Unerasable Characters Series / Winnie Soon (HK/UK), Impressions / Press Tour POSTCITY / Prix & STARTS Exhibition Photo showing: Winnie Soon Credit: tom mesic

Unerasable Characters Series

Winnie Soon (HK/UK)

Artificial Intelligence & Life Art

Golden Nica

Die Arbeit befasst sich mit dem erschreckenden Ausmaß und der Wirkung staatlicher Zensur, die über digitale Infrastrukturen vollzogen wird. Die drei präsentierten Werke fungieren als lyrische Repositorien für unterdrückte Stimmen, wobei jedes die zensierten Meldungen von Weibo, einer der größten Social-Media-Plattformen in China, technisch unter die Lupe nimmt und poetisch wiedergibt. Unerasable Series erforscht die Politik des Auslöschens und die Zeitlichkeit von Stimmen im Kontext des digitalen Autoritarismus. Sie zeigt das schiere Ausmaß der ungehörten Stimmen, indem sie die Unendlichkeit und die weitreichenden Folgen der Zensur technisch untersucht und kulturell reflektiert.

Die Serie Unerasable Characters sammelt ungehörte Stimmen in Form von zensierten / gelöschten („permission denied“) Textdaten. Sie basiert auf einer der größten Social-Media-Plattformen in China, Weibo, und wird mithilfe des Systems „Weiboscope“, einem von King-wa Fu von der Universität Hongkong entwickelten Datenerfassungs- und Visualisierungsprojekt, umgesetzt. Das System hat regelmäßig die Timelines ausgewählter chinesischer Mikrobloggerinnen mit mehr als 1.000 Followerinnen oder solcher, deren Beiträge häufig zensiert werden, untersucht.

Jury Statement

Die diesjährige Goldene Nica geht an die Unerasable Characters Series, eine dreiteilige Untersuchung des Ausmaßes des digitalen Autoritarismus. Dabei werden zensierte Inhalte gerade durch Technologien, die auch zu ihrer Kontrolle eingesetzt werden, umgewandelt. Die Künstlerin Winnie Soon (HK) nutzt Techniken des maschinellen Lernens in Kombination mit DIY- und Open-Source-Ansätzen, um Vorstellungen von Kontrolle und Macht zu verkomplizieren. (…)

In Unerasable Characters I wird zensiertes Material verwendet, um neue Inhalte zu generieren, die zu einem Buch gebunden werden, was wiederum die Definition von „verbotenem Text“ in Frage stellt. In der zweiten Arbeit verschwinden die Stimmen—die Schriftzeichen—vor unseren Augen, während gesprächige Texte in Echtzeit „zensiert“ werden. Jede weitere Erfahrung ist zunehmend frustrierend und gipfelt in Unerasable Characters III, einer Anzeige von zensierten Beiträgen zur COVID-19-Pandemie, die mit Ausnahme von Satzzeichen, Emojis und Sonderzeichen keinerlei Inhalt mehr enthalten. (…) Durch die Umwandlung von gelöschten, zensierten Inhalten in „neue“ Erfahrungen, die Überwachung vermeiden oder umgehen, stellt Soon letztlich die Frage, ob dieselbe Technologie, die darauf abzielt, Informationen zu entfernen, dazu zweckentfremdet werden kann, um das Gelöschte unauslöschbar zu machen.

Auszug aus dem Jury Statement

Credits

Polly Poon

Dr. King-wa Fu

Greg Surma

rojal.se

John Colenbrander

Australian Centre for Contemporary Art

Microwave International New Media Arts Festival

Winnie Soon (HK/UK)

Winnie Soon ist ein*e in Hongkong geborene Künstler*in, Programmierer*in und Forscher*in, die sich mit den kulturellen Implikationen digitaler Infrastrukturen beschäftigt, die sich mit Machtasymmetrien auseinandersetzen. Ihr Fokus liegt auf Themen wie Free and Open Source Culture, Coding Otherwise, künstlerische / technische Handbücher, digitale Zensur und Minor Technology. Soons Arbeiten wurden in Museen, Galerien, Festivals, dezentralen Netzwerken, Veröffentlichungen und in alternativen Publikationsformen präsentiert, u. a. die gemeinsam mit anderen Autor*innen verfassten Bücher Boundary Images (2023), Fix My Code (2021) und Aesthetic Programming (2020). Sie ist Kursleiter*in am Creative Computing Institute, University of the Arts London, und außerordentliche Professor*in (beurlaubt) an der Universität Aarhus. Mehr Informationen: www.siusoon.netusoon.net