48 Hours New Art Contexts. Totally Ready.
Vor vierzig Jahren, 1979, als KünstlerInnenkollektiv gegründet, ist die Stadtwerkstatt (STWST) – ein lebendiger und aktiver Kulturraum – stolz auf ihre eigenständige Struktur. STWST48x5 STAY UNFINISHED, die 5. Ausgabe des 48-stündigen Showcase-Spektakels, bringt 2019 kritische ProduzentInnen und KünstlerInnen zusammen, um sich mit dem dauerhaft Unfertigen auseinanderzusetzen
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: ortnerschinko.com
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: ortnerschinko.com
STWST48x5 STAY UNFINISHED stellt die folgenden Programme vor:
STWST Neue Kunstkontexte: SANDHOLE von Franz Xaver, begleitet von Heike Kaltenbrunner; DEEP DRILLING FOR CONTRACTS, von Tanja Brandmayr; ml-iso|la|tion|ism von taro; GIBLING LUCIFERENSIS von taro und Eva Grün; CRYPTOBORDERS und ŦɏŁᵻⱣⱥ (ŦLⱣ) von Michael Aschauer; das hydroponische Konstrukt NOTNOPONTON von Jakob Breitwieser. The ongoing Mycelium Network Society wird einen MNS SUMMIT veranstalten, um weitere Knoten zu rekrutieren.
Durch Open-Call und Einladungen: SOYBEAN FUTURES von Dimension Plus; TELEAGRICULTURE von Julian Stadon; CIVIL WILDERNESS von Claudia Reiche und Helene von Oldenburg; mit der APRIORI-Gruppe, dem Berliner Verband RAUMERWEITERUNGSHALLE und Darko Fritz, der I_AM_STILL_ALIVE.HTML (2009) wiederbelebt, um uns an die unvollendeten Internet-Fehlermeldungen zu erinnern.
Um auf das unfertige Archiv der Stadtwerkstatt zum 40-jährigen Jubiläum aufmerksam zu machen, werden unter den Titeln TALK RE:TALK und ACT RE:ACT zwei Nächte des UNFINISHED CLUB stattfinden, die jeweils fünf Sitzungen umfassen und das Publikum auffordern, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang in Linz wach zu bleiben. UNFINISHED LIST führt fünf bestehende Mailinglisten (nettime, crumb, faces, -empyre-, spectre) live auf Radio FRO zusammen. Offene Archive von jahrelang laufenden Mailinglisten werden von Shu Lea Cheangs COMPOSTING THE NET Performance weiterverarbeitet und kompostiert.
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: Shu Lea Cheang
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: Winnie Soon
UNFINISHED CLUB
Konzipiert und realisiert von Shu Lea Cheang
Der UNFINISHED CLUB übernimmt den Clubbereich von STWST und veranstaltet zwei öffentliche Veranstaltungen die ganze Nacht über. TALK RE:TALK findet von 19:35 Uhr (Sonnenuntergang am Freitag, 6. September, Linz) bis 06:28 Uhr (Sonnenaufgang am Samstag, 7. September, Linz) statt und umfasst fünf Sessions: Unfinished Business (mit Franz Xaver über Existenztaktik und alliance binding); Unfinished Code (mit Winnie Soon über queering, sprechen und vocable code); Unfinished Lab (mit Pedro Soler über Labore für Weltherstellung, Mutantenzucht und Offenbarung); Unfinished Network (mit Servus.at über die Macht, Mängel und Abweichungen von Netzwerken) und Unfinished Body (angeführt von Quimera Rosa über Selbstexperimente und den Trans*-Prozess). RE:TALK patching wird von Martin Howse geleitet und gestaltet die TALK-Sitzungen um. ACT RE:ACT findet von 19:32 Uhr (Sonnenuntergang am Samstag, 7. September, Linz) bis 6:29 Uhr (Sonnenaufgang am Sonntag, 8. September, Linz) statt und umfasst fünf Sitzungen: Unfinished Archives (mit Thomas Lehner, STWST 40 Jahre); Unfinished Access (mit Laura McGough, Rezension von KünstlerInnen und öffentlich zugänglichem Fernsehen von 1972-1994); Unfinished Utopia (wo die Sci-Fi-Fantasie auf die reale, bestehende Utopie trifft); Unfinished Porn (mit Jürgen Brüning, über die Macht des Pornos) und Unfinished Dream (mit Fabi Borges und Rafael Frazao, die die Erzeugung eines spekulativen Fiktionswerks leiten werden). Am Ende der Sessions werden wir mit playback at dawn aus dem Club gehen, um – nicht ganz fertig – den Sonnenaufgang an der Donau zu begrüßen.
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: Rainer Zendron
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: Franz Xaver
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: Norbert Artner
UNFINISHED ARCHIVE celebrates the 40 years of Stadtwerkstatt
Konzipiert und realisiert von STWST
Vierzig Jahre nach der Gründung von STWST ist es an der Zeit, sich mit Geschichte und Archiven auseinanderzusetzen. Die digitale Speicherung brachte uns die ersten „gesampelten“ Sekunden in elektronischen Medien, eine Möglichkeit, die sich auf die gesamte kulturelle Entwicklung der Zeit auswirken würde. Seit 1979 arbeiten die KünstlerInnen der Stadtwerkstatt grenzüberschreitend und vernetzend, was sich auch an den selbstreferenzierenden, interaktiven Fernsehsendungen widerspiegelt, die das Kollektiv seit 1987 unter dem Titel STWST-TV bei der Ars Electronica zeigt. Mit diesen Shows wurde der Zustand der „Push-Medien“ kritisch hinterfragt, und STWST sah die Social Media unserer Zeit in ihrem frühen Streben nach digitalen Internet-Pull-Medien voraus.
Seit Mitte der 90er Jahre sind zwei unabhängige Medienverbände, Radio Fro und servus.at, aus STWST hervorgegangen und bleiben dort aktiv. Mit einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber dem Internet proklamiert STWST „Kunst nach den neuen Medien“ als seine Initiative in neuen Kunstkontexten. In der fünften Ausgabe von STWST48 lag der Schwerpunkt auf der Geschichte und ihrer Fähigkeit, neue Positionen zu vermitteln: Das Graffiti der alten Hausfassade wird auf die Fassade des aktuellen STWST-Gebäudes projiziert; Captain Mnemo, Leo Findeisen und Agnes Blaha veranstalten regelmäßig LIVE-Fernsehsendungen, die diese Medienperspektiven mit Gästen von Ponton/Van-Gogh-TV und Radio Subcom/Stubnitz rekonstruieren; Thomas Lehner re-scannt die STWST-Fernsehsendungen, und Laura McGough erzählt von KünstlerInnen und dem öffentlich zugänglichen Fernsehen „making a scene“ in den Vereinigten Staaten von 1972 bis 1994.
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: Shu Lea Cheang
UNFINISHED LIST
Konzipiert und realisiert von Shu Lea Cheang
Ausgelöst durch eine Nettozeitbuchung (Datum: Freitag, 07. Juni 2019 10:41 Uhr) aus dem Nettime-Mod-Team – „Betreff“: <nettime> Nettime ist in schlechter Verfassung. „Mal sehen, ob wir es ändern können“ –, bringt UNFINISHED LIST fünf bestehende Mailinglisten für LIVE ON RADIO zusammen. Die textbasierten E-Mail-Listservs mit ihren AbonnentInnen sind Online-Plattformen, die durch Informationen, Diskussionen und Debatten Mediengemeinschaften aufbauen. Nettime, eine Mailingliste für vernetzte Kulturen, Politik und Taktik seit 1995, wird von Ted Byfield und Felix Stalder moderiert; die Mailingliste für neue Medien zielt darauf ab, denen zu helfen, die neue Medienkunst ausstellen, darunter KuratorInnen, TechnikerInnen und KünstlerInnen seit 2000, und wird von Beryl Graham und Sarah Cook moderiert; Faces, eine Mailingliste zu Gender, Technologie und Kunst seit 1997, wird von Valie Djordjević, Diana McCarty, Kathy Rae Huffman und Ushi Reiter moderiert;
-empyre- hat seit 2002 Online-Diskussion mit kritischen Perspektiven hervorgebracht und wird von Renate Ferro und Tim Murray moderiert; spectre, das mit Mails über Medienkunst und -kultur in Deep Europe begann, bietet seit 2001 unter der Leitung von Inke Arns und Andreas Broeckmann einen Kanal, über den sich alte und neue Medien grenzüberschreitend treffen können. Moderiert von Radio Fro (http://fro.at), untergebracht in der STWST und geleitet von den eigenen ModeratorInnen der Maillisten, mit Elena Robles Mateo für „Faces“ und Geert Lovink für „Spectre“, laden die fünfstündigen Nonstop-Radio-Streams (von 12:00-17:00 Uhr, am Sonntag, den 8. September) das globale Publikum ein, die Live-Übertragung zu hören und teilzunehmen. Am Ende der 48 Stunden von STAY UNFINISHED wird Shu Lea Cheang Composting the Net (2013, http://compostingthenet.net) performen, um die offenen Archive der Mailinglisten zu bearbeiten und das Erbe unserer vernetzten Kultur zu kompostieren, in der Hoffnung, frische, unfertige Sprösslinge zu erzeugen.
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: Joachim Baur
SAND HOLE is an INFOLAB project of STWST New Art Contexts
By Franz Xaver
Von Franz Xaver
Vor der Stadtwerkstatt wird ein konkaves Sandloch mit einem Durchmesser von 12 Metern ausgehoben. Dieses Loch bündelt die Wasserstoffstrahlung des Universums, wodurch wir ein bedeutungsloses Signal erhalten, das wir „NegInformation“ nennen.
Franz Xaver fragt, was Information ist. Um diese Frage zu beantworten, wird bei STWST48x5 ein 12 Meter langes Sandloch gegraben, um die Wasserstoffstrahlung aus verschiedenen Phasen der Entwicklung des Universums einzufangen. Wir können Vergangenes aus der Gegenwart von bis zu 10 Millionen Lichtjahren auf einmal empfangen, in einem bedeutungslosen Signal, das wir „NegInformation“ nennen. Die „NegInformation“ steht für die menschliche Komponente in der neuen logischen Weltordnung, die uns die Informationstheorie gebracht hat. „NegInformation“ widersetzt sich damit dem Konzept der NegEntropie, das Erwin Schrödinger erstmals vor über 100 Jahren formulierte, und in dem er dem Leben die Entropie entgegensetzte. Claude Shannon führte anschließend eine Informationstheorie ein, in der Information nur so effizient wie möglich von einem Ort zum anderen transportiert wird. Es handelt sich um eine Theorie der Informationsübertragung, die vor allem wirtschaftlichen Marktvorteilen dient, auch wenn sie sich nicht damit beschäftigt, was das „Wesen der Information“ sein könnte. „Am Anfang war Wasserstoff“: Mit dieser Sichtweise bietet unsere Struktur die Möglichkeit, Informationen in ihrem frühesten Entwicklungsstadium wahrzunehmen.
STWST48x5 STAY UNFINISHED/Stadtwerkstatt (AT), Credit: Tanja Brandmayr
DRILLING FOR CONTRACTS is a Quasikunst project of STWST New Art Contexts
Von Tanja Brandmayr
Quasikunst betreibt seit mehreren Jahren systemisch-performative Kunstforschung. Je nach Projekt zeigt es Widersprüche auf und vergrößert diese. Im Jahr 2019 wird Quasikunst unter dem Titel „Deep Drilling for Contracts“ ein Schallloch im Keller des STWST graben. Unterirdisch: Das Ausschalten von Energie/BUSINESS aus der Natur ist eine Kernkompetenz unserer frühen industriellen/kulturellen Geschichte. Zwölf Sekunden metallisches Hämmern als geloopte Klangerzeugung einer frühen Ringmythologie, die im späten 19. Jahrhundert den Übergang von der Vormoderne zur Moderne verhandelte. Zuerst graben sie das Erz aus dem Berg und schlagen es heraus; dann schmieden sie mit technologischem Voodoo einen Ring, dem Verträge und Kapital folgen. Schon zu Beginn waren alle unzufrieden. Die Verträge sind abgelaufen. Viele Jahre später befindet sich das Geschäft an einem Wendepunkt. Die Ausbeutung geht weiter wie bisher. Und wir graben einfach weiter, bohren tief in die Tiefe für NEUE Verträge.
Website:
Biografien:
Stadtwerkstatt / STWST has been an art-club and autonomous structure in Linz since 1979. As an early adopter of new media and media art, it has a history of meaningful projects since the eighties. Stadtwerkstatt is currently active in New Art Contexts, it runs a club and the Cafe Strom, as well as media channels such as Versorgerin (print) and other art and discourse formats.
Tanja Brandmayr (AT) lives in Linz, and has spent years at the intersection of text, staging and art. She has conducted art and context research for Quasikunst in cooperation with STWST, and is an editor and author for art and culture magazines. http://www.quasikunst.at/, http://brandjung.servus.at/
Shu Lea Cheang (USA) is an artist, filmmaker and networker working with various art media and film formats, including installations, performance, net art, public art, video installations, feature-length films and web serials. As a net art pioneer, her project BRANDON (1998-1999) was the first web art to be commissioned and collected by the Guggenheim Museum in New York. Currently situated in a post net-crash BioNet zone, Cheang takes on viral love, by biohacking her current cycle of works. This year, she is representing Taiwan with a solo exhibition, 3x3x6, at the Venice Biennale. She joined the STWST48 curatorial team in 2015.
http://mauvaiscontact.info
Franz Xaver (AT) studied at the Academy of Applied Art’s Department of Visual Communication founded by Peter Weibel. He later taught computer languages, audio-visual production, electronics and electrical techniques at the same Academy until 1992. At the Technical University of Graz, he was a lecturer in Communication Theory at the „Institut für Baukunst“. He has participated in numerous exhibitions in Austria and abroad, including Ars Electronica, Aperto Biennale di Venezia, Triennale Milano, and Kunst und Ausstellungshalle, Bonn, in Germany. He was the Director of Medienkunstlabor in Kunsthaus Graz from 2003-2007. Since 2008, he has worked at Stadtwerkstatt Linz. http://stwst.at http://donowtic.com
