Anfang des Jahres kam es in Europa und in den USA zu einer ziemlich beeindruckenden Protestwelle. Stein des Anstoßes war SOPA/PIPA/ACTA, Gesetzesentwürfe, die zum Zweck hatten, weitreichende Eingriffe auf unser Verhalten im World Wide Web durchzunehmen, alles im Namen des Gesetzes und des Schutzes vor Verbrechen. Die Einschnitte in die Privatsphäre und das Ausmaß der geforderten Maßnahmen waren so absurd, dass es vielen reichte und den Protest sowohl auf die Straße brachten, als auch im Internet verbreiteten. Große Unternehmen, kleine Websiten, die Zahl und Diversität der Protestierenden war beeindruckend.
Und man könnte meinen, der Protest ist gelungen. SOPA und PIPA wurden im US-Kongress zurückgezogen, der Ratifizierungsprozess von ACTA wurde gestoppt, und es scheint, als ob die Vorratsdatenspeicherung eventuell auch wieder ins Wanken geraten könnte. Doch stehen bereits die nächsten Initiativen vor der Tür, man darf sich nur scheinbar in Sicherheit beziehungsweise in Privatsphäre wiegen.
CISPA, ein US-Gesetzesentwurf, der im Dezember 2011 vorgestellt wurde, ist jetzt in den Fokus geraten, nachdem SOPA/PIPA zur Seite geschoben wurden. Das Ziel ist auch hier das selbe: Kontrolle. Vor allem Urheberrechtsverletzungen sollen mit Hilfe dieser Gesetzesvorlagen leichter bekämpft werden können, und so wie auch bei SOPA und PIPA könnte man freilich meinen: „Sollen die USA doch machen, was sie wollen, uns betrifft das eh nicht.“ Bis man merkt, wieviele Unternehmen von diesem Gesetzesentwurf betroffen sind. Ländergrenzen zählen im Internet nicht mehr, deswegen sollte man sich auch für Entwicklungen in Ãœbersee interessieren.
Das Problem an dieser Sache ist freilich ein Grundlegendes: Die Urheberrechte haben vor allem in Bezug auf geistiges Eigentum den Anschluss an die digitale Realität verpasst, ebenso die Unterhaltungsindustrien, Film, Musik, Computerspiele, die keine Geschäftsmodelle entwickelt haben, die an die heutige Zeit angepasst sind. Stattdessen versucht man mit immer strengeren Gesetzesentwürfen und Regelwerken ein Pferd zu satteln, das bestenfalls im Sterben liegt, wenn es nicht bereits tot ist.
Welch Blüten diese Urheberrechtsverletzungen tragen können, zeigt sich gerade in einem Fall in Deutschland: Ein Facebook-Nutzer hat von einer Kölner Anwaltskanzlei eine Abmahnung erhalten, weil ein Freund von diesem Nutzer auf seiner Facebook-Pinnwand ein urheberrechtlich geschütztes Foto einer Gummiente gepostet hatte. Das ist ungefähr so, wie wenn irgendeine fremde Person ein urheberrechtlich geschütztes Plakat auf eine Hausmauer klebt, eine Notiz hinterlässt, dass der Hausinhaber nichts mit dem Aufhängen des Plakats zu tun hat, und der Rechteinhaber den Hauseigentümer abmahnt. Man kann das lustig finden. Oder gefährlich. Denn wenn die besprochenen Gesetze umgesetzt werden, können in Verbindung mit der Vorratsdatenspeicherung recht unangenehme Situationen entstehen. Auch für die, die nichts zu verbergen haben.
In „Außer Kontrolle – Was das Netz über dich weiß“ nimmt die Ars Electronica genau diesen Themenkomplex auf und zeigt, wie umfangreich das Netz über uns alle bereits informiert ist. Am 18. April findet am Abend die Eröffnung statt, unter anderem mit Max Schrems, einem der Initiatoren von europe vs facebook. Der Besuch der Ausstellung zahlt sich aus, man sollte Bescheid wissen, welche Spuren man im Internet hinterlässt.
Ein kurzfristiger Hinweis auf eine Veranstaltung zum Thema Vorratsdatenspeicherung: Verfassungsklage.at läd heute in Wien zu einer Informationsveranstaltung ein, um 19:30 Uhr geht es im Metalab in der Rathausstraße 6, 1010 Wien, los.
• Andreas Krisch, Obmann AKVorrat.at, VIBE.at
• Albert Steinhauser, Justizsprecher der Gruenen und
• Christof Tschohl, Ludwig Boltzmann Institut fuer Menschenrechte
… stellen sich den Fragen der Teilnehmer.
Wann & Wo:
Freitag 13.4.2012, 19:30
Metalab, Rathausstrasse 6, 1010 Wien
(Eintritt frei)