The “Mahler-Unfinished” Project
In Kooperation mit dem Bruckner Orchester Linz
Seit 2003, ist die Zusammenarbeit mit dem Brucknerorchester ein fixer und einzigartiger Bestandteil des Ars Electronica Festivals. Eine Zusammenarbeit, die es ermöglicht, nicht nur interessante Werke aufzuführen, sondern jedes Jahr einzigartige künstlerische Gesamtprojekte zu entwickeln, in denen es zu vielfältigen Begegnungen von Orchestermusik, elektronischer Musik, Robotern, TänzerInnen und digital Images kommt. Ein wesentlicher Aspekt der Konzertnächte in der Gleishalle war und ist der einzigartige Raum selbst, mit seiner signifikanten Akustik und „wilden“ Kulisse. Aber auch die groß angelegten Projektionen und Live-Visualisierungen und die künstlerische Inszenierung mit Industrierobotern und -maschinen sind zu einem besonderen Charakteristikum geworden. Dieses Jahr wird erstmals auch ein AI-System beteiligt sein.
Die Große Konzertnacht 2019 ist das dritte Großprojekt, das mit Markus Poschner als Chefdirigenten des Brucknerorchesters erarbeitet und aufgeführt wird.
Nach Bruckners 8. und der Symphonie Fantastique von Berlioz, steht nun das letzte und unvollendete Werk von Gustav Mahler, seine 10. Symphonie im Mittelpunkt der Großen Konzertnacht.
Das Konzert beginnt mit „Mahler Remixed“ von Christian Fennesz, einem der stilprägenden Protagonisten der österreichischen Elektronik-Musik-Szene, der sich bereits 2011 mit Mahler beschäftigt hat und verschiedene Samples aus Mahler Symphonien zum klanglich, musikalischen Material für seine Liveperformance transformiert hat.
Gegen Ende dieses ersten Teils wird Markus Poschner am Klavier improvisierend dazustoßen und gemeinsam mit Christian Fennesz eine Brücke von der Elektronik zum Auftritt des Orchesters und in den zweiten Teil des Abends bauen. Dafür werden Johannes Braumann und das Ars Electronica Futurelab in Fortsetzung einer im letzten Jahr begonnen Kooperation mit der Tänzerin und Choreographin Silke Grabinger, ein Mensch-Marionette-Maschinen-System zum Leben erwecken. Bei „underbody“ wird Silke Grabinger als Solotänzerin mit einer Konfiguration von 6 Kuka Industrierobotern, die eine Marionettentänzerin spielen, künstlerisch interagieren. An der Entwicklung dieser Mensch-Maschine-Choreographie, die eine Invertierung der Konstellation in Gertrud Bodenwiesers Stück „Dämon Maschine“ (1923) ist, wirken auch Amir Bastan, Peter Freudling, Roland Aigner, Gerhard Senz und Stefan Mittelboeck mit.
In die langsam erstarrenden Bewegungen der Roboter und das Verklingen ihrer charakteristischen Motorengeräusche setzt dann mit dem markanten Anfangsmotiv der Bratsche der dritte Teil ein und das Orchester spielt Mahlers 10. Sinfonie. Nahtlos anschließend, gewissermaßen als weiterer Satz, beginnt dann nochmals das Bratschenmotiv, dessen erste zehn Töne einem der aktuell leistungsfähigsten Machine Learning Systeme (MuseNet von OpenAI) als Ausgangsthema eingegeben wurden. Das Ergebnis wurde völlig unverändert übernommen und von Ali Nikrang orchestriert und wird als Abschluss des Abends vom Orchester unter der Leitung von Markus Poschner uraufgeführt.
Für die Live-Visualisierungen des Orchesters wird heuer Akiko Nakayama aus Tokyo, für den elektronischen Teil von Christian Fennesz, der Berliner Künstler Lillevan in die POSTCITY kommen.
Mahler 10:10 – Challenging the AI
„Unvollendet“ – dieses Konzept war und ist eine Auf- und Herausforderung nicht nur zum Fertigstellen, sondern viel mehr noch zum Weiterdenken und Neuinterpretieren; insbesondere in der zweiten Hälfte des 20.Jh versuchten sich viele KünstlerInnen an diesem offen gebliebenen Vermächtnis am Ende einer musikalischen und geschichtlichen Epoche.
Heute, im 21.Jh ist es natürlich besonders reizvoll, dies abermals und nun auch mit den neuesten technischen Möglichkeiten zu versuchen, nicht um Mahler zu imitieren oder zu verbessern, sondern um unsere künstlerischen Zugänge, ebenso wie unsere technischen Möglichkeiten, daran zu messen. Der Weg zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten führt immer über die Transformation dessen was uns bisher geprägt hat, ist stets ein Herantasten an die Grenzen und ein Erproben des neu im entstehen Begriffenen.
Ali Nikrang, KI-Experte im Ars Electronica Futurelab, Computer Scientist, Komponist und Pianist (Absolvent des Mozarteum Salzburg) hat speziell für das „Mahler Unfinished“ Project eine AI basierte Bearbeitung des signifikanten Bratschenthemas am Anfang der 10. Symphonie erarbeitet. Dafür arbeitete er mit MuseNet, dem derzeit leistungsfähigsten auf GPT-2 aufbauendem Machine Learning System für musikalische Anwendungen von OpenAI.
Die ersten zehn Noten der original Melodie wurden dem System vorgegeben ebenso wie stilistische Parameter nach denen das AI-System dann beliebig viele Neu-Interpretationen komponiert. Ali Nikrang hat eine dieser Kompositionen ausgewählt und ohne jegliche Veränderungen dann wieder „per Hand“ orchestriert.
Credits:
- A project by Ars Electronica and Bruckner Orchestra Linz
- Orchestra: Bruckner Orchestra Linz, principal conductor: Markus Poschner
- Electronics: Christian Fennesz
- Artificial Intelligence: Ali Nikrang, MuseNet OpenAI, Christine M. Payne
- Human-machine performance: Johannes Braumann – Creative Robotics / UfG Linz, Silke Grabinger, Ars Electroncia
- Futurelab, Peter Freudling, Stefan Mittelböck, Roland Aigner
- Live Visualizations: Akiko Nakayama, Lillevan, Amir Bastan, Gerhard Senz
- MuseNet: Christine M. Payne
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