mechatronics in der Entwicklung digitaler Coaches tätig. Sie sollen Menschen durch Lernprozesse virtuell begleiten. Im März 2020 ist „Bewegtes Lernen – Handbuch für Forschung und Praxis“ im Lehmann Verlag (Berlin) erschienen. Hierfür hat Manuela Macedonia als Ko-Herausgeberin gemeinsam mit ihrem Kollegen Christian Andrä von der Universität Leipzig fungiert. Die Artikelsammlung enthält auch 2 Beiträge der Neurowissenschaftlerin zu Theorie und Praxis des Embodiments von Fremdsprache.