Eine ungewöhnliche Kombination: Zenbo Hidaka ist buddhistischer Mönch und gleichzeitig einer der führenden Experten im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Am Festival-Donnerstag, den 7. September 2017, spricht er beim Eröffnungssymposium und gibt einen ersten Überblick zum Thema. Spezifischer wird es dann am Folgetag: Am Freitag, den 8. September 2017, erklärt Zenbo Hidaka in der großen Themenkonferenz zum Festivalthema „Artificial Intelligence – Das Andere Ich“, was Spiritualität und KI eigentlich gemein haben.
Im Interview gibt Zenbo Hidaka schon einmal einen ersten Vorgeschmack auf seine beiden Vorträge am Ars Electronica Festival 2017.
Die Fotos zeigen Arbeiten aus der Ausstellung „Media Art Between Natural and Artificial Intelligence“, die am Ars Electronica Festival 2017 zu sehen sein wird. Hier: Nyloïd von Cod.Act. Credit: Gridspace
Wie formt Künstliche Intelligenz unsere Kultur? Und wie formt Kultur unsere Technologie?
Zenbo Hidaka: Wahrscheinlich sollte die Reihenfolge der Fragen umgekehrt sein – wir müssen uns zuerst die Frage stellen, aus welcher Art von Kultur KI entspringt. Technologie stellt oft ganz natürlich einen Anspruch auf Universalität. Wenn Technologie wirklich universell wäre, wäre sie losgelöst von jeglicher Verankerung in Kultur. Solange Menschen, die einer bestimmten Kultur angehören, KI als universelle Technologie verwenden, denke ich, dass es menschliche Kreativität in diesem Bereich beschleunigt und antreibt. Wenn aber KI die Subjektivität von uns Menschen überschreitet, ist es zweifelhaft, ob das, was die KI erzeugt, auch als das angesehen werden kann, was wir als unsere eigene Kultur ansehen.
Until I Die von ::vtol::. Credit: Miha Fras
Welche Auswirkungen hat die Nutzung von avancierten Technologien wie Machine Learning, also maschinelles Lernen?
Zenbo Hidaka: Die Stärke von KI liegt in komplizierten Berechnungen, die die Kapazitäten von menschlichen Gehirnen übersteigen. Selbstfahrende Autos sind ein typisches Beispiel. Wenn alle Autos ganz sprichwörtlich „automobil“ werden, wird es keine Staus oder Verkehrsunfälle mehr geben. Unsere Körper bleiben bestehen, ganz unabhängig von technischem Fortschritt, also wird die Optimierung und die Effizienzverbesserung von Mobilität auch weiterhin ein wichtiges Thema sein. Wir können uns jetzt schon nicht vorstellen, ohne Google Maps auf Reisen zu gehen. Es ist schon fast unheimlich, wie sehr unsere Handlungsfreiheit mehr und mehr eingeschränkt ist.
Welche ethischen Überlegungen bringt die fortschreitende Entwicklung von Künstlicher Intelligenz mit sich?
Zenbo Hidaka: Es ist vielleicht schwierig, ganz bestimmt eine Singularität festzustellen, aber ich denke, dass es an der Zeit ist, unsere Selbsterkenntnis zu stärken, indem wir transzendentale Existenzen konfrontieren. Die Tatsache, dass KI menschliche Fähigkeiten übersteigt, ist vielleicht in dem Sinn eine Gefahr, dass es unserer Kontrolle entgleitet – aber gleichzeitig könnte es eine Wiederentdeckung der Heiligkeit sein, die einst der Religion vorbehalten war.
Der Titel „Das Andere Ich“ bezieht sich auf die Frage, was wir Menschen auf Künstliche Intelligenz projizieren. Was zeigt Künstliche Intelligenz also über die menschliche Natur?
Zenbo Hidaka: Der Unterschied zwischen einem Menschen und Künstlicher Intelligenz ist, ob sie das Bewusstsein haben, sterbliche Wesen zu sein, oder eben nicht. Ein solches Bewusstsein bringt spirituelle Schmerzen mit sich. Die Idee von „Memento Mori“ war angeblich der Beginn von Philosophie. Aber wenn man es nur mehr mit Beziehungen zu tun hat, die über Online-Kommunikation entstanden, wird es früher oder später schwieriger, zu unterscheiden, ob man es mit einer lebenden Person zu tun hat oder mit einem KI Chatbot. Anders ausgedrückt, in diesen Blütezeiten von Sozialen Medien denken wir den Tod nicht mehr nur als physischen Tod alleine. Die vokaloide Oper von Keiichiro Shibuya „The END“ ist die Geschichte der Vokaloiden „Hatsune Miku“, die über ihren eigenen Tod nachzudenken beginnt. Es ist eine herausragende Arbeit, die das neue philosophische und ethische Problem der Beziehung zwischen KI und dem Tod thematisiert.
Zenbo HIDAKA Koyasan Sanbō-in studierte an der University of Tokyo an der Fakultät für Rechtswissenschaften. Während seiner Doktorstudien gründete er ein IT-Startup, das Software entwickelte. Später gründete er JapanStyle.Inc und leitete japanische Performancekunst-Produktionen wie Tsugaru-jamisen und traditionelle Okinawa Musikperformances in Zentralasien, im Nahen Osten und Kanada, gemeinsam mit der Japan Foundation. 2007 wurde er Kommitteemitglied des Japan Luxury Travel Forum des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie. Er ist außerdem ein Priester in Koyasan Kōso-in und stellvertretender Chefpriester in Koyasan Sanbō-in.
Das Eröffnungssymposium des Ars Electronica Festivals findet am Donnerstag, 7. September 2017, ab 15:30 Uhr in der Konferenzhalle der POSTCITY Linz statt. Das Opening Panel zum Thema „How Culture Shapes Technology“, bei dem Zenbo Hidaka spricht, startet um 17:45 Uhr. Die Themenkonferenz zu „Artificial Intelligence – Das Andere Ich“ findet am Freitag, 8. September 2017, von 10:00 bis 18:00 Uhr in der Konferenzhalle der POSTCITY Linz statt. Zenbo Hidaka spricht um 15:50 Uhr im Themenblock „Ethics, Philosophy and Spirituality“ über KI und Spiritualität.
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