Foto Credit: Bruno Gomes and Karapotó Plak-ô Community

Arte Eletrônica Indígena

Thydêwá

Honorary Mention

Das Projekt Arte Eletrônica Indígena (AEI) wurde von der NGO Thydêwá entworfen und durchgeführt. Es bestand aus einer Reihe von zehn kurzen künstlerischen Aufenthalten in indigenen Gemeinschaften im brasilianischen Nordosten, um elektronische Kunstwerke zu schaffen. Diese wurden im August 2018 im Museum of Modern Art, Salvador da Bahia, öffentlich vorgestellt und tourten anschließend durch die indigenen Gemeinden.
Die teilnehmenden KünstlerInnen kamen aus Brasilien, Bolivien und dem Vereinigten Königreich. Die indigenen Gemeinschaften bilden das Netzwerk der indigenen „Kulturpunkte“, mit denen die NGO arbeitet. Das Projekt hatte das Ziel, den interkulturellen Austausch durch künstlerische Ko-Kreation zwischen indigenen und nicht-indigenen Menschen zu fördern, Vorurteile auf allen Seiten durch Zusammenarbeit abzubauen und die Mainstream-Wahrnehmung indigener Völker als „traditionell“ oder „rückständig“ herauszufordern.
Die daraus resultierenden, höchst originellen Kunstwerke verbinden die Anliegen und Praktiken der indigenen Gemeinschaften mit elektronischen und digitalen Technologien. Die stark interaktive Dimension vieler Arbeiten fordert den Betrachter oder die Betrachterin zur direkten Auseinandersetzung heraus, sodass Vorurteile auch im Galerieumfeld abgebaut werden können.

Drei faszinierende Werke der elektronischen Kunst wurden präsentiert:
The Earth that is Us, Bruno Gomes und die Karapotó Plak-ô Gemeinschaft, digitale Körperbemalung.
The Voice of the Sea, Óscar Octavio „Ukumari“ und die Pataxó de Barra Velha Community, elektronische Klangkunst mit gefundenen Materialien.
Pulsation, Aruma – Sandra de Berduccy und die Gemeinschaft Camacã Imboré/Tupinambá, elektronische Textilkunst.

Credits

Das AEI-Projekt wurde von der NGO Thydêwá entworfen.

Kernprojektteam:
Sebastián Gerlic, Direktor von Thydêwá, Projektkoordinator, Kurator
Tiago Tao, ausführender Produzent, Kurator
Anna Campagnac, lokale Produktion, Koordinatorin für kollektive Prozesse
Helder C Jr., Grafikdesigner, Website
Thea Pitman, internationale Kuratorin

Künstler und indigene Gemeinschaften:
Bruno Gomes, Mulungu, Ceará, Brazil, and the Karapotó Plak-ô community, São Sebastião, Alagoas; www.brunogomes.art

Óscar Octavio ‘Ukumari’, Santa Cruz de La Sierra, Bolivia, and the Pataxó de Barra Velha community, Porto Seguro, Bahia; www.ozzoukumari.com

Aruma – Sandra de Berduccy, Cochabamba, Bolivia, and the Camacã Imboré community, Aldeia do Cachimbo, Bahia; www.e-aruma.net & www.sandradeberduccy.com

Thydêwá ist eine Nichtregierungsorganisation, die Programme, Projekte und Kampagnen durchführt, um das Bewusstsein für die Diskriminierung indigener Völker zu schärfen und eine Kultur des Friedens zu fördern. Sie wurde 2002 von indigenen Völkern verschiedener ethnischer Gruppen im brasilianischen Nordosten gegründet und arbeitet mit nicht-indigenen Personen zusammen. Thydêwá nutzt den interkulturellen Dialog, um Würde und Wohlbefinden für alle zu fördern. Die NGO hat auch eine sehr gute Erfolgsbilanz bei der Förderung der kritischen Aneignung neuer Technologien durch indigene Gemeinschaften erzielt, insbesondere über die 2004 gegründete ethnojournalistische Plattform Indios Online.

Bruno Gomes, Karapotó Plak-ô Indigenous community, Alagoas (BR): The Earth that Is Us

Credit: Thydêwá

Mit diesem Projekt sollte das Konzept des Bodypaintings durch den Einsatz von Technologie erweitert werden, um neue Erfahrungen und neue Gespräche zu ermöglichen. In einer Iteration des Projekts zeichneten die indigenen TeilnehmerInnen zunächst die in ihrer natürlichen Umgebung vorhandenen Elemente auf, animierten und projizierten sie dann auf ihren Körper und machten ein Video der Ergebnisse. In einem anderen führten sie live digitales Bodypainting mit Zeichentabletts durch. Wenn sie bei der Ausstellung ihrer Arbeiten anwesend sind, fördern sie auch die Interaktion mit der Öffentlichkeit, indem sie indigene Motive projizieren, mit denen die Menschen ihre Fotos aufnehmen und anschließend in den Instagram-Account des Projekts hochladen.

Project Credits: Bruno Gomes, Mulungu, Ceará (BR) / The Karapotó Plak-ô Indigenous community, São Sebastião, Alagoas (BR)

Óscar Octavio ‚Ukumari‘ (BO), Pataxó de Barra Velha Indigenous community, Porto Seguro, Bahia: THE VOICE OF THE SEA

Credit: Thydêwá

Diese Installation ist ein berührungsempfindliches Fischernetz, das gespielt werden kann, um eine Klanglandschaft hervorzurufen. Es besteht aus einem Fischernetz, das während Ukumaris Aufenthalt in der indigenen Gemeinde Pataxó de Barra Velha an der Küste zurückgelassen wurde, und wurde als elektronisches Musikinstrument adaptiert, das ein poetisches Mittel darstellt, um das „Herz“ der Pataxó Gemeinschaft zu erreichen. Die unheimliche „Unterwassermusik“, die die BesucherInnen machen, wenn sie mit ihr interagieren, ist eine Reaktion auf die Tatsache, dass das Wort Pataxó (ausgesprochen pa-ta-show) eine Onomatopöe für den Klang der Wellen ist, die am Ufer brechen. Auf diese Weise entführt die Schalllandschaft die BesucherInnen in die Gemeinde Pataxó, ihre natürliche Umgebung und ihre Kultur.

Project Credits: Óscar Octavio ‘Ukumari’, Santa Cruz de La Sierra, Bolivia / The Pataxó de Barra Velha community, Porto Seguro, Bahia

Aruma – Sandra de Berduccy (BO), Maria Selma Batista Ferreira (BR), Camacã Imboré/Tupinambá Indigenous community, Bahia (BR): PULSATION

Credit: Ângelo Rosário

Die drei Textilwerke von Pulsation kombinieren traditionelles Wissen, Prozesse und Materialien wie Schilf, Faden und Federn mit ungewöhnlichen Materialien wie Glasfaserkabel und LEDs, um einen poetischen Zugang zur indigenen Kultur zu bieten. In Tupã zum Beispiel hat Selma mit Glasfaserkabel gehäkelt, um das Wort Tupã zu schreiben, den Namen des „großen Geistes“ für die UreinwohnerInnen in Brasilien. Tupã gilt als Schöpfer des Universums und insbesondere als Schöpfer des Lichts. Es ist auch das onomatopoeische Geräusch des Herzschlags: Tu-pã – Tu-pã… Bitte legen Sie Ihren Ringfinger – auch als Herzfinger bezeichnet – in den Pulssensor, um die Installation zu erleben.

Project Credits: Aruma – Sandra de Berduccy, Cochabamba, Bolivia / The Camacã Imboré/Tupinambá Indigenous community, Aldeia do Cachimbo, Bahia, Brazil, especially Maria Selma Batista Ferreira

Jury Statement

Die Jury bewertete diese Initiative als ein eindrucksvolles Beispiel für Partnerschaften, welche die Stimmen der indigenen Gemeinschaften bündeln und ihre Perspektiven als Teil zeitgenössischer Identität und kollektiven Erbes verdeutlichen. Die indigene Bevölkerung gehört zu den wichtigsten Umweltschützern, und ihr kontinuierlicher Beitrag zu modernen Kultur- und Ökosystemen ist ein wichtiger Impulsgeber für Innovationen. In der Hoffnung, die Rolle dieser Menschen im Innovationsökosystem weiter zu unterstützen, zeigt Arte Eletrônica Indígena Best Practice-Beispiele für den kreativen Kapazitätsaufbau in ländlichen indigenen Gemeinschaften.

Dieses Projekt sensibilisiert für die kulturellen Symbole und die kreativen Leistungen von acht indigenen Dörfern im brasilianischen Bundesstaat Bahia und fördert die enge Zusammenarbeit mit KünstlerInnen aus Brasilien, Bolivien und Großbritannien. Die Jury würdigte die Bedeutung der Impulse der Nichtregierungsorganisation Thydêwá  für diese interkulturelle Partnerschaft, einer Gruppe von interkulturellen Individuen, die seit 17 Jahren eng mit diesen Gemeinschaften zusammenarbeitet, um eine positive soziale Transformation zu fördern. Der in diesen Kunstresidenzen entstandene Dialog stellt eine wirkungsvolle Gegenerzählung und einen sinnvollen Widerstand gegen die traditionellen integrationsfokussierten Programme dar, die allzu oft versuchen, die künstlerischen Traditionen und Produktionen historisch marginalisierter Völker zu homogenisieren. Durch die Integration digitaler Werkzeuge in neue kreative Formate positionieren die Residenzen die elektronische Kunst als überzeugendes Medium für kollaborative kreative Prozesse und verweisen auf die entscheidende Rolle der indigenen Bevölkerung bei der Weiterentwicklung des globalen technologischen Ökosystems. Dieses vielschichtige künstlerische Engagement fordert bedeutsame Dialoge über den praktischen Einsatz von Technologie, um kollaborative kreative Prozesse zu aktivieren – und kann somit allgemeine digitale Praktiken bereichern.

Hier ist das ganze Jury Statement.