Das Ars Electronica Festival 2017 liegt nun schon mehrere Monate zurück – ein paar der ausgestellten Arbeiten werden ab November aber im Ars Electronica Center gezeigt. Welche Arbeiten vom Medienkunstfestival in das Museum übersiedeln, warum genau sie ausgewählt wurden und welche Neuerungen uns im Herbst noch im Ars Electronica Center erwarten, das hat uns Ars Electronica Producerin Kristina Maurer im Interview verraten.
„Pool of Fingerprints“. Credit: Yuichiro Tamura
Wie jedes Jahr werden auch diesen Herbst wieder Arbeiten vom Ars Electronica Festival im Ars Electronica Center ausgestellt. Welche wurden dieses Mal ausgewählt?
Kristina Maurer: Während des Festivals halten wir jedes Jahr Ausschau nach spannenden künstlerischen Projekten, die uns dann über die fünf Festivaltage hinaus einige Zeit lang im Ars Electronica Center begleiten. Eines dieser Projekte ist dieses Jahr „Pool of Fingerprints“ des japanischen Medienkunstduos Euclid (Takashi Kiriyama und Masahiko Sato). Bei dieser Arbeit kann man über ein Interface seinen Fingerabdruck in einen Pool aus Monitoren entlassen – man geht zu einem Interface, legt den eigenen Zeigefinger ab und entlässt ihn in den Pool, wo er sich mit den Fingerabdrücken der anderen Besucher und Besucherinnen vermischt. Sollte man nach dem Museumsbesuch dann doch ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken haben, dass ein so persönlicher Teil der eigenen Identität hier „herumschwirrt“ und zurückbleibt, ist noch nichts verloren – man ihn über das interaktive Terminal auch wieder „abholen“. Natürlich kann man sich aber auch entscheiden, einen kleinen Teil von sich selbst im Ars Electronica Center zu hinterlassen, der mit den anderen Fingerabdrücken weiterlebt.
Credit: Martin Hieslmair
Die anderen Arbeiten stammen ebenfalls von einem japanischen Künstler, Akinori Goto. Worum geht es hier?
Kristina Maurer: Akinori Goto arbeitet mit Projektion und 3D-Druck und erschafft mit diesen Medien kinetische Skulpturen. Bei den Arbeiten „Sculpture of Time“ geht es dem Künstler um den Zusammenhang zwischen Bewegung und Zeit, und um die Visualisierung des Vergehens der Zeit in der Bewegung. In seinen filigranen 3D-gedruckten Objekten verstecken sich Figuren die erst durch die Bewegung des Objektes und durch die Projektion von Licht darauf sichtbar werden.
Goto überführt oft etwas Menschliches in etwas Digitales und anschließend wieder zurück in etwas Physisches. Ist es bei diesen Arbeiten auch so?
Kristina Maurer: Ja, das beschreibt seinen Zugang sehr gut. Für die Erschaffung seiner Skulpturen arbeitet er zum Beispiel mit tatsächlichen TänzerInnen, zeichnet ihre Bewegungen auf und überträgt diese Formen dann in den 3-Druck. Die menschliche Form verschwindet also zunächst im 3D-gedruckten Objekt, und wird dann in der Bewegung und durch die Projektion wieder sichtbar. Eine der drei Arbeiten, die bei uns zu sehen ist, visualisiert seinen Prozess sehr schön – man sieht sowohl das Video der TänzerInnen, auf denen die Skulptur basiert, als auch die Skulptur selbst, und bekommt so einen Eindruck davon wie Akinori Goto diese faszinierenden Arbeiten entwickelt.
Credit: Tom Mesic
Warum wurden diese beiden Künstler für das Ars Electronica Center ausgewählt?
Kristina Maurer: Bei der Auswahl von Arbeiten aus dem Festival suchen wir immer nach interessanten, thematischen Anknüpfungspunkte zu anderen Ausstellungsbereichen im Haus, so auch bei den neuen Projekten von Euclid und Akinori Goto. „Pool of Fingerprints“ eröffnet spannende Fragen zum Umgang mit unserem Körper und unserer Identität: Was bedeutet es für mich, wenn ich meinen Fingerabdruck in einem öffentlichen Raum zurücklasse? Wie gehe ich mit dieser kostbaren biologischen Information zu meinem Körper um? Akinori Gotos Arbeiten bieten einen Ansatzpunkt um sich mit Grenzen und Grenzüberschreitungen zwischen Physischen und Digitalem auseinanderzusetzen, aber auch mit den Themen der Wahrnehmung und der optischen Täuschungen. Aus diesem Grund sind seine drei Arbeiten auch an unser BrainLab angeknüpft.
Credit: Robert Bauernhansl
Auch das VRLab bekommt brandneue Arbeiten. Was erwartet uns hier?
Kristina Maurer: Das VRLab ist inhaltlich bewusst sehr offen ausgerichtet – wir wollten hier eine möglichst flexible Infrastruktur entwickeln, damit wir einen breiten Einblick in derzeitige Entwicklungen im Bereich Virtual und Augmented Reality zeigen und Künstlern und Projektpartnern aus unterschiedlichsten Bereichen eine Bühne für ihre VR-Projekte bieten können. Im Zuge von dem Abend DE/MATERILIZE, bei dem die neuen Exponate vorgestellt werden, arbeiten wir jetzt verstärkt mit lokalen Partner zusammen. Ab 23. November 2017 wird uns unter anderem das „Projekt INEO“ begeleiten, ein Abschlussprojekt von Schülern der HTL Spengergasse in Wien. Bei INEO geht es darum, wie man Virtual Reality Senioren und Seniorinnen näherbringen kann, und wie eine Applikation aussehen kann, die dieses Medium Leuten näher bringt, die bislang noch überhaupt nicht damit konfrontiert wurden und vielleicht auch gewisse Hemmungen haben, sich auf die Technologie einzulassen. „Reise in den Körper – Das Herz“ der Linzer Digitalagenturen Netural und Responsive Spaces ist ein Forschungsprojekt, das zusammen mit dem Roten Kreuz und Forte (FortBildungszentrum Elisabethinen Linz) entstanden ist. Hier wurde ein erster Prototyp für eine VR-Applikation erarbeitet, die SchülerInnen der 4. Volksschulstufe den menschlichen Körper näher bringen soll. Die Projektpartner stellen sich hier die Frage: Kann VR als Werkzeug für Wissensvermittlung in Schulen funktionieren, und wie könnte ein solches Tool speziell für den Biologieunterricht aussehen?
Credit: Florian Voggeneder
Wird es auch neue künstlerische Projekte im VRLab zu sehen geben?
Kristina Maurer: Mit LOGIN zeigen wir eine neue, interaktive Arbeit von Jürgen Ropp, der an der Kunstuniversität in Linz im Studiengang Interface Cultures studiert. LOGIN versetzt uns in eine virtuelle Ebene, in der wir als abstrakte, vernetzte Datenpakete dargestellt werden. Man ist dort allerdings nicht allein – Leute die sich rund um die Installation bewegen tauchen ebenso in diesem virtuellen Raum auf. Jürgen gehts hier um den Übergang von physischem Körper in die Digitalität, und um unsere Interaktionen und die Vernetzung in digitalen Räumen.
Auch im VRLab werden uns zwei künstlerische Arbeiten aus dem heurigen Festival begleiten: bei „Training 2038“ von Kitchen Budapest beschäftigen wir uns mit einer künstlichen Intelligenz, die die Besucher und Besucherinnen mit moralisch und ethisch herausfordernden Fragen zu Themenbereichen wie dem Drohneneinsatz im Alltag oder dem Verhalten von künstlicher Intelligenz im Straßenverkehr herausfordert. Bei „Fight“ von Memo Akten geht es darum, wie unser Gehirn reagiert, wenn es im virtuellen Raum mit unterschiedlichen Inputs auf rechtem und linkem Auge konfrontiert wird. Außerdem legen wir jetzt auch noch einen stärkeren Fokus auf Augmented Reality: mit der Microsoft HoloLens kann man ab Donnerstag austesten, wie sich ein AR- Headset anfühlt und funktioniert, bei dem der reale Raum mit Daten überlagert wird.
Kristina Maurer ist Producer und Ausstellungsentwicklerin mit Fokus auf die Ausstellungen im Ars Electronica Center. Als Projektleiterin der Ausstellungsproduktion entwickelt sie Shows gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter, der Vermittlungsabteilung, den AustellungsdesignerInnen und ArchitektInnen, produziert Ausstellungskollaborationen mit Universitäten und wissenschaftlichen Partnern wie der European Space Agency, Tangible Media Group // MIT Media Lab oder der Kunstuniversität Linz, und arbeitet eng mit KünstlerInnen an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie.
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