Der Himmel über Schardscha

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Foto: Alan Puah

Es war eine Show der Superlative. Auf einer künstlichen Insel mitten im Zentrum von Schardscha, einem der insgesamt sieben Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ließ Scheich Sultan bin Ahmad Al Qasimi vor kurzem das Al Majaz Theatre errichten – ein Amphitheater im römischen Stil, das Platz für bis zu 4.500 Menschen unter freiem Himmel bietet. Die Bauarbeiten waren pünktlich bis zum 26. März 2014 abgeschlossen, dem Tag der Eröffnung dieses Kulturzentrums, an dem auch gleichzeitig Schardscha zur islamischen Kulturhauptstadt 2014 gekürt wurde. „Clusters of Light“ sollte die erste gigantische Aufführung sein, die über das Leben des Propheten Mohammed und die frühe Geschichte des Islam erzählt, fünf Mal innerhalb von drei Wochen. Mit dabei die leuchtenden Spaxels des Ars Electronica Futurelab, die drei Mal pro Show mit spektakulären Formationsflügen in den Himmel stiegen. Wir haben mit dem Teammitglied Chris Bruckmayr darüber gesprochen, wie sie sich auf die Shows dieser Größenordnung vorbereitet haben und wie es ihnen dabei ergangen ist…

Wie kam es zu diesem großen Auftrag?

Chris Bruckmayr: Nachdem Scheich Sultan bin Ahmad Al Qasimi den Bau dieses Amphitheaters initiiert hatte, entschied er sich das Theaterstück eines bekannten arabischen Künstlers, Dr. Abdul Rahman Al Ashmawi, zu adaptieren und das Leben des Propheten Mohammed in Form von einer Art Oratorium aufzuführen. Der Prophet selbst durfte ja aus religiösen Gründen nie gezeigt werden. Deshalb ist er an das Unternehmen Multiple & Spinifex Group aus Australien herangetreten – sie haben unter anderem schon an Eröffnungen der Olympischen Spiele wie Peking oder Vancouver mitgewirkt. Spinifex selbst ist übers Internet auf unsere Spaxels-Shows aufmerksam geworden. Also wurden wir eingeladen, an der Show mitzuwirken, an der insgesamt 750 Menschen arbeiteten. Scheich Sultan bin Ahmad Al Qasimi wollte ursprünglich ein klassisches Oratorium mit Schauspielern machen, aber sie haben ihn überzeugt, dass gigantische Projektionen und ein Bollywood-ähnlicher Zugang weit emotionaler ist. Davon war er sehr begeistert.

Foto: Sharjah Media Centre

Welche Rolle übernahmen eigentlich die Spaxels bei „Clusters of Light“?

Chris Bruckmayr: Während die Schauspieler auf der Bühne – viele davon waren Stars aus dem arabischen Raum – die Geschichte erzählten, visualisierten wir sie am Himmel. So haben wir klassische Elemente mit den fliegenden Spaxels geformt – einen Bogen, der das Amphitheater umspannte, oder aber auch die Worte Gottes, die wie Regentropfen vom Himmel fielen. Wir haben erstmals reinweiß gearbeitet, weil diese Farbe sehr gut zu diesem religiösen Thema gepasst hat. Unser Part war sehr aufwändig, da wir innerhalb einer Show drei Sequenzen fliegen mussten – zwei Mal mit 25 Spaxels und einmal mit 15. Nach der großen VVIP-Show, bei der hohe Prominenz aus dem arabischen Raum anwesend war, gab es insgesamt fünf ausverkaufte Shows mit je 4.500 Menschen als Publikum. Wir hatten also viel zu tun. Vor Ort haben wir als Team aus vier Leuten mit dem Regisseur gearbeitet und immer wieder das Showdesign geändert. Sie haben uns gebeten, Vorschläge der Formationsflüge zu machen, die wir wiederum an ihre Vorstellungen anpassten. Wir sind dann die Flüge vorgeflogen, und manchmal haben sie aber auch selbst ihre eigenen Szenen gekürzt oder an uns angepasst.

Da ist eine gute Vorbereitung sicherlich das A und O…

Chris Bruckmayr: Wir hatten uns auf diesen Einsatz mit Simulationen gut vorbereitet, dennoch mussten einige weitere Adaptierungen durchgeführt und unser Showdesigner eingeflogen werden, weil das Setting sehr kompliziert war. Das Airfield war sehr klein und wir mussten uns penibel an den Timecode der Show halten. Schließlich stand die Sicherheit der Zuseher an oberster Stelle – einen Fehler konnten wir uns nicht erlauben. Es war ein Nervenkitzel, weder materiellen Schaden noch Personenschaden zu verursachen. Es war wahnsinnig intensiv. Eine völlig neue Erfahrung für uns, die uns gezwungen hat, unglaublich professionell zu werden. Zwischen dem ersten und zweiten Auftritt der Spaxels hatten wir nur 15 Minuten Zeit, um die Batterien zu tauschen. Wir haben ein professionelles Tauschsystem entwickelt, mit Ansage und Walkie-Talkies. Nach den drei Wochen hatten wir das völlig intus und mussten gar nicht mehr viel sagen. Zwischen dem zweiten und dem letzten Auftritt beim Grand Finale hatten wir dann zwar eine Stunde Zeit, aber der Druck war weiterhin sehr hoch. Wir haben die Spaxels stets getestet, ob die Rotoren anspringen, ob das LED-System funktioniert und so weiter.

Das Spaxels-Team (v.l.n.r.): Benjamin Olsen, Martin Mörth, Patrick Müller, Andreas Jalsovec, Chris Bruckmayr, Michael Mayr, Michael Platz, Foto: Martin Hieslmair

Wie viel Spielraum hatte das Spaxels-Team während der Show?

Chris Bruckmayr: Wir haben einen fixen Ablauf gehabt. Die ganzen Pre-Checks waren zehn Minuten vor dem effektiven Abheben erledigt und die Spaxels  eingeschaltet. Dann haben wir nur noch auf den Timecode geachtet, während wir über Funk mit dem Stage Director verbunden waren. Hier mussten wir genau auf die Sekunde starten. Eine sehr komplexe Rechnung ist daraus geworden: Wie lange brauchen die Spaxels für den eigentlichen Start? Wie lang brauchen Sie, um sich in der Luft zu organisieren? Wie lang brauchen Sie, um zum 100 Meter weiter weg liegenden Amphitheater zu fliegen? Und wann genau müssen im Flug die LED-Sequenzen aktiviert werden, damit diese mit der Gesamtshow synchron laufen? Weil das Amphitheater von Hochhäusern umgeben ist, haben wir zu gewissen Zeiten sehr problematische GPS-Signale gehabt. Wenn es sehr starke Reflexionen gibt, dann orientieren sich die Spaxels an einen völlig falschen Ort, und das wird beim Rückflug ein Problem, weil sie versuchen, wieder an ihrem vermeintlichen Ursprungsort zu landen. Dann haben wir eine alte Variante aus früheren Zeiten ausgegraben: Die Spaxels haben ja einen Low-Level- und einen High-Level-Prozessor. Der erste steuert nur das automatische Flugverhalten in der Luft und der zweite die GPS-Verarbeitung und LED-Animation. Wir sind dann immer nur mit dem Low-Level-Prozessor hochgeschwebt – bis das GPS-Signal besser geworden ist und dann haben wir wieder auf die ganze Intelligenz umgeschaltet. Manchmal haben wir einzelne Spaxels in den Händen hochgehalten. Bei normalen Shows beginnen wir drei Tage zuvor zu proben, hier waren wir schon zehn Tage zuvor an Ort und Stelle. Im Laufe der Proben wurde die gesamte Show immer wieder verändert. Mit all dem, was wir dort gelernt haben, haben wir uns selbst wieder angepasst.

Foto: Alan Puah

Im Februar flogen die Spaxels im tiefwinterlichen Umea in Schweden zur Eröffnung der europäischen Kulturhauptstadt, Ende März kam nun die islamische Kulturhauptstadt Schardscha an die Reihe…

Chris Bruckmayr: Die Temperaturunterschiede waren enorm. In Schardscha schwankte die Temperatur zwischen 25 und 35 Grad Celsius. Am heißesten Tag mussten wir ein technisches Problem ausbügeln – auf dem Airfield hatte es über 50 Grad. Wir mussten trotzdem fliegen. Da war uns allen nicht ganz wohl. Es gab zwei Tage lang Regenstürme, das für die Jahreszeit sehr ungewöhnlich war – so musste die VVIP-Show um einige Tage nach hinten verschoben werden als das Wetter wieder stabiler wurde. Die Zeit haben wir dann wieder für weitere Tests genutzt, es hat ja nicht permanent geregnet. Phasenweise war es auch relativ windig – eine weitere Herausforderung für Formationsflüge. Und es war ja auch unglaublich viel Sand in der Luft. Extreme Hitze, Sand und Wind – wir wissen jetzt auf jeden Fall, dass die Spaxels drei Wochen fast jeden Tag in dieser Hitze fliegen können. Vor der nächsten Show müssen wir natürlich alles wieder checken. Jetzt bleibt uns nur noch der Dschungel (lacht)…

Wie kamen die Spaxels von Linz in die Vereinigten Arabischen Emirate?

Chris Bruckmayr: Bei den meisten Spaxels-Flügen organisieren wir uns den Transport selber, aber in diesem Fall übernahm dies die Transportagentur der Multiple & Spinifex Group. Bevor wir die Quadcopters nach einem gut erprobten System verpackten, testeten wir alle durch. Innerhalb von einer Woche waren die Spaxels direkt bei unserem Airfield in Schardscha unbeschadet angekommen. Vor den ersten Probeflügen gab es dann aber noch einiges zu tun. Wir mussten natürlich wieder alle Spaxels durchtesten, da man nicht weiß, was beim Transport passiert ist. Drei Tage haben wir benötigt, bis wir wirklich schwarmflugfähig waren.

Und dieser Schwarm braucht auch ein entsprechend großes Airfield…

Chris Bruckmayr: Ja, wir brauchen ein Airfield mit einer Struktur, wo die Spaxels je nach ihrer ID in einem vorgegebenen Abstand zueinander aufgestellt werden. Ohne strukturiertes Airfield geht das natürlich nicht. Unser Traum wäre natürlich, dass wir mit einem Lkw vorfahren, das Dach öffnen und die Spaxels fliegen heraus. Wir haben aber gelernt, dass wir die Airfields immer kleiner machen können. Wir können ja in Gruppen starten und dadurch können sie enger beisammenstehen. Das hilft uns weiter, aber generell ist das Airfield wichtig, weil GPS-gesteuerte Spaxels nie komplett sauber zurückkommen. Man braucht einen Spielraum bei der Landung. Gelegentlich müssen wir sie auch fangen, wenn das Airfield wie hier neben dem Wasser ist, bevor sie dort landen.

Wie viele Spaxels können gleichzeitig starten?

Chris Bruckmayr: Theoretisch können wir auf jeden Fall 100 Spaxels gleichzeitig fliegen, vielleicht auch 200. Der Aufwand wird dann aber sehr groß, das Airfield muss sehr erweitert werden, wir brauchen mehr Assistenten, die Logistik muss größer werden. Mit unserem relativ kleinen Team braucht es für solche Aufträge aber auch eine gewisse Vorlaufzeit, denn auch der Umbau der Quadcopter, die von Ascending Technologies hergestellt werden, muss eingerechnet werden. Selbst ein Test in dieser Größe ist nicht einfach – und auch die örtlichen Luftfahrtgesetze müssen immer wieder berücksichtigt werden.

Foto: Ars Electronica Futurelab

Und was lässt sich noch an den Spaxels verbessern?

Chris Bruckmayr: Erst vor kurzem haben wir Hochgeschwindigkeitstests mit den Spaxels gemacht, damit die Formationen noch dynamischer werden. Sie können horizontal schneller fliegen als wir gedacht haben – auch jenseits der Herstellerempfehlung. Wir entwickeln das Projekt laufend weiter. Das erweitert aber auch die Möglichkeiten des Showdesigns, denn wenn sie schneller fliegen können, werden noch interessantere Formationen möglich. Bei der Lichtstärke sind wir auf einem sehr zufriedenstellenden Level. Das LED-Modul werden wir noch etwas verschlanken, aber heller brauchen wir derzeit nicht mehr leuchten. Wir können alle RGB-Farben zeigen und die Intensität regeln. An Gewicht können wir kaum mehr etwas einsparen, da die Batterien ein großer Faktor sind und Entwicklungen in diesem Bereich sehr langsam vorangehen. Hier muss das Showdesign stets die Dauer zwischen Landung und Start berücksichtigen, damit wir die Batterien tauschen können. Länger als zehn Minuten können wir derzeit leider nicht fliegen.

Wir lernen durch die Shows, learning by doing ist Programm. Wir entwickeln vor Ort, weil wir es brauchen.

Wird es weitere Shows dieser Größenordnung geben?

Chris Bruckmayr: Ja, da bin ich mir sicher. Unser Beitrag war ein riesiger Erfolg. Das Feedback, das wir bekommen haben, war großartig. Es kann leicht sein, dass wir bei einem der nächsten Open-Air-Theater dieser Art wieder dabei sind. Die Multiple & Spinifex Group will weiter mit uns zusammenarbeiten. Wir haben den Raum in dieser finanziell starken Gegend etwas geöffnet, und wir schauen nun, wie sich das weiterentwickelt. Schon in Umea haben sie zu uns gesagt: Wenn wir im Himmel sind, ist alles andere uninteressant. Es ist wirklich immer wieder erstaunlich, wie die Leute auf die Formationsflüge der Spaxels reagieren. Mit solchen Großprojekten werden natürlich die Anforderungen immer höher. Das war ein halb-olympisches Niveau.

Weitere Impressionen und Informationen zu den Spaxels finden Sie auf ars.electronica.art/futurelab

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