Per Autostopp von Linz zum Pool of Life – Merseyside und zurück
mit den Buchstaben des Klangwolken ABC im Gepäck
ein Gastbeitrag von und mit Johann Grabner
12.Juli 2012, Autobahn – Tankstelle Ansfelden, ca. 7.30h. Die Zeit für ein Bild war knapp: Kurz nach meiner Ankunft unterhielt ich mich bereits mit einer jungen Dame in ihrem Auto bis Schärding.
Liverpool: George Harrison hatte seine Sicht. Und diese ist exakt und zielgenau.
Wie auch jene von C.G. Jung, gipfelnd in seiner Feststellung:
Liverpool is the Pool of Live!
Ergänzend dazu sei der Poet Allen Ginsberg zitiert:
Liverpool is the centre of the consciousness of the human universe.
Aachen Land Nord, mein Traumziel für den ersten Tag
Liverpool: Diese Stadt ist voller Magie von vielem was möglich ist. Und dazu noch von jeder Menge davon, was es sonst noch gibt.
Vor sieben Jahren, zu meinem 50.Geburtstag, hatte ich mir selbst eine Autostoppfahrt nach Mittelengland geschenkt, in den Pottery Belt der Insel, Sitz der Wedgewood Pottery, von Spode und Royal Doulton und anderen Repräsentanten des „Weißen Goldes“.
“Liverpool, that’s the more exciting place. Even more interesting than London!” Das hatte mir ein Manager geraten, der mich bis Chester mitgenommen hatte und erstaunt war, dass ich nicht nach Liverpool weiterzureisen gedachte. Seine Aussage legte einen Grundstein.
In der katholischen Kathedrale, der Metropolitan Cathedral of Christ the King, ihrer zeltartigen Form und der irischen Abstammung vieler ihrer Gläubiger wegen auch “Paddy’s Wigwam” genannt (Paddy- St. Patrick, irischer Nationalheiliger).
Tags darauf hatte mich ein Elektriker mit meinem Liverpool- Schild durch eine Seitenstraße Chesters gehen gesehen, hatte kehrt gemacht, war mir nachgefahren um mich einzuladen, mit ihm bis zum Royal Liver Building am Pier Head mitzukommen. Dort hatte er mir die „drei Grazien“ erklärt, war mit mir, voller Begeisterung, in magischen Worten, voller Feuer und Farbe, die imaginäre Geschichte der englischen Kunst durchgereist, samt Empfehlungen für Walker, Tate und Lady Lever Gallery. Nun brauchte ich nur noch das Tor zu durchschreiten!
Angelikanische Kathedrale, größter Kirchenraum Europas
In ihr findet man eine jener jahrzehntelang das Bild Englands prägenden Telefonkabinen aus den 1930er Jahren. Als das kleinste Werk des Architekten Giles Gilbert Scott steht sie hier in seinem größten. Scott war übrigens Katholik; entsprechend war der ursprüngliche Architekt der katholischen Kathedrale, Edwin Lutyens, angelikanischer Christ.
PS: Mit dem Begriff „Die drei Grazien“ summiert man das Royal Liver-, das Cunard- und das The Port of Liverpool Building.
Mit Pottery Belt meint man das Zentrum der englischen Porzellanindustrie.
Dieses Jahr hatte ich vier Buchstaben des AEC im Gepäck, als Teil eines Projektes, das sich kurzfristig wenige Tage vor meiner geplanten Abfahrt in einem Augenblick ergeben hatte, als Zeit, Wind und Ewigkeit passten. Die Lettern ergaben den Namen der Galerie für Moderne Kunst im Albert Dock: TATE. Begriffe wie ETTA TAT, EAT, TEA, ATE ließen sich damit ebenso gut bilden.
Wohl hatte ich die Buchstaben in ihrer Farbstruktur mit Seidenpapier in einem intensiven Arbeitseinsatz bis in die Nacht vor meiner Abfahrt vorbereitet: Zusammengesetzt hatte ich sie aus Transportgründen erst in Liverpool. Genauso hatte ich sie vor meiner Rückreise wieder zerlegt. Vielmehr das, was nach „Vorarbeit“ von Wind und Regen noch übrig geblieben war.
Heftiger Wind und häufiger (Dauer-)Regen machten manch geplante Aktion unmöglich oder zwangen mich, diese mit einzelnen Buchstaben an windgeschützten Orten durchzuführen. Bereits zum und vom ersten „Fototermin“ am Pier Head musste ich durch heftigen Wind gehen (hin und zurück jeweils ca 1 km) bzw. machte dieser dort ein Aufstellen der Objekte so gut wie unmöglich (wurden sofort fortgetragen) – Die Schäden am Seidenpapier waren entsprechend.
Ohne Beatles geht in Liverpool natürlich gar nichts
So gut wie zerstört wurden die farblichen Teile von A und E während einer nächtlichen Fotoaktion vor der katholischen Kathedrale durch Regen und Wind, am Leuchtturm von New Brighton hatte Meerwasser ein T entsprechend „umgestaltet“. Die vorangegangenen Zugfahrten nach Port Sunlight und nach New Brighton hatten den Glanz der Objekte ebenso wenig erhöht. Reparaturarbeiten, wie ich sie nach den ersten Fotoaktionen noch vorgenommen hatte, schienen mir nach diesen Schäden nicht mehr sinnvoll.
Vor dem Museum of Liverpool: Superlambananas, gefeierte Objekte des Kulturhauptstadtjahres 2008
Diese Aktionen erlebte ich besonders reizvoll wegen ihrer Gespräche mit durchwegs interessierten bis begeisterten Passanten, der Begegnung mit Jugendlichen, die nächtens manchmal an völlig „unbegangenen Orten“ mit ihren Fahrrädern zu mir stießen und mich detailgetreu über Machart der Buchstaben, Objekte und Ziel meines Tuns befragten, ihrer neuen Eindrücke von und Blicken auf Orte und Bauwerke. Einfach des Tuns wegen.
Bei jeder meiner vergangenen Autostoppfahrten hatte ich ein kleines Kunstprojekt dabei: Mal-Aktionen mit Kindern, Märchenerzählstunden in Parks oder in Absprache mit Tourismusverbänden in Deutschland. Reisen bedeutet für mich einfach das Ausloten neuer Möglichkeiten, die Verdichtung dieses Sich-Fortbewegens um Menschen, Geschichten, Bilder: auf dass so neue Sichtweisen wachsen. Gut reisen heißt bereichert werden um Menschen, Berge, Städte. „Wer als derselbe Mensch heimkommt als der er fortgefahren ist, wechselt nur die Gegend, nicht auch sich selbst.“ So oder ähnlich hat es Ernst Bloch in seinen „Spuren“ geschrieben. Und so ist es gut geschrieben.
New Brighton gegenüber von Liverpool, auf der Halbinsel Wirral gelegen: Hier wird der Mersey zur Irischen See
Während der Rückreise ergaben sich zwei Fototermine:
Den Ersten bot Dover, hinaus am White Cliffs Walk, mit Blick auf Fährhafen, Klippen und in die Unendlichkeit des Himmels. Ein Kunststudent aus der Stadt führte dort gerade ein Polaroid- Fotoprojekt durch: Er hielt mich mit seiner Kamera fest, ich ihn mit der meinen.
Ein Engländer, unweit von Frankfurt an einer Raststätte von mir angesprochen, ob er Richtung Nürnberg fahren würde, bot mir eine Mitfahrgelegenheit bis Linz an. Als ich mich in Ansfelden von ihm verabschiedete, wollte ich ihm meine restlichen englischen Pfund geben. „No, I never would take any money from you. Keep it for next year!“ Das klang so, als wäre das schon ein Auftrag für nächstes Jahr …..