Zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Medienkunst aus Lateinamerika 

Triangle of Sacrifice / Guely Morató Loredo (BO), Photo: Sonandes

Mit dem CIFO x Ars Electronica Award ausgezeichnete Künstler*innen thematisieren Umweltprobleme und präsentieren innovative Projekte.  

Laut UN-Bericht wurden allein im Jahr 2022 62 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert. Doch in Rosario City, Argentinien, werden ausrangierte elektronische Geräte zu Kunst. „Mutualidad de Fantasmática Electrónica“ nennt sich das Projekt, das als eines von zwei Preisträger*innen im Rahmen der Ars Electronica x CIFO Awards 2024, der seit 2022 vergeben wird, ausgezeichnet wurde. Seit 2021 kooperieren CIFO (Cisneros Fontanals Art Foundation) und Ars Electronica bereits, um lateinamerikanische Künstler*innen einem internationalen Publikum näher zu bringen. Die Künstler*innen werden über einen „closed call“ vom CIFO-Beratungsausschluss, der sich aus einer Reihe international anerkannter Kunstfachleute, Kuratoren und Künstler zusammensetzt, nominiert, um Konzepte für Produktionen einzureichen. Die Nominierung gilt für zwei aufeinander folgende Jahre, in denen ein*e Künstler*in sich bewerben und bis zu drei verschiedene Projekte pro Jahr vorstellen kann. Die ausgewählten Projekte können dann mit dem Preisgeld realisiert und im Rahmen der Themenausstellung des Ars Electronica Festivals erstmals präsentiert werden.

2024 steht das Festival unter dem Motto „HOPE – who will turn the tide“ und die Projekte der CIFO x Ars Electronica Award fügen diesem Diskurs eine besondere, lateinamerikanische Perspektive hinzu. Künstlerische Umsetzung sowie Thematik der prämierten und präsentierten Kunstprojekte sind vollkommen unterschiedlich und zeigen so die Vielseitigkeit der lateinamerikanischen Medienkunst. Jedoch weisen beide auf wichtige Thematiken und auch Problematiken hin, die mit der technologischen Entwicklung einhergehen, und so auch Möglichkeit zur Verbesserung – Hoffnung.  Die Ausstellung ist Ergebnis eines intensiven kreativen Austauschs zwischen CIFO, Ars Electronica und den Künstler*innen, die so in der künstlerischen und technischen Umsetzung der Projekte begleitet werden.  

Ganz im Sinne eines anregenden und inspirierenden Dialogs konnten durch diesen Austausch hoffnungsvolle Brücken gebaut werden, indem wir tiefer in die Thematiken der Projekte eintauchten

Christl Baur, Head of Festival
Mutualidad de Fantasmática Electrónica / Federico Gloriani (AR), Credits: Federico Gloriani

Bei „Mutualidad de Fantasmática Electrónica” entsteht durch den Prozess des Sammelns und Wiederverwertens eine einzigartige Installation: neuverlötete Teile entsorgter Elektrogeräte werden zu einem Projektor, der ein Phantombild eben dieser Gegenstände – von Wasserkocher bis Kopfhörer – erzeugt. Für diese Projekt arbeitet eine Gruppe lokaler Elektronikkünstler mit fünf verschiedenen MediaLabs in Argentinien zusammen, um gemeinsam Komponenten ausrangierter Geräte wieder in die Kunst- und Technologiegemeinschaft einzubringen. Die Installation spielt also mit verschiedenen Zeitebenen, indem sie die Vergangenheit der technischen Geräte mit möglichen alternativen Zukunftsvisionen verknüpft. Federico Gloriani, der eingeladen wurde, das Projekt mit seiner Community einzureichen, lässt sich von der Mutualidad Popular de Estudiantes y Artistas Plásticos inspirieren. Diese Künstler*innengemeinschaft aus Rosario City übersetzte in den 1930er Jahren die Prinzipien der Arbeiterbewegung in Kunst. So wird eine Tradition des sozialen und künstlerischen Engagements in die moderne Ära der elektronischen Kunst und Nachhaltigkeit übertragen und präsentiert eine Antwort auf die Frage “Who will turn the tide”.  

Triangle of Sacrifice / Guely Morató Loredo (BO), Photo: Sonandes

Das zweite ausgezeichnete Werk nennt sich „Triangle of Sacrifice“.  Kuratorin, Künstlerin und Forscherin Guely Morató Loredo beleuchtet mit diesem die tiefgreifenden Auswirkungen des umfangreichen Lithiumabbaus im sogenannten „Lithiumdreieck“ zwischen Argentinien, Bolivien und Chile. Dieser wird durch die bevorstehende Energiewende und zunehmende Elektromobilität verstärkt. Der Name des Projekts bezieht sich auf den Begriff der “sacrifice zone” (Opferzone), den Regionen erhalten, in denen das Leben durch Veränderungen aufgrund der Überbeanspruchung von Ressourcen massiv beeinträchtigt wird. Das Werk besteht aus einer zentralen Skulptur, umgeben von einer immersiven Soundscape. Auf die Skulptur tropft Salzwasser, wodurch diese über eine lange Dauer hinweg erodiert. Die Frequenz, in welcher das Wasser tropft, wird über Daten der Lithiumextraktion in Chile, Argentinien und Bolivien bestimmt. So verdeutlicht das Werk die Auswirkungen des Abbaus von Lithium auf die Umwelt in diesen Gebieten.  “Triangle of Sacrifice” stellt den „Neo-Extraktivismus“ in Lateinamerika, also den staatlich geförderten Rohstoffabbau, sowie Greenwashing in Frage. Doch auch bei diesem Projekt steht die Arbeit mit der Community im Vordergrund, so vereint Morató Loredo als Kuratorin des aktuellen Forschungsprojekts Wak’a Gemeinschaften, um gemeinsam aktiv gegen die Herausforderungen des Extraktivismus anzugehen und zukünftigen Wandel voranzutreiben.  

Im Anschluss auf die Premiere der beiden Projekte am Ars Electronica Festival werden diese in die Sammlung der CIFO eingehen und auch in einer Ausstellung im Museo Universitario de la Universidad de Antioquia (MUUA) von 26. Oktober 2024 bis 27. April 2025 gezeigt. Die beiden Kunstprojekte setzen ein Symbol für kreative Zusammenarbeit über Grenzen hinweg und machen durch Verbindung von Kunst und Technologie auf Missstände aufmerksam, geben aber auch Inspiration für Zukunftsgestaltung.

Mehr zu den CIFO x Ars Electronica Awards findest du hier.

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