Station Rose – Digital Quarter Century Shelter

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Bei TOTAL RECALL – The Evolution of Memory werden Pioniere in Sachen digitaler Medienkunst zu sehen sein: Station Rose sind bereits 1988 dem digitalen Virus verfallen, schaffen audiovisuelle Skulpturen, vermengen in ihren Performances Klang, der mittels digitaler Gerätschaften erzeugt wird, mit Licht-, Video- und Bildwelten, und haben dabei rein auf Grund ihrer langen Karriere einiges zum Thema digitale Welt zu sagen. Elisa Rosa und Gary Danner stimmen im Interview auf ihre Aktionen beim Festival Ars Electronica 2013 ein.

Station Rose ist mit Digital Quarter Century Shelter bei TOTAL RECALL – The Evolution of Memory, was hat es damit auf sich?

Gary Danner: Wir bauen ein bespieltes, installatives Setting. Zentraler ästhetischer Kernpunkt wird wieder, und ich sage jetzt bewusst wieder, ein Holzhaus sein, weil wir seit etwa 5 Jahren das Konzept der “New Media Arte Povera” verfolgen. Dadurch, dass wir uns schon sehr lange mit Internet und digitaler Kultur auseinandersetzen, seit 1988, hatten wir uns, geschuldet auch der Tatsache, dass wir 20 Jahre in Frankfurt/Main gelebt haben, ein bisschen abgewendet von der digitalen Euphorie und haben wieder damit begonnen, mit Sachen wie Holz zu arbeiten, mit Pflanzen oder mit analogen Instrumenten.

Ähnlich wie bei der Installation im MAK 2008 werden wir auch bei der Ars Electronica ein Holzhaus als eine Art Schaltzentrale aufbauen, das aber natürlich verdrahtet und vernetzt ist. Aus diesem Holzhaus hinaus werden wir das Zwischenmagazin B (der Tabakfabrik Linz) 5 Tage lang mit unseren Daten bespielen.

Das ist wohl auch der Grund, wieso wir wieder zur Ars eingeladen wurden, dass wir unsere sehr subjektiven Memories externalisieren werden. Wir werden Bild und Ton aus unserer 25-jährigen Geschichte spielen, werden sie entweder 1:1 spielen oder live verfremden, und wir werden natürlich auch konkret für die Ars Electronica geschaffene Kompositionen live performen.

Es gibt wie einen Schedule, demgemäß wir mindestens einmal pro Tag 1 bis 2 Stunden performen werden, den Rest des Tages funktioniert der Raum und das Haus als audiovisuelle Installation, die mit unseren Daten bespielt wird. An zwei Tagen gibts sogar zwei Performances.

Zu unserer Arbeitsweise: wir haben seit Beginn eine relativ strikte Kompetenzentrennung, und zwar bin ich fürs Auditive verantwortlich und Lisa für das Visuelle, und diese zwei Dinge passen dann ohne irgendeiner vorangegangenen inhaltlichen Abstimmung zusammen. Man muss ja wissen, dass wir hier nebenan im Studio eigentlich wie eine Band arbeiten, ich arbeite an der Musik, Lisa neben mir an der visuellen Komponente, das heißt, wir sind permanent im Austausch, ohne dass wir uns vorher ein schriftliches Konzept setzen. Wir improvisieren.

Es gibt im Laufe der Arbeit an einem Stück einen Zeitpunkt, das ist meistens am zweiten Tag, wo wir sagen: So, jetzt steht ein Basisloop, der bleibt jetzt so.

Für die Live-Sachen, jetzt konkret für die Ars Electronica, bauen wir modulare Loops, die jederzeit grundlegend veränderbar sind, musikalisch gesprochen, von der BPM-Anzahl bis zur harmonischen Stimmung. Was wir hier vorbereiten ist ein Basis-Groove, ein audiovisuelles Basis-Riff, das dann live verarbeitet wird. Die Loops können sowohl vorbereitet, als auch vom Fleck weg improvisiert sein, wir kramen jetzt nicht onstage herum und schauen auf der Festplatte, was da jetzt passen könnte, wobei natürlich einzelne Samples und Apps ausgewechselt werden können.

Elisa Rose: Wir gelten als Pioniere der digitalen Kultur, weil wir das schon seit 1988 stringent durchgezogen haben. Wir kommen eigentlich von der Kunst und (Punk-)Musik, haben an der Angewandten studiert, und es ist uns natürlich total wichtig, dass das Ganze auch in einem Kunstkontext stattfindet, weil ich in letzter Zeit beobachtet habe, dass die Medienkunst irgendwo außen vor ist, im besten Fall haben manche Kollegen eine Professur, das heißt, sie leben nicht von ihrem Beruf, sondern vom Lehrstuhl.

Der Kunstmarkt ist eine Parallelwelt, das soll natürlich nicht sein. Ich finde, dass man die Neuen Medien, vergleichbar mit Fotografie, hier intergrieren sollte, die Diskussion: “Ist das überhaupt Kunst?” sollte eigentlich obsolet sein.

Jetzt müsste man sich folgendes anschauen: Wie kann sich etwas Flüssiges wie Performance in eine Installation soweit hineinmischen, dass es beides ist? Und das ist natürlich einerseits mit unserer Geschichte verwoben, dass man ein digitales Vierteljahrhundert erreicht hat, was ja immer noch etwas anderes ist, als in Jahrzehnten zu zählen, das ist natürlich per se ein Meilenstein, insofern passt es hervorragend zum Thema der heurigen Ars Electronica. Andererseits ist es natürlich so, dass die Sache als Installation und als Performance so funktionieren muss, dass da immer künstlerische Räume entstehen, die sich verändern.

Die Halle ist ja großartig, und für uns sehr spannend, da sind Elemente drin, die ich persönlich als Künstlerin nie vorgelagert habe, nämlich die industrielle Ästhetik. Mich hat das nie interessiert, auch nicht die Post-Industrial-Phase, als wir 1988 mit Station Rose angefangen haben, das war nie mein Ding, ist aber insofern interessant, weil vielen Leuten 6 Jahre fehlen, von 1988 bis 1994, da gibt es keine bespielte Datenbank. Das werden wir bei der Ars aufklären.


Videostill aus Incredibel

Jetzt ist es spannend, dass wir sozusagen ein halbes Jahrzehnt in der Tasche haben, das die einen nicht erlebt haben, weil sie noch zu jung waren, oder nicht erlebt haben, weil sie noch dem Industrial verhaftet waren. Ich fand, dass das eine richtig bedrohende Macht war, dass damals viele nicht ins Digitale wechseln wollten.

Die Situation jetzt ist die, man baut eine Installation, die 2013 funktioniert. Digitales bedeutet ja immer, dass es in dem Sinn ja keine Geschichte mehr gibt, so lange etwas ladbar ist. Das ist natürlich auch sehr spannend, wieviel von diesen vielen Daten der letzten 25 Jahre sind überhaupt greifbar, auch für uns selber. Es gibt natürlich sehr viele Daten, die sind gar nicht erfasst, es gibt Mitschnitte auf VHS, die sind nicht digitalisiert, dann gibt es unzählige Formate, welche Formate lassen sich konvertieren, etc, etc. Die erste CD-Rom, die wir 1992 am Amiga gemacht haben, würde ich in den Tabakwerken gerne abspielen, ist aber auch insofern ein schwieriges Unterfangen, weil ich jetzt gar keinen Amiga mit CD-Rom-Laufwerk hätte, auf dem ichs abspielen könnte. Die Ästhetik dieser frühen CD-Roms kommt ja irgendwie auch an die heutige Games-Ästhetik heran, da gibt es so viele spannende Schnittstellen, und das soll alles in diesem Raum, in dieser Halle bei der Ars Electronica stattfinden.


TV-Beitrag über Station Rose

Man kann also sagen, dass ihr anhand eures eigenen Archivs, eurer eigenen Dokumentationen eine Geschichte des digitalen Zeitalters erzählt?

Elisa: Genau. Jetzt zählen wir ja schon in Jahrhunderten, ein Begriff, den man ja nie mit Digitalität als solches verknüpft hat, das ist insofern spannend, weil es ja nicht die Situation gab, dass man etwas macht und wieder damit aufhört, sondern man macht es und wie kommt jetzt die Vergangenheit in die Jetztzeit hinein, die Vergangenheit, die als solche sowieso omnipräsent ist, sobalds netzmäßig erfasst ist.

Zur Installation wollte ich noch sagen, dass der Raum als solcher diese klassische Industrieästhetik hat, denkmalgeschützt, wir sind von der denkmalgeschützten Umgebung eingefangen. Ich bin vom Typ her kein Bastler, ich verstehe meine visuellen Arbeiten zwar als Skulpturen, als Medienskulpturen, aber Bohren und Herumbauen liegt mir nicht, das muss schnell aufgebaut und fertig sein. Wir haben, wie von Gary erwähnt, das Prinzip “New Media Arte Povera” entwickelt, das ist eine Mischung aus visueller Kunst und Sound, aber auch mit Fleece- und Wollelementen, mit Stoffen, Stoffdruck, Recycling und Holz, eine richtige Sinnlichkeit. Wie wird sich dieses industrielle Gebäude darstellen, es soll ja auch ein Erlebnisraum sein, in den die Leute reingehen können, in der Installation verweilen können, in dem dieses Holzhaus auch mal geschlossen sein wird, wenn wir nicht da sind, sich die Tore öffnen, wenn wir loslegen. Ich denke, das ist eine sehr spannende künstlerische Herausforderung.

2013 stellen wir auch im Kontext der Entwicklung der digitalen Medien und des Internets 5 Fragen. 1988 gaben wir Antworten, jetzt wollen wir diskutieren. Warum soll das alles gratis sein? Wem gehört das alles? Warum soll ich für andere gratis arbeiten? Wie schauen die Geschäftsmodelle aus? Wie geht der Kunstmarkt mit digitaler Kunst um?

Das ist gewissermaßen auch eine Verweigerungshaltung unsererseits, warum sollen wir alles ständig gratis auf Youtube stellen, wieso muss man ständig Facebook füttern? Wie geht man mit seinem eigenen Material um, mit diesem Goldschatz? Wo werden diese Goldbarren aufbewahrt, wer passt drauf auf, ohne, dass man wieder in dieses Geschäftsmodell der Riesenfirma verfallen muss, mit Programmierern, etc, etc. Das sind Dinge, die wir im Rahmen der Installation und Performance aufgreifen werden, ebenso wie Fragen nach Privatsphäre und Sicherheit, Fragestellungen, die wir schon in den 1990ern bearbeitet haben.

Station Rose blicken auf eine lange und erfolgreiche Karriere im Bereich der digitalen Medienkunst zurück, ein Blick in ihr Onlinearchiv lässt erahnen, was von der Installation/Performance Digital Quarter Century Shelter zu erwarten ist. Los gehts am 5. September 2013 in der Tabakfabrik, die genauen Uhrzeiten der Performances findet man unter https://ars.electronica.art/totalrecall/2013/07/29/digital-quarter-century_shelter/.