Calle 22 ist Julius von Bismarcks Dokumentation der gleichnamigen Straße in Bogotá, Kolumbien. Mit einer Hochgeschwindigkeitskamera und einem Scheinwerfer nimmt er nachts in einem Highspeed-Auto entlang der Südseite über 2500 Bilder pro Sekunde auf. Dies führt ihn von den wohlhabenden Stadtteilen in die Armenviertel, so dass er die Stadtentwicklung in einem stark verdichteten Raum präsentieren und über den politischen Prozess der Stadt reflektieren kann, indem er nur eine einzige Straße entlangfährt. Er hinterfragt den Blick von außen auf die sozialen Schichten eines anderen Landes, indem er Bilder in Zeitlupe aufnimmt, die eine fast gefrorene Szenerie zu zeigen scheinen. Da die Kamera die Straße in einer einzigen, kontinuierlichen Aufnahme erfasst, gibt es keine Auswahlmöglichkeit.
Von Bismarck verweist auf die westliche Fotografiepraxis in ärmeren Ländern, die es verstanden hat, durch die Auswahl ihrer Motive bestimmte Emotionen oder Reaktionen beim den BetrachterInnen auszulösen. Sein Scheinwerferlicht erzeugt einen aggressiven Eingriff in das Privatleben der Einheimischen, wie es bei westlichen Berichten anderer Kulturen oft der Fall ist. Mit der schnellen Fahrt und dem Rampenlicht werden einzelne Szenen in den Mittelpunkt gestellt und die Menschen in Bogotá wie aus Versehen abgebildet.