STARTS Prize ´21 Exhibition

mEat me

Theresa Schubert (DE)

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Honorary Mention

Viele Denker des Posthumanismus betonen eine nicht-menschenzentrierte Perspektive auf die Welt, dass wir eine bescheidenere Rolle im Umgang mit der Natur einnehmen und aufhören sollten, Arten zu hierarchisieren. Theresa Schubert zieht daraus eine radikale Konsequenz: Wenn wir den Menschen genauso behandeln wie das Tier, sollten wir auch Material und Nahrung sein. In ihrem künstlerischen Forschungsprojekt und ihrer Performance mEat me demonstriert Schubert dieses provokante Szenario als alternative Realität. Mit konsequenter furchtloser Ausbeutung ihres Körpers schafft sie ästhetische Erfahrungen jenseits des menschlichen Exzeptionalismus. Das Verwundbarmachen des Menschen kann auch als Strategie zur Sensibilisierung für biopolitische Themen und einen bewussteren Umgang mit der Natur und ihren Lebewesen insgesamt verstanden werden. Es ist auch eine Kritik an dem ethischen Bild, das die kultivierte Fleischindustrie vermittelt, und daran, dass diese Idee an sich keine Lösung für Umweltprobleme darstellt.

Im Rahmen einer athmosphärenreichen Performance aus Videoprojektionen und Raumklang zeigt mEat me den Prozess der menschlichen Fleischgewinnung und den Verzehr des eigenen Fleisches. Die künstlich entwickelte Körperlichkeit des eigenen Fleisches tritt in einen Dialog mit einer durch maschinelle Lernmodelle generierten Stimme. Die ausgetauschten Informationen definieren eine Abstraktionsebene, die unsere Entfremdung in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung widerspiegelt. Schubert macht sich selbst zum Material und zur Ressource und bricht das gesellschaftliche Tabu des Kannibalismus, indem sie eine Technologie missbraucht, die mit der Absicht erfunden wurde, um aus ihr Kapital zu schlagen.

Als künstlerisches Forschungsprojekt wendet mEat me innovativen biotechnologischen Fortschritt jenseits eines wissenschaftlichen Zwecks oder monetärer Absichten an. Für den Laborprozess wurde ein aus ihrem eigenen Blut gewonnenes Serum verwendet, um ihre zuvor entnommenen Muskelzellen zu vermehren. Das daraus resultierende kultivierte Menschenfleisch verschiebt normative Grenzen und löst die konsumistische Hierarchie zwischen Mensch und Tier auf. Es greift das drängende Thema der Nahrungsversorgung in Zeiten der Fleischmassenproduktion auf und dessen Relevanz nicht nur für unser Bewusstsein, sondern für unseren Planeten.

Text: Theresa Schubert / Helene Bosecker

Theresa Schubert (DE): Theresa Schubert ist eine in Berlin lebende Künstlerin, die unkonventionelle Visionen von Natur, Technologie und dem Selbst erforscht. Ihre Arbeit kombiniert sowohl audiovisuelle als auch biomediale Medien mit konzeptionellen und immersiven Installationen oder Performances. Mittels interdisziplinärer Methoden wie Biohacking, theoretischer Analyse, performativer Interpretation und Materialexperimenten hinterfragen ihre Arbeiten das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt und die Entwicklung von Materie und Bedeutung jenseits des Anthropos. In jüngster Zeit hat sie mit UHD-Videoumgebungen und 3D-Laserscanning gearbeitet, um Wahrnehmungsmodi herauszufordern und die Mensch-Maschine-Natur-Beziehung in Hypertech-Gesellschaften zu hinterfragen.

Credits

Künstlerische Leitung, Performance, Videoschnitt, Text-KI, Labor-Mitarbeit: Theresa Schubert
Produktion: Galerija Kapelica / Kersnikova Institut
Sounddesign und KI: Moisés Horta Valenzuela
Videokamera: Hana Josi
Fotodokumentation: Tina Lagler
Performance-Beratung: Margherita Pevere, Mareike Maage
Wissenschaftliche Partner: EDUCELL Laboratorien (Dr. Ariana Barlic), BioTehna (Dr. Kristian Talec)
Prof. Saša Novak, Kaja Križman – Jožef Stefan Institut, Abteilung für Nanostrukturierte Materialien (SI)
Wissenschaftliche Beiräte: Dr. Stephen Minger
Besonderer Dank: Freya Probst (Wurzel-Gewebe)

mEat me wurde von der Galerija Kapelica in Ljubljana im Jahr 2020 produziert. Dieses Projekt wurde vom Thüringer Programm zur Förderung des weiblichen akademischen und künstlerischen Nachwuchses und der Bauhaus-Universität Weimar gefördert. Das Programm der Galerie Kapelica wird vom Kulturministerium der Republik Slowenien und der Abteilung für Kultur der Stadtverwaltung von Ljubljana unterstützt.