Das IT:U Programm des Ars Electronica Festival 2024 greift gesellschaftliche Herausforderungen durch interdisziplinäre Innovationen auf und bringt Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen wie Technologie, Kunst, Wissenschaft und Design zusammen, um gemeinsam an effektiven Lösungen zu arbeiten.
Im Rahmen des Ars Electronica Festivals mit dem Thema „HOPE–who will turn the tide” widmet sich die IT:U-Interdisciplinary Transformation University Austria der Erforschung der Verbindung zwischen gesellschaftlichen Herausforderungen und innovativen digitalen Technologien. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Medizin und Gesundheit, betrachtet aus den verschiedenen Perspektiven der diversen Fachbereiche. Als gemeinsames Projekt der IT:U – Interdisciplinary Transformation University Austria und Ars Electronica wurde das FOUNDING LAB letztes Jahr als Innovationslabor an der IT:U eingerichtet. Das diesjährige Ars Electronica Festival zeigt nicht nur fünf unterschiedliche Projekte der Studierenden, sondern gibt mit dem FOUNDING LAB Day am 4. September mit verschiedenen Vorträgen und Talks Einblicke in die transformative Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Hochschulbildung.
Innovative Projekte zur digitalen Zukunft
Das IT:U FOUNDING LAB, welches bereits 2023 mit einer Summer School, gefolgt von einem Herbst- und einem Frühjahrssemester startete, bringt nun sechs herausragende Studierende der ersten Generation zur Ars Electronica Exhibition 2024, um ihre Abschlussprojekte zu präsentieren.
Die fünf Projekte der sechs IT:U FOUNDING LAB-Studierenden aus Großbritannien, Österreich, Indien, Australien, Japan und Kanada beschäftigen sich mit einer Vielzahl von sozialen Themen – von Virtual-Reality-Erfahrungen für Menschen mit Behinderungen über Gesundheitsüberwachung mit maschinellem Lernen und künstlerische Innovation bis hin zur Wiederbelebung von Träumen durch modernste VR, der Kombination von KI-generierten Bildern mit historischen Texten, die überraschende Parallelen aufzeigen, und schließlich der Hinterfragung unserer sozialen Vision von Pflege und wie wir sie in unsere Technologien integrieren wollen.
Das in Zusammenarbeit mit Traumforscherinnen entwickelte KI-System ReVerie thematisiert den potenziellen Missbrauch von Traumtechnologien, indem es den Teilnehmer*innen ermöglicht, ihre Träume wiederzuerleben und neu zu interpretieren. Diese interaktive Installation beinhaltet ein Ritual, bei dem die Teilnehmenden ihre Traumobjekte flüstern, die dann in einem gemeinsamen immersiven Raum durch ein generatives Diffusions-KI-Modell zum Leben erweckt werden. Dieser Prozess ermöglicht es jeder Person, ihre Träume wieder zu erleben und die Kontrolle über unbewusste Erzählungen zurückzugewinnen. Durch die Erforschung des transformativen Potenzials der „Dream Reliving“-Methode macht ReVerie die verborgene Traumlandschaft sichtbar und fördert einen Ansatz, der das Träumen durch die Zusammenarbeit von Menschen und KI stärkt, um eine Zukunft zu verhindern, in der Träume kommerzialisiert und als Waffe eingesetzt werden.
GPT 1400: The AI Apothecary stellt sich vor, wie es gewesen wäre, wenn die Menschen im Mittelalter Zugang zu künstlicher Intelligenz gehabt hätten, und fragt sich, ob dies einen Unterschied gemacht hätte. In diesem spekulativen historischen Experiment werden die Ähnlichkeiten zwischen KI-Systemen und den vorwissenschaftlichen Ärzt*innen Westeuropas aufgezeigt, die sich beide auf antike Texte stützten, um Heilmittel ohne kritisches Denken herzustellen. Die Besucher*innen wählen auf Tablets ein mittelalterliches Symptom aus und veranlassen die KI, eine einzigartige Antwort und ein einzigartiges Rezept auf der Grundlage historischer Texte zu generieren. Die Ergebnisse werden in einem nachgebildeten Praxisraum mit hybriden KI-/mittelalterlichen Pflanzenillustrationen und einer als Pestarzt verkleideten Puppe angezeigt. Diese immersive Erfahrung kritisiert die Grenzen der KI und regt zum Nachdenken über Wissen und kritisches Denken in verschiedenen Epochen an.
Mit dem Fokus auf die modernen gesellschaftlichen Herausforderungen untersucht „Reassembling Bolts of Care“ die komplexe Rolle der Pflege sowohl bei der Förderung der Solidarität als auch bei der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Gesellschaft. Diese robotische Performance-Vorlesung untersucht die Spannungen zwischen Pflege als ausgebeuteter Ressource und dem aufstrebenden Markt für robotische Pflege. Die Performance verbindet vorab aufgezeichnete Videos von robotergestützten Interaktionen mit Live-Theaterszenen, die Erzählungen und persönliche biografische Elemente enthalten. Sie zeigt verschiedene Roboter, die für die Pflege entwickelt wurden, und lädt das Publikum ein, darüber nachzudenken, wie wir diese Technologien pflegen und betreuen. Durch diese Erfahrung stellt das Projekt konventionelle Definitionen von Pflege, die in robotische Technologien eingebettet sind, in Frage und plädiert für eine Neubewertung unserer ethischen und relationalen Herangehensweisen an diese Fortschritte.
Im Bereich der assistiven Technologien ist Crip Sensorama ein multisensorisches, interaktives XR-Erlebnis, das es den Teilnehmer*innen ermöglicht, sich mit Hilfe von Mundgesten in VR/AR-Umgebungen zu bewegen, zu navigieren und zu interagieren. Dieses Projekt ermöglicht es Menschen mit körperlichen Behinderungen, ihre Bewegungen und Interaktionen in XR durch Gesten mit Kinn, Kiefer und Lippen zu steuern. Crip Sensorama wurde entwickelt, um normative Annahmen über Behinderung in Frage zu stellen, und zeigt die künstlerischen Praktiken des behinderten Künstlers Eric Desrosiers. Durch das Hacken bestehender KI-Algorithmen zur Gesichtserkennung und die Modifikation von Lippen- und Gesichtserkennungssystemen schafft das Projekt eine barrierefreie Plattform, auf der Eric seine Mund- und Zungenbewegungen zur Interaktion mit XR nutzen kann. Dieser innovative Ansatz zeigt, wie unterstützende XR-Technologien als Plattformen für das Geschichtenerzählen von und für Menschen mit Behinderungen umgestaltet werden können, um ein tieferes Verständnis und die Wertschätzung für Kunst und Kultur von Menschen mit Behinderungen zu fördern.
Schließlich beleuchtet Do Algorithms Care?, ein Gemeinschaftsprojekt der Künstlerin Amanda Bennetts und der Datenwissenschaftlerin Johanna Einsiedler, kritisch die Kommerzialisierung persönlicher biologischer Daten. Die Installation, die an einen Technikladen erinnert, nutzt selbst gebaute Smartwatches und eine interaktive Datenschnittstelle, um zu untersuchen, wie persönliche Daten und maschinelles Lernen das Wohlbefinden vorhersagen können. Das Projekt basiert auf einer Open-Source-Philosophie und stellt den gesamten Code, die Smartwatch-Designs und die Prozesse zur Verfügung, um die Demokratisierung und Kritik der Technologie zu fördern. Besucher interagieren mit Smartwatches, Sensorkits und visuellen Datenanzeigen und initiieren so Diskussionen über die ethischen und politischen Implikationen biometrischer Daten. Die Installation fördert ein tieferes Verständnis für die Risiken, die mit der Nutzung und Kontrolle persönlicher Daten verbunden sind, und regt die Besucher*innen dazu an, ihr Verhältnis zu Datenschutz und Datenkontrolle zu überdenken.
Open Research & Education
Der FOUNDING LAB Day am 4. September im Rahmen des Ars Electronica Festival 2024 bietet einen Einblick in die transformative Rolle der künstlichen Intelligenz in der Hochschulbildung. Die Konferenz bringt führende Forscher*innen, Akademiker*innen und Praktiker*innen zusammen, um Erkenntnisse über transdisziplinäre KI-Bildung und -Forschung zu diskutieren und auszutauschen. Die diesjährige Konferenz soll auf den Grundlagen aufbauen, die 2023 geschaffen wurden, aktuelle Praktiken hervorheben und internationale Diskussionen anregen, die die Zukunft der KI in der Bildung prägen könnten.
Den Auftakt bildet Joanna Bryson mit einer Keynote zum Thema Künstliche Intelligenz. Joanna Bryson ist Professorin für Ethik und Technologie an der Hertie School, und ihre Forschung konzentriert sich auf die Auswirkungen von Technologie auf die menschliche Zusammenarbeit sowie auf die KI/ITT-Governance. Bereits 2020 war sie Gast beim Ars Electronica Festival. In der darauf folgenden Konferenz „Get.Inspired – Interdisciplinary and practice-based learning“ werden unter anderem Andreas Ingerl, Professor für audiovisuelle Medien an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Laura Veart, internationale Programmmanagerin bei STEAMhouse, und die Künstlerin Qian Ye anhand eines konkreten Lehrprojekts interdisziplinäre Praktiken in der Hochschulbildung diskutieren. Im anschließenden Panel „The Future of Open Research and Practice-Based Learning“ wird erörtert, wie offene Forschung aus verschiedenen Bereichen (Forschung, Bildung, Kunst) gefördert werden kann und welchen Nutzen dies für Forschung, Arbeitsmarkt und Gesellschaft hat.
Die Konferenz bietet Expert*innen verschiedener Universitäten und Disziplinen eine Plattform, um wertvolle Einblicke in ihre aktuellen Ansätze und Strategien für transdisziplinäres und praxisorientiertes Lernen zu geben. Die Teilnehmer*innen haben die Möglichkeit, sich mit Fachkolleg*innen zu vernetzen, Bildungserfahrungen auszutauschen und innovative Ideen zu diskutieren. Der FOUNDING LAB Day bietet eine einzigartige Gelegenheit, mit Vordenker*innen in Kontakt zu treten, innovative Bildungspraktiken zu erkunden und zur Weiterentwicklung der KI in der Hochschulbildung beizutragen. Die Konferenz verspricht, ein Katalysator für Zusammenarbeit und Innovation zu sein und die kritischen Schnittstellen zwischen KI und Wissenschaft zu thematisieren.
Die Projekte der Studierenden werden von 4. bis 8. September im Rahmen des Ars Electronica Festival 2024 in der POSTCITY zu sehen sein. Der FOUNDING LAB Day findet am 4. September von 14 bis 17 Uhr auf der Conference Stage in der POSTCITY statt. Tickets für das Festival gibt es hier.