Design by Decay, Decay by Design

Andrea Ling (CA)

Design by Decay, Decay by Design ist eine Reihe von Artefakten, die designten Verfall darstellen. Sie wurden im Rahmen der Ginkgo Bioworks Creative Residency 2019 zum Thema „Wie gestaltet man eine Welt ohne Abfall?“ gefertigt. Als Architektin und Künstlerin erkenne ich, dass die meisten meiner Kreationen auf der Mülldeponie landen. Wenn das der Fall ist, will ich Abfall entwerfen, mit dem ich leben kann, Abfall, der eine gewisse Attraktivität behält, indem er sich vor den Augen und vor Ort zersetzt. Lasst mich Abfall so entwerfen, wie die Natur ihn entwirft, nicht nur als das Produkt von Abbau und Zerstörung, sondern auch als Input für Erneuerung und Konstruktion.

Design by Decay, Decay by Design

Zu meinem Basissystem gehörten Biokomposite aus Chitin, Zellulose und Pektin, die aus den Exoskeletten von Garnelen, Zellstoffabfällen von Bäumen und Fruchtschalen gewonnen wurden. Diese Materialien können in unterschiedlichen Verhältnissen kombiniert werden, um verschiedene Biokunststoffe mit einem breiten Spektrum mechanischer und physikalischer Eigenschaften zu bilden, die umweltverträglich und leicht abbaubar sind.

Die Herausforderung bei der Arbeit mit biologischen Materialien und Wirkstoffen besteht darin, dass sie auf die Umwelt reagieren und Wirkungsmacht haben. Als klassisch ausgebildete Architektin bin ich daran gewöhnt, meine Arbeit genau kontrollieren zu können. Die Schwierigkeit einer Entwurfspraxis wie dieser besteht darin, zu lernen, die eingebetteten Spannungen zu akzeptieren, bei denen Material und biologische Wirkstoffe manchmal im Widerspruch zu dem stehen, was ich geplant habe oder womit ich mich wohl fühle. Wenn wir diese Unbequemlichkeiten jedoch in Kauf nehmen, kann die Verrottung im Erneuerungsprozess positiv gentuzt werden, wie z.B. den Zugang zu zirkulären Systemen und die Fähigkeit, über die buchstäbliche Verrottung hinaus zu wachsen, sich anzupassen und zu reproduzieren. Daraus kann eine Widerstandsfähigkeit entstehen, die in industriellen Systemen nicht zu finden ist.

Angesichts der Klimakrise können wir nicht mehr in erster Linie nach menschlichen und wirtschaftlichen Interessen planen; unser Überleben hängt davon ab, dass wir unsere Prioritäten und Erwartungen an die materielle Welt ändern. Bei der Verwendung dieser materiellen Systeme und dieser biologischen Wirkstoffe ist es nicht mein Ziel, ein Projekt mit niedrigem CO2-Fußabdruck zu schaffen oder Abfall in neue Produkte umzuwandeln. Vielmehr geht es darum, eine andere Art des Designs zu fördern, wobei der Prozess des Herstellens und Zerbrechens provisorisch und nicht nur verbrauchend ist. *Design by Decay, Decay by Design* versucht, Werte neu zu verteilen, weg von permanenten Materialien, die Ökosysteme zerstören, hin zu vergänglichen, die sie wiederherstellen.

Projekt Credits

Artist: Andrea Ling
Curatorial Team: Ginkgo Bioworks + Faber Futures; Natsai Audrey Chieza, Dr. Christina Agapakis, Grace Chuang, Kit McDonnell, Dr. Joshua Dunn
Scientific advisors: Ginkgo Bioworks; Dr. Joshua Dunn, Dr. Ming-Yueh Wu, Kyle Kenyon, Day Nguyen, Dr. Lucy Foulston
With thanks to the MIT Media Lab: Mediated Matter Group, team *Aguahoja I*
Photos: Ally Schmaling, Andrea Ling, and Grace Chuang
With support from Ginkgo Bioworks

Biografie

Andrea Ling (CA) ist eine Architektin und Installationskünstlerin, die an der Schnittstelle von Kunst, Herstellungstechnologien und Biowissenschaften arbeitet. Ihre jüngste Arbeit konzentriert sich darauf, wie die kritische Anwendung biologisch und computergestützt vermittelter Designprozesse die Gesellschaft von ausbeuterischen zu regenerativen Produktionssystemen bewegen kann. Während ihrer Ginkgo Creative Residency 2019 erforschte sie, wie man den Zerfall von Artefakten gestalten kann, um Zugang zur materiellen Zirkularität zu erhalten. Andrea ist Gründungspartnerin von designGUILD, einem in Toronto ansässigen Kunstkollektiv, und ehemalige Projektleiterin von Philip Beesley Architect, wo sie an einer Reihe von internationalen immersiven kinetischen Installationen und Textilien für Iris van Herpen arbeitete. Außerdem ist sie ehemalige Forschungsassistentin und Designerin für die Mediated Matter Group am MIT Media Lab, wo sie und ihre TeamkollegInnen mit dem Forschungsprojekt *Aguahoja I*, das 2020 im MoMA und 2021 im SFMOMA gezeigt wird, den Dezeen Award für das Projekt des Jahres 2019 gewannen. Andrea hat einen MSc vom MIT Media Lab und einen M.Arch. von der University of Waterloo mit einem Hintergrund in Humanphysiologie von der University of Alberta.