CyberArts 2021: Artificial Intelligence & Life Art

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Linz, OK, OÖ Kulturquartier

Die neue Kategorie Artifical Intelligence & Life Art widmet sich der künstlerischen Praxis und dem künstlerischen Denken in allen Bereichen der Künstlichen Intelligenz und der Life Sciences. Ausgezeichnet wurden Kunstwerke, die sich kritisch und anspruchsvoll mit Biotechnologie, Gentechnik, Biowissenschaften sowie mit Robotik und Kinetik, maschinellem Lernen, Deep Learning und jeder anderen Form der Forschung zu Künstlicher Intelligenz beschäftigen.

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Honorary Mention

Sound For Fungi. Homage To Indeterminacy, 2020

Theresa Schubert (DE)

Sound for Fungi. Homage to Indeterminacy begann als Laborexperiment, bei dem die Künstlerin in Berliner Wäldern gesammelten Pilzmyzelien Sinusfrequenzen vorspielte. Dabei war zu beobachten, dass die meisten von ihnen positiv auf den Einfluss von Klang reagierten, indem sie schneller und dichter wuchsen als jene Proben, die in der Stille gewachsen waren. In dieser interaktiven und generativen Videoinstallation wird das Experiment simuliert. Das Publikum kann den biologischen Prozess mit Hilfe eines Tracking-Sensors erforschen. Statt Schallfrequenzen verändern hier Handbewegungen das Wachstum des Pilzes in Echtzeit. Die „Unbestimmtheit“ im Titel bezieht sich auf die von dem Komponisten John Cage entwickelte Improvisationstechnik, bei der Aspekte einer Komposition dem Zufall, der Natur oder der freien Wahl überlassen werden. Versteht man sie generell als natürliches Lebensphänomen, stellt Improvisation eine Grundbedingung der Existenz dar. Mit ihrer Arbeit ermöglicht die Künstlerin eine „artenübergreifende Erfahrung“, die am besten funktioniert, wenn die Besucher:innen Ruhe und Geduld für die Interaktion mitbringen.

Credits

Installation
Studio assistant: Simona Dossi
Simulation development: Sage Jenson
Produced within the “Mind the Fungi research project by TU Berlin and ALB
theresaschubert.com


Golden Nica

Cloud Studies, 2020

Forensic Architecture (INT)

Forensic Architecture ist eine Forschungsagentur von Architekt:innen, Künstler:innen, Filmemacher:innen, Journalist:innen, Anwält:innen, Wissenschaftler:innen und Softwareentwickler:innen, die weltweit Menschenrechtsverletzungen, staatliche Gewalt und Umweltverbrechen untersucht. In Cloud Studies untersucht dieses gemischte Team, wie unterschiedliche Mächte die Luft, die wir atmen, verändern. Tränengas wird eingesetzt, um Menschengruppen aufzulösen, die sich zu demokratischen Protesten versammeln, weißer Phosphor und Chlorgas werden benutzt, um Terror in den Städten zu verbreiten, Herbizide werden aus Flugzeugen versprüht, um Felder zu zerstören und diejenigen zu vertreiben, deren Lebensunterhalt von ihnen abhängt, Brände werden gelegt, um Wälder für industrielle Plantagen zu roden. Giftige Wolken, die von staatlichen und unternehmerischen Akteuren verursacht werden, erfüllen die Luft, die wir atmen. Cloud Studies vereint acht aktuelle Untersuchungen von Forensic Architecture, in denen sie Open-Source- Forschungsmethoden, umfangreiche Video- und Datenanalyse aus TV- und Satellitenaufnahmen, mathematische räumliche Modellierungen und Simulationen von Strömungsdynamiken kombinieren, um daraus navigierbare 3D-Modelle und Filmanimationen zu erstellen – visuelle und diskursive Beweise für Aggressionen, die sich auf die Luft, die wir atmen, auswirken und keine greifbaren Spuren hinterlassen.

Credits

2-Kanal-Videoinstallation (23′ 28″)
Mehrkanal-Videoinstallation auf 5 Monitoren, Länge variabel | multi-channel video installation on 5 monitors, length:various
Originally commissioned by ZKM Centre for Art and Media in Karlsruhe
forensic-architecture.org/investigation/cloudstudies


Honorary Mention

Capture, 2020

Paolo Cirio (IT)

Mit seinen provozierenden, kritischen und aktivistischen Projekten wie jene über Facebook und Google thematisiert Paolo Cirio Widersprüche, moralische Grenzbereiche und Ungerechtigkeiten, die unsere Informationsgesellschaft in sich birgt. In Capture befasst er sich mit Gesichtserkennung, wie sie aktuell von Behörden und Unternehmen in Europa ohne klaren rechtlichen Rahmen eingesetzt wird. Aus über 1.000 Fotos, die bei Protesten in Frankreich aufgenommen wurden und auf denen Polizist: innen zu sehen sind, filterte er mit einer Gesichtserkennungssoftware die Gesichter von 4.000 Beamt:innen heraus. Über Crowdsourcing identifizierte er sie namentlich auf einer Onlineplattform und plakatierte ihre Porträts als Street-Art-Poster in ganz Paris. Diese bewusst provokante Aktion macht das Potenzial von Gesichtserkennung und künstlicher Intelligenz deutlich. Die Auswirkungen der mangelhaften Datenschutzbestimmungen treffen hier dieselben Autoritäten, die sonst auf den Einsatz dieser Technologie drängen. Als Reaktion auf die Aktion erzwangen der französische Innenminister und die Polizeigewerkschaften eine Zensur des Kunstwerks.

Credits

Installation, Video This work was a co-production between Le Fresnoy – Studio national des arts contemporains in Fresnoy and La Condition Publique in Roubaix, France.
paolocirio.net
ban-facial-recognition.eu


Award of Distinction

TX-1, 2020

Tranxxeno Lab / Adriana Knouf (US)

Das tranxxeno lab von Adriana Knauf befasst sich mit den biochemischen Anforderungen von Transgender-Personen im Weltraum, insbesondere den von ihnen benötigten Hormonersatzmedikamenten. Im Rahmen des Sojourner-2020- Projekts der MIT Space Exploration Initiative ließ die Künstlerin Medikamente und eine kleine Papierskulptur, die für abwesende, aber gegenwärtige „Xeno-Entitäten“ („fremde Wesen“) im Kosmos steht, mit TX-1 zur Internationalen Raumstation (ISS) fliegen. In der Installation sind Fragmente ihrer Spironolacton-Pille und ein Stück eines Östradiolpflasters zu sehen. Das Projekt macht darauf aufmerksam, dass alle menschlichen Körper individuellen, gesellschaftlichen und umweltbedingten Veränderungen unterliegen und dass alle Menschen für ihr Überleben Unterstützung und Fürsorge benötigen – ganz gleich, ob auf der Erde oder im Weltraum.

Credits

Installation
TX-1 box design and modeling:Felipe Rebolledo
Machining: Jože Zajc, David Pilipović
TX-1 was selected through MIT Media Lab Space Exploration Initiative’s first international artwork open call to the ISS and the launch opportunity was provided by the initiative. It flew to the ISS as part of Sojourner2020 which included eight other artist groups. Additional support: Northeastern University.
zeitkunst.org
tranxxenolab.net/projects/tx-1


Honorary Mention

The Transparency Of Randomness, 2020

Vera Tolazzi (AT), Mathias Gartner (AT)

In dieser interaktiven Installation können die Besucher:innen die Bedeutung des komplexen Zusammenspiels von Zufall und Stochastik (die „Kunst des Vermutens“) in der aktuellen mathematischen und physikalischen Forschung direkt erleben. In 27 im Raum schwebenden, transparenten Boxen werden durch Würfeln kontinuierlich Zufallszahlen generiert. Dieser Prozess wird durch die Komplexität der Natur und ihrer Strukturen beeinflusst, was durch unterschiedliche Oberflächenmaterialien wie Zimt, Moos, Baumwolle oder Kork und deren Eigenschaften – weich, rau, kantig oder flauschig – verdeutlicht wird. Sie verleihen dem Vorgang des Würfelns jeweils eine ganz andere Charakteristik. Über eine App können die Besucher:innen selbst Zufallszahlen generieren und so aktiv Teil der Installation werden. Die Summe aller generierten Zufallszahlen bildet die Grundlage für eine Echtzeitberechnung und generative Grafik. Mit diesem Projekt wollen die Künstler:innen auf die Bedeutung von Zufallszahlen in verschiedenen Forschungsbereichen wie künstliche Intelligenz, Physik, Computersimulationen und maschinelles Lernen hinweisen.

Credits

Installation Support received from: Land Oberösterreich and Johannes Kepler University Linz
veratolazzi.com


Award of Distinction

The Museum Of Edible Earth, 2017 ongoing

masharu (NL/RU)

Das Museum of Edible Earth (Museum für essbare Erden) ist ein interdisziplinäres Projekt, dessen Kern eine Sammlung von 400 Erdproben ist, die aus unterschiedlichen Gründen von verschiedenen Menschen auf der ganzen Welt gegessen werden. Es lädt ein, unsere Beziehung zur Umwelt und zur Erde physisch zu hinterfragen und unser Wissen über Lebensmittel und kulturelle Traditionen durch kreatives Denken zu überprüfen. Masharus Projekt führt die Geophagie wieder ein – eine Praxis, Erde und erdähnliche Substanzen wie Ton und Kreide zu essen, eine alte spirituelle und heilende Praxis in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Das Museum of Edible Earth wird In Kepler’s Gardens / Campus der Johannes Kepler Universität präsentiert.

Credits

Dokumentation: SasaHara (FR), project manager
masharu.nl
museumofedible.earth


Honorary Mention

Compasses, 2019

Allison Parrish (US)

Ein maschinelles Lernmodell für Rechtschreibung und Phonetik erfindet neue Wörter in den Zwischenräumen vermeintlich unvereinbarer Kategorien. Dazu hat Allison Parrish ein Programm geschrieben, dass auf zwei Arten „trainiert“ wird: Ein „Speller“ buchstabiert Wörter auf Basis ihres Klangs, ein „Sounder-Out“ spricht Wörter nach ihrer Schreibweise aus. Bei der Vertonung eines Wortes erzeugt der „Sounder-Out“ einen numerischen Vektor von einer bestimmten Länge, der als „verborgener Zustand“ bezeichnet wird und im Wesentlichen eine verdichtete Darstellung der Phonetik eines Wortes ist. Der „Speller“ kann wiederum die in diesem „verborgenen Zustand“ enthaltenen phonetischen Informationen verwenden, um eine plausible Schreibweise des Wortes zu erzeugen. Compasses ist eine Sammlung von Gedichten, die aus diesem Prozess hervorgegangen sind.

Credits

Installation
portfolio.decontextualize.com/#compasses


Honorary Mention

Slave Rebellion Reenactment, 2019/21

Dread Scott (US)

Slave Rebellion Reenactment (SRR) ist ein gemeinschaftliches Performance- und Filmprojekt, das im November 2019 den größten Sklavenaufstand in der Geschichte der USA, das „German Coast Uprising“ von 1811, nachstellt. Vom Künstler Dread Scott konzipiert und organisiert und vom Filmemacher John Akomfrah dokumentiert, belebte SRR diese längst in Vergessenheit geratene Geschichte von Menschen mit dem kühnen Plan, sich zu organisieren und mit vereinten Kräften das Gebiet rund um New Orleans einzunehmen – nicht nur, um für ihre eigene Emanzipation zu kämpfen, sondern auch um die Sklaverei zu beenden. Das Reenactment des zweitägigen, letztendlich gescheiterten Aufstands war eher eine Art Prozession als die Nachstellung einer Schlacht. Als die über 300 Teilnehmer:innen an Fastfood-Restaurants, Einkaufszentren und Ölraffinerien vorbeizogen, wirkten sie in ihren Gewändern aus dem 19. Jahrhundert, mit Attrappen bewaffnet und teilweise zu Pferd seltsam deplatziert. In den Rekrutierungs- und Organisationstreffen vor dem SRR wurde viel darüber gesprochen, was die individuellen Beweggründe sind, an der Performance teilzunehmen, und warum es in der heutigen Gesellschaft wichtig ist, diese Geschichte zu erzählen. Was hätte ein Erfolg des Aufstands für die US- und Weltgeschichte bedeutet? Das Projekt will Menschen aller Hautfarben dazu inspirieren, festgefahrene Annahmen zu hinterfragen und ihre Vorstellung von dem, was möglich ist, zu erweitern.

Credits

Installation & Video
slave-revolt.com


Honorary Mention

The Cleanroom Paradox, 2020

Felix Lenz (AT), Angela Neubauer (AT), Eszter Zwickl (HU)

The Cleanroom Paradox demontiert das trügerisch saubere Image der Hightechindustrie und enthüllt die an Halbleiterproduktionsstätten vorherrschende systemische Verschleierung von gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen. Jin ist eine ehemalige Fabriksarbeiterin bei Samsung, deren Arbeitgeber:innen nicht für angemessene Gesundheitsschutzmaßnahmen gesorgt haben. Sie muss nun mit den drastischen Folgen kämpfen: einer Nierenkrebsdiagnose. Die Arbeit zeigt ein Porträt von Jin, ein sich allmählich zersetzender Siebdruck, sowie ein Video, das den Druckprozess dokumentarisch festhält. Der visuelle Essay wird von den persönlichen Erfahrungen ehemaliger Arbeiter:innen und Expert:innen der Hightechbranche überlagert und bietet so Einblicke in die teils latenten Vorgänge der Industrie. Die Künstler:innen verwendeten chemisch aufgelöste Smartphones als Druckertinte. Ähnlich den industriellen Ätzverfahren in der Chipproduktion löst das giftige, korrosive Mittel das Porträt – in das Jins Geschichte eingeschrieben ist – Schicht um Schicht auf.

Credits

Installation & Video (11′ 03″) Produced at and supported by: Design Investigations (ID2) University of Applied Arts Vienna
felixlenz.at


Honorary Mention

PL’AI, 2020

Špela Petrič (SI)

In PL’AI untersucht die Medienkünstlerin und ausgebildete Naturwissenschaftlerin Špela Petrič die Möglichkeit eines „Spiels“ zwischen Gurkenpflanzen und einem KI-Roboter. Gurkenpflanzen suchen beim Wachsen nach Oberflächen, an denen sie sich festhalten können. Ihre Ranken bewegen sich dazu langsam durch die Luft. In der Installation nähert sich ein Roboter den Pflanzen mit 36 einzeln gesteuerten Drähten, die von oben herabhängen und sich in derselben Geschwindigkeit wie die Ranken bewegen. Er scannt die Gurken und leitet die Bilder an ein neuronales Netz weiter. Dieses entscheidet, wie es sich den Pflanzen nähern soll, indem es die farbigen Kugeln bewegt. Mit jeder Berührung beeinflussen die Gurken den Algorithmus und verwandeln die stählernen Ranken des Roboters allmählich in ein Spalier, das ihr Wachstum unterstützt. Das Spiel zwischen Gurke und Roboter hinterlässt morphologische Spuren – in der Form der Pflanzen, der Position der Seile und dem neuronalen Netzwerk. Über Zeitrafferaufnahmen der jeweils letzten 24 Stunden lässt sich diese Entwicklung nachverfolgen.

Credits

Installation The project is produced by Kapelica
Gallery / Kersnikova Institute
spelapetric.org/#/plai