Ethische Ansätze in der Bio Art 

Compost as Superfood / masharu studio (NL), Photo: tom mesic

Forscherin und Kuratorin Eunji Kwon gewährt Einblicke in ihre Forschungsarbeit im Rahmen des kuratorischen Residenzprogramms von ARKO und Ars Electronica.

Gastbeitrag von Eunji Kwon 

Bio Art, die an der Schnittstelle von Kunst und biologischen Wissenschaften angesiedelt ist, wirft tiefgreifende ethische Fragen über die Beziehung der Menschheit zu lebenden Organismen, Technologie und Umwelt auf. Im Rahmen des von dem Arts Council Korea (ARKO) und Ars Electronica organisierten kuratorischen Residenzprogramms habe ich diese ethischen Dimensionen untersucht. Mein Forschungsschwerpunkt lag darauf, wie Bio Art in Korea und Europa unterschiedlich wahrgenommen wird, insbesondere im Hinblick auf ethische Überlegungen. Während in Korea das Interesse an technologiegestützter Kunst wächst, ist Bio Art dort relativ unterrepräsentiert, mit wenigen Ausstellungen und begrenztem kritischen Diskurs. Im Gegensatz dazu hat Europa eine längere Tradition von Bio-Art-Ausstellungen, wie etwa Ars Electronica (2009), Centre Pompidou (2019) und ZKM (2021), bei denen die Verbindung von Kunst und Biologie intensiver erforscht wird. 

!brute_force / Maja Smrekar (SI) and Jonas Jørgensen (DK), Photo: Hana Jošić

Der Anstoß zu meiner Forschung kam durch die auffällige Kluft in der Präsenz von Bio Art zwischen Korea und Europa. In Korea gewinnt zwar neue Medienkunst an Bedeutung, doch Bio Art hat noch keinen signifikanten Stellenwert erlangt. Angesichts dieser Unterschiede wollte ich untersuchen, ob sie auf verschiedene ethische Ansätze in Korea und Europa zurückzuführen sind. 

Während der Residency wollte ich mein Verständnis von Bio Art in Europa vertiefen, mit einem besonderen Fokus darauf, wie Künstler*innen ihre Medien bearbeiten und sich mit ethischen Fragen auseinandersetzen. Eine der größten Herausforderungen war die Definition der Bio Art selbst. Durch Interviews mit sieben, in Europa ansässigen Künstler*innen und drei Expert*innen, darunter Jens Hauser, ein prominenter Wissenschaftler auf diesem Gebiet, stellte ich fest, dass viele Künstler*innen den Begriff „Bio Art“ ablehnen. Stattdessen bevorzugen sie breitere Begriffe wie „Multimedia-Kunst“ oder „Multidisziplinäre Kunst“, die die Komplexität und Flexibilität des Genres widerspiegeln. Hauser verwendet beispielsweise den Begriff „Wet Media“, um die biologische Komponente des Mediums zu betonen. Diese Uneindeutigkeit verdeutlicht die Herausforderung, Bio Art zu definieren, da sie über die bloße Verwendung biologischer Materialien hinausgeht und tiefere ethische Fragen zu Leben, Bearbeitung und Koexistenz aufwirft. 

Impression Jury Meeting / Prix Ars Electronica 2024, Photo: vog.photo

Bearbeitung des Mediums und ethische Grenzen 

Ein zentraler Schwerpunkt meiner Forschung war, wie Künstler*innen ihre Medien bearbeiten und welche ethischen Implikationen dies hat. Künstlerinnen wie Yoko Shimizu und Robertina Šebjanič gehen diese Fragen auf unterschiedliche Weise an. Shimizu verwendet beispielsweise Pflanzen und Biotechnologie in ihrer Arbeit, wie etwa bei “Bio Ink”, einer organischen Tinte auf mikroskopischer Ebene. Während ihre Arbeit mit Umweltthemen verbunden ist, liegt ihr Hauptaugenmerk auf der Bearbeitung biologischer Materialien und weniger auf der direkten Auseinandersetzung mit Umweltethik. Šebjaničs Projekt „Co-sonic“ untersucht die Verbundenheit von Ökosystemen, insbesondere von Flüssen und den darin lebenden mikroskopischen Organismen. Ihre Arbeit stellt die anthropozentrische Weltanschauung in Frage, indem sie die Perspektive nichtmenschlicher Entitäten einnimmt. Obwohl ihre Arbeit nicht als direkter Umweltaktivismus verstanden wird, stellt sie grundlegende Fragen zur ethischen Verantwortung des Menschen gegenüber gemeinsamen Ökosystemen. 

Koexistenz mit lebenden Wesen 

Ein weiteres bedeutendes Thema meiner Forschung war das Konzept der Koexistenz mit lebenden Wesen, wie es von Künstler*innen wie masharu und Špela Petrič erforscht wird. Ihre Arbeiten erweitern die Grenzen der Bio Art, indem sie unkonventionelle Formen der Interaktion mit der natürlichen Welt untersuchen. masharu schafft Kunst, die Betrachter*innen dazu anregt, ihre Beziehung zur Erde neu zu überdenken. Ihr Werk „Compost as Superfood“, das auf dem Ars Electronica Festival 2024 ausgestellt wurde, propagiert die Idee, Elemente der Erde zu konsumieren, und hinterfragt dabei konventionelle Ansichten über unsere Interaktion mit der Umwelt. Ähnlich untersucht Petrič in ihren Arbeiten, wie wir gemeinsam mit anderen Lebewesen innerhalb von Ökosystemen leben können. Ihr Projekt „AIxxNOSOGRAPHIES“ beschäftigt sich mit der Schnittstelle von Biotechnologie und Algorithmen im Gesundheitswesen und regt Betrachter*innen dazu an, die Auswirkungen von Technologie auf unsere Verbindung zu anderen Lebewesen zu überdenken. Beide Künstler*innen fordern uns auf, unsere ethischen Verantwortlichkeiten gegenüber den Ökosystemen, in denen wir leben, neu zu definieren. 

AIxxNOSOGRAPHIES / Špela Petrič (SI), Studio Teratope (NL), Photo: vog.photo

Menschen, Tiere und lebende Organismen als künstlerisches Medium 

Im letzten Themenbereich meiner Forschung konzentrierte ich mich auf Künstler*innen, die lebende Organismen, einschließlich Menschen und Tiere, bearbeiten, um ethische Fragen zu erforschen. Künstlerinnen wie Maja Smrekar und Charlotte Jarvis setzen sich direkt mit ethischen Fragen auseinander, indem sie biologische Materialien verwenden. Smrekars Performancekunst involviert oft ihren Hund und wirft Fragen zur Einwilligung und zur ethischen Behandlung nichtmenschlicher Teilnehmer*innen in der Kunst auf. Ihre Arbeit betont Koexistenz und Kommunikation und fordert uns dazu auf, traditionelle ethische Grenzen zu überdenken. Charlotte Jarvis hingegen beschäftigt sich mit Fragen zu Menschlichkeit, Leben und Geschlecht. Ihre Kunst fordert Betrachter*innen auf, ethische Normen im Zusammenhang mit biologischer Bearbeitung, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht und menschliche Identität, neu zu denken. Ihre Arbeit stellt kritische Fragen zu den Grenzen biologischer Bearbeitung und den damit verbundenen ethischen Überlegungen. 

Organ of Radical Care: Una Matriz Colaborativa / Charlotte Jarvis, Dr. Patricia Saragueta, Prof. Susana Chuva de Sousa Lope, Photo: Ars Electronica / Birgit Cakir

Meine Forschung zeigte, dass Bio Art nicht nur ein Medium ist, sondern auch eine philosophische Auseinandersetzung mit ethischen Fragen zu leben, Bearbeitung und Koexistenz. Die von mir erforschten künstlerischen Praktiken gehen diese Themen auf vielfältige Weise an und stellen dabei traditionelle Ansichten über unsere Beziehung zu lebenden Organismen und der Umwelt in Frage. In Zukunft ist es wichtig, zu untersuchen, wie Bio Art traditionelle ethische Rahmen herausfordert und interkulturelles Engagement fördert. Da sich die Bio Art weiterentwickelt, wird es entscheidend sein, ihre ethischen Implikationen zu verstehen, um fundierte und durchdachte Diskussionen über die Zukunft von Kunst, Technologie und Ethik zu ermöglichen. 

Eunji Kwon wurde als zweite Kuratorin im Rahmen des von ARKO initiierten kuratorischen Residenz Programs ausgewählt. In diesem Gastbeitrag reflektiert sie über ihre Forschung während ihrer Residenz beim Ars Electronica Festival 2024. 

Eunji Kwon

Eunji Kwon ist eine Forscherin und Kuratorin, die sich mit den kunsthistorischen Perspektiven und den humanistischen Implikationen der digitalen Kunst beschäftigt. Sie hat einen Bachelor in Kunstgeschichte der Universität Paris 4 und einen Master in Kunstgeschichte der Universität Paris 10. Seitdem hat sie an zahlreichen Ausstellungen in Korea teilgenommen, darunter im Daejeon Museum of Art, bei Unfold X 2023 der Seoul Foundation und im National Museum of Modern and Contemporary Art. Ihr jüngstes Forschungsinteresse gilt der Bio Art, wobei sie Trends in diesem Kunstgenre innerhalb und außerhalb Koreas untersucht. Sie erforscht auch die ethischen Dimensionen zwischen Kunst und Technologie sowie die Etablierung ihrer kunsthistorischen Bedeutung.

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