TIME OUT .12 im Ars Electronica Center eröffnet

Ars Electronica x Kunstuniversität Linz

(Linz, 22.11.2023) Junge Medienkünstler*innen im Ars Electronica Center: Im Rahmen der Ausstellung TIME OUT .12 sind ab heute Abend 16 interaktive Werke von 15 Studierenden des Studiengangs „Time-Based and Interactive Media Arts“ der Kunstuniversität Linz zu sehen. Kuratiert wurde die Schau von Joachim Smetschka, Studiengangsleiter und Medienkünstler, und der Ars Electronica. Es ist die bereits zwölfte Auflage der Kooperation und Reihe TIME OUT – Time-Based and Interactive Media Arts meets Ars Electronica.

Interdisziplinarität und inhaltliche Vielfalt

Während Ania Böhaker mit nexus eine Würfelskulptur geschaffen hat, die vorstrukturierte Blickmuster aufbricht, tritt Isabel Schulz mit all ihrer Kreativität gegen eine bildgebende KI an und präsentiert Laurenz Vojka ein Videospiel, das die komplexen Traumwelten fremder Personen zum Abenteuer macht. Daniel Haas wiederum spielt in seiner Installation dBlech mit Sound, Elektronik und Lichtreflexion; im Foyer stellt Pat(ricia) Göckert Tabus rund um die weibliche Sexualität in Frage. Alle 16 Werke von TIME OUT .12 fügen sich in bestehende Ausstellungen des Ars Electronica Center ein. Von der Idee, zur Fertigung robuster Materialien, bis hin zur Anpassung an die Notwendigkeiten eines laufenden Museumsbetriebs liegt die (Mit-)Verantwortung bei den jungen Künstler*innen.

Ursprung und Ausrichtung

Initiiert wurde TIME OUT im Jahr 2014 von Gerhard Funk, von 2006 bis 2021 Leiter der Studienrichtung „Time-Based and Interactive Media Arts“, und Gerfried Stocker, Künstlerischer Leiter der Ars Electronica. Ziel der Ausstellungsreihe ist es, Studierenden der Kunstuniversität Linz eine Bühne zu verschaffen, auf der sie ihre Projekte zeigen und zur Diskussion stellen können. Die Kooperation bietet jungen Medienkünstler*innen zudem die Chance, in die Kulturszene einzusteigen, in den Austausch mit Kurator*innen zu treten und das eigene Werk im Gespräch mit Techniker*innen praktisch in eine Ausstellung zu integrieren. Die Resultate sind beeindruckend: Sound, Film, Performances, Programmierungen und innovative Interfacetechnologien fließen bei TIME OUT .12 ineinander und bringen Gedanken, Gefühle und kritische Fragen zum Zeitgeschehen zum Ausdruck.

TIME OUT .12 – 16 Projekte im Überblick

nexus / Ania Böhaker (AT)

Ania Böhaker zeigt mit nexus wie ein vorstrukturiertes Blickfeld das eigene Empfinden beeinflusst. nexus ist ein ca. 1,24 x 1,24 x 1,24 Meter großer weißer Würfel, der von massiven Rohrleitungen umschlungen ist. An den Seiten des Würfels befinden sich jeweils drei Rohre, die aus dem Würfel heraus- bzw. in ihn hineinragen – und alle sind miteinander verbunden. Besucher*innen werfen einen Blick in die Rohre und sind überrascht, wohin der eigene Blick geleitet wird. So enthüllt nexus eine neue Perspektive auf die direkte Umgebung und menschliches Miteinander.

Klang Kontakt / Emilia Vogt (DE)

Emilia Vogt hat mit Klang Kontakt eine Verbindung aus Soundinstallation und interaktiver Performance geschaffen. Die Künstlerin verwandelt die physische und emotionale Nähe anwesender Personen in ein harmonisches Klangerlebnis und schafft damit eine neue Ausdrucksform visueller Reize. Jede Berührung löst unterschiedliche Klänge aus, die sich in ihrer Intensität und Dauer unterscheiden – ganz so, wie sich die menschlichen Interaktionen entwickeln.

DREAM WAVE GROUP / Laurenz Vojka (AT)

Dream Wave Group ist ein Rollen-Videospiel (RPG Lite), das es ermöglicht, in die Traumwelten verschiedener Personen einzutauchen. Laurenz Vojka macht mit seinem Projekt die Gehirnwindungen fremder Menschen zum Erlebnis und lässt die Spieler*innen über einzelne Charaktere, ihre verrückten Wünsche und tiefen Ängste nachdenken: So findet man sich im Großstadtleben, beim Wellenreiten oder mitten im Frühjahrsputz wieder. Die fehlerhafte Logik des Traumreichs wird zum Möglichkeitsraum – der erkundet werden will.

Der schönste Ort der Welt / Sofia Jüngling-Badia (AT)

Orientierungslosigkeit im täglichen Leben, in den eigenen vier Wänden, in Gesprächen und der Zeit: Sofia Jüngling-Badia setzt sich auf persönlicher Ebene mit dem Krankheitsbild der Demenz auseinander.

Analoge Fotografien, die den Alltag einfangen, sind mit einer Erzählung über das Leben als Tochter eines demenzkranken Vaters verbunden, der sich zunehmend verändert. Die Narration wird regelmäßig durchbrochen von Sätzen, die Menschen mit Demenz in Dialogen aussprechen, um wieder Fuß zu fassen.

EMCP_One / Simon Lukas Haunschmid (AT)

The Electromechanical Cellphone (kurz EMCP) ist eine Designstudie, die sich mit dem stetigen technologischen Fortschritt befasst. Ausgangspunkt ist ein ausrangiertes Handy; ein Sinnbild der Entwicklungen der Telekommunikation Anfang der 2000er Jahre. In der Installation EMCP_One wird eine alte Kommode zum Träger ausgelagerter Funktionen des Telefons – und demonstriert mit analogen/semidigitalen Mitteln, welche Anwendungen in nur einem Gerät stecken. Das technologische Kernstück ist dabei die Platine des auseinandergebauten Handys.

Kreative Differenzen / Isabel Schulz (AT)

Isabel Schulz präsentiert eine Installation, die die Kreativität des Menschen einer bildgenerierenden KI gegenüberstellt. Sowohl die Künstlerin als auch eine speziell trainierte KI werden beauftragt, anhand zugeteilter Prompts Bilder zu entwickeln. Das Ergebnis: Divergierende Bildpaare trotz gleicher Ausgangslage. Die Arbeit regt zum Austausch über KI-generierte Kunst und ihre langfristigen Auswirkungen auf die Kulturszene an.

dBlech / Daniel Haas (AT) 

Ein Audiosignal wird in elektrische Signale übersetzt und bringt vier großflächige Metallplatten zum Schwingen – und Klingen. Daniel Haas macht mit dBlech elektrische Schwingungen nutzbar und lässt eine Klangcharakteristik entstehen, die sich aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Materialien und Impulse speist. Neben der Audioebene provoziert dBlech auch optische Effekte: Wird ein Scheinwerfer auf die Oberflächen gerichtet, können die Wellen des eintreffenden Elektro-Signals in der Lichtreflexion beobachtet werden.   

Credits
Funding: Förderungsverein der Kunstuniversität Linz / Support: Joachim Smetschka, Holunder Heiß, Caroline Bobek, Cécile Bucher, Matthias Narzt, Enrique Tomas, Wolfgang Dorninger

Aberration / Tolga Karaaslan (AT)

Ein universelles Alphabet, das es schafft, die Weltbevölkerung in all ihren Unterschiedlichkeiten und Konflikten zu einen – das ist die Idee der Protagonistin in einem Kurzfilmprojekt von Tolga Karaaslan. Es ist die Geschichte einer Grafikdesignerin in einem fiktiven autoritären Europa, die sich zwischen Protesten und Auflehnung wiederfindet. Mit dem neuen Alphabet sollen verhärtete Fronten in den Austausch treten und eine gemeinsame Kommunikationsform finden.

Auf Basis der Stimmung und Themen des entstehenden Films wurde Aberration (lat. Abirrung) konzipiert. Die Installation folgt den Gedanken der Protagonistin und vermittelt einen Ausdruck von Eigeninitiative, Umbruch und prozesshafter Umstrukturierung.

Credits
Konzeption und Realisierung: Tolga Karaaslan / Unterstützung im Coding: Gerhard Funk

Alien Harmonies / Jakob Luckeneder (AT)

Außer-irdisch. Jakob Luckeneder hat eine interaktive Audio-Skulptur in Würfelform konzipiert, die mit Messingplatten bestückt ist. Klänge entstehen, sobald die Oberfläche berührt wird – statt harmonischen Tönen sind unverwechselbare artifizielle Klanglandschaften zu erwarten. Alien Harmonies erforscht die Grenzen und Potentiale kollektiver Kreativität, denn die Audio-Resultate, die beim gemeinsamen Ausprobieren entstehen, sind in dieser Form einmalig.

es mucho tiempo / Friederike Weber (DE) & Juliana Vargas Rodriguez (CO)

Die Videoinstallation es mucho tiempo ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Friederike Weber und Juliana Vargas Rodriguez. Im Zentrum steht der Umgang mit Zeit – und der Wahrnehmung des Wartens. Die Basis des Werks sind Beobachtungen davon, wie Menschen Zeit überbrücken. Typische Bewegungen und Körperhaltungen werden in der Videoarbeit nachgeahmt – und auf Küchenrolle projiziert. Die übergeordnete Frage: Wie definieren wir einen Anfang und ein Ende?

Credits
Konzept: Juliana Vargas Rodriguez & Friederike Weber / Tänzerin: Juliana Vargas Rodriguez / Kamera: Friederike Weber / Editor: Friederike Weber / Sound Design: Max van der Meer

Krisenherd / Lisa Studener (AT)

Krisenherd ist eine Sammlung digitaler Illustrationen, die anhand der App Artivive lebendig werden und durch Frame-by-Frame-Animationen Beweglichkeit erlangen. Thema sind die Herausforderungen und offenen Fragen der westlichen Welt – dargestellt in 12 Bildern, die jeweils eine Kurzgeschichte ausdrücken, die zum Schmunzeln oder Nachdenken anregt.

lust / Pat(ricia) Göckert (AT)

Die Rauminstallation lust konstruiert eine Welt, in der weibliche Lust, Verlangen und Selbstbefriedigung keine Tabus sind. Interviews mit weiblich sozialisierten Personen drücken persönliche Erfahrungen aus, die Probleme patriarchaler Strukturen aufdecken und den gesellschaftlichen Umgang mit weiblichen sexuellen Bedürfnissen zum Thema machen. Begleitende atmosphärische Bilder übersetzen das Erzählte ins Abstrakte.

Neinblicke / Benjamin Ramsmaier (AT)

Ein undurchdringbares Rätsel birgt Benjamin Ramsmaiers Neinblicke, eine interaktive Skulptur in Form eines Würfels. Hinter der hölzernen Fassade verbirgt sich ein Geheimnis, beschützt von einem „bösen und chaotischen“ Algorithmus, der bisher von niemandem durchschaut wurde. Was im Inneren des hölzernen Würfelkästchens steckt, bleibt unergründlich. Die Frage an die Besucher*innen lautet: Lassen sich die Berechnungen des Algorithmus überlisten?

pars / Ania Böhaker (AT)

Meinungsvielfalt, geteilte Wahrnehmungen und daraus resultierende Konflikte sind die Bezugsfelder der Videoinstallation pars. Auf ein hölzernes Wandbild wird ein Schachspiel projiziert, das abhängig vom Blickwinkel die Partie entweder aus der weißen oder der schwarzen Perspektive zeigt. Die Illusion der Eindeutigkeit der persönlichen Wahrnehmung wird demonstrativ dekonstruiert.

RAS Awakening / Janik Valler (DE)

RAS Awakening ist eine audiovisuelle Skulptur, die ein fiktives Zukunftswesen hervorbringt – eine künstlerische Vision davon, wie aus Mikrochips und Elektroschrott Leben entstehen könnte. In einer Choreografie aus Klang und Licht produziert die Skulptur Geräusche, die erst anhand der Daten in den elektronischen Abfallmaterialien entstehen. RAS Awakening ist Janik Vallers Konzept einer künstlichen Lebensform im Wechsel zwischen Wach- und Schlafstadium.  

translucent reverie / Janik Valler (DE)

Die Lichtskulptur translucent reverie verwischt die Grenzen zwischen physischen und digitalen Realitäten, indem sie ein faszinierendes Spiel aus Licht, Farben und Formen entfaltet. Digitale Motive erwecken im Zusammenspiel mit physischen Materialen das Gefühl einer natürlichen Fluidität, die gerade den Zwischenraum erstrebenswert macht.

Statements

„Junge Künstler*innen in ihrer Kreativität und ihrem Können zu fördern, birgt für die Stadt Linz großartiges Kunst- und Kulturpotenzial und generell eine große Chance für werdende Medienkünstler*innen. Durch die Ausstellungsreihe des Ars Electronica Center gemeinsam mit der Kunstuniversität Linz wird jährlich ein Diskurs für die interaktive Medienkunst geschaffen, der einer breiten Öffentlichkeit und einem internationalen Publikum zugänglich ist.“ 

Klaus Luger, Bürgermeister der Stadt Linz und Eigentümervertreter von Ars Electronica

„Die Ausstellungsreihe TIME OUT unterstreicht die beeindruckende künstlerische Qualität und Reife der Studierenden der Kunstuniversität Linz. Durch die Partnerschaft mit der Ars Electronica erhalten diese jungen Medienkünstler*innen eine einzigartige Gelegenheit, ihre Werke zu präsentieren. Besucher*innen haben ihrerseits die Chance, sich von unkonventionellen und innovativen Perspektiven inspirieren zu lassen, die zum Nach- und Weiterdenken anregen.“

Doris Lang-Mayerhofer, Kulturstadträtin und Beiratsvorsitzende von Ars Electronica

„Die Werke der Studierenden verdeutlichen, dass menschliche Emotionen nicht nur im Einklang mit der technologischen Dynamik unserer Zeit stehen, sondern durch sie neue Ausdrucksformen finden können. Die Kooperation zwischen der Kunstuniversität Linz und der Ars Electronica ermöglicht Künstler*innen und Besucher*innen faszinierende Erfahrungen und trägt wesentlich zum kreativen und intellektuellen Klima unserer Stadt bei.“

Gerfried Stocker, Künstlerischer Leiter Ars Electronica

„Arbeiten mit Video, Film und Sound, mediale Installationen und Inszenierungen sowie die Gestaltung mit digitalen Medien samt innovativer Programmerstellung: Das macht unsere Studienrichtung Zeitbasierte und Interaktive Medienkunst unter der Leitung von Universitätsprofessor Joachim Smetschka aus. Wir freuen uns sehr, zum zwölften Mal in Kooperation mit der Ars Electronica die sich daraus entwickelnde Medienkunst in der Ausstellungsreihe TIME OUT präsentieren zu können – und danken allen Beteiligten, dass sie einmal mehr – diesmal für insgesamt 16 Werke – im Ars Electronica Center Raum zur Verfügung stellen, um die Arbeiten der jungen Künstler*innen einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen.“

Brigitte Hütter, Rektorin der Kunstuniversität Linz

„Time-Based and Interactive Media Arts steht als Studienrichtung der Kunstuniversität Linz für eine große Vielfalt an Themen, Inhalten und Ausdrucksmöglichkeiten im Bereich der Medienkunst. Ebenso vielfältig sind die 16 Arbeiten der jungen Künstler*innen, die in der 12. Ausgabe dieser Reihe präsentiert werden. 

Bei TIME OUT handelt es sich um ein besonderes Format, nicht nur weil wir hier einmal mehr mit unserer wichtigsten Kooperationspartnerin intensiv zusammenarbeiten können. Wir dürfen uns mit den Kunstwerken auch mitten hineinbegeben in die Ausstellungsräume des Ars Electronica Center und ein Teil davon werden. Dadurch entsteht ein sehr wertvoller Dialog, nicht nur zwischen den Institutionen, sondern vor allem auch zwischen den Künstler*innen, ihren Werken und den Besucher*innen. Bei vielen der gezeigten Arbeiten ist dieser Dialog das Herzstück und das Hauptanliegen. Danke an das großartige Team der Ars Electronica für diese Möglichkeit und die Gastfreundschaft!“

Joachim Smetschka, Leitung Time-Based and Interactive Media Arts, Kunstuniversität Linz

DREAM WAVE GROUP / Laurenz Vojka (AT)

Credit: Laurenz Vojka

Aberration / Tolga Karaaslan (AT)

Credit: Tolga Karaaslan

RAS Awakening / Janik Valler (DE)

Credit: Janik Valler