Artists As Catalysts – Interview mit Kuratorin Manuela Naveau

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Ab 4. Juli 2013 ist in der Alhondiga in Bilbao die Ausstellung „Artists as Catalysts“, KünstlerInnen als Katalysatoren, zu sehen. Kuratiert wurde sie von der Ars Electronica unter der Federführung von Manuela Naveau. Im Interview erzählt sie, was es mit dem Thema auf sich hat, wie es zu dieser Ausstellung kam und welche Projekte gezeigt werden.

Die Alhondiga ist eine ehemalige Vinothek und wurde 2010 unter Anleitung von Philippe Starck zu einem multifunktionellen Gebäude umgebaut, mit Ausstellungsräumen, Kinos und Fitnesscenter

Ab 4. Juli präsentiert Ars Electronica die Ausstellung “Artists as Catalysts” in Bilbao, genauer in der Alhóndiga Bilbao – worum gehts dabei?

Es geht darum, dass Katalysatoren normalerweise Prozessbeschleuniger sind. Für unsere Ausstellung haben wir Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die aufgrund ihrer künstlerischen Arbeit und Praxis genau als solche fungieren. Bei aller Unterschiedlichkeit haben diese Künstlerinnen und Künstler eines gemein: Sie verstehen ihre Arbeit nicht nur als Auseinandersetzung mit einer zeitgenössischen Ästhetik, sondern sie beschäftigen sich darüber hinaus mit sozialen, ökonomischen oder politischen Fragestellungen und sehen in ihrer künstlerischen Aufarbeitung ihren Beitrag zur Thematisierung einer jeweils spezifischen Problematik. Mit den Mitteln der Kunst wird also problematisiert, provoziert, persifliert, visualisiert und werden Prozesse in den Fokus gerückt, die mit einem Allgemeinwohl in Verbindung gebracht werden. Das künstlerische Ego geht nicht im alleinigen Selbstzweck auf, sondern sucht seine Rolle als ein wichtiger Teil der Gesellschaft – oft sogar in direkter Zusammenarbeit mit aktiver Partizipation durch Vertreter/innen der Gesellschaft, als Prozessbeschleuniger eben.

Der Eingangsbereich zur Ausstellung

Konkrete Bespiele?

Die Arbeiten von Finnbogi Pétursson oder Cesar Harada: Während Finnbogi Pétursson eine beeindruckende Wasserbeckeninstallation aufbaut und mittels Beschallung des Wassers unser Verhältnis zu unserem Planeten hinterfragt, gibt Cesar Harada mit seiner „Open-H20 group for ocean sensing and cleaning“ fast eine Bauanleitung vor, wie wir verschmutzte Gewässer auf unserer Erde mit Segeldrohnen reinigen können. Eric Paulos wiederum geht mit seinen selbst gebauten Energie abzapfenden Maschinenparasiten der Frage nach, wie wir mit der Ressource Energie umgehen und Daan van den Berg hackt IKEA und macht mit seiner Lampe samt Virus aus dem 3-D-Drucker darauf aufmerksam, dass es bezüglich nachhaltiger Zukunftsideen vor allem auch kreativen Eigensinn benötigt und nicht nur technologische Entwicklungen, die standardisierte Massenobjekte generiert. Das sind jetzt mal nur ein paar Projekte zum Thema Umwelt und nachhaltige Zukunft, die wir zusammengefasst haben. Wichtig ist mir in dem Zusammenhang aber auch noch zu festzuhalten, dass nicht nur einzelne Arbeiten von Künstler/innen gezeigt werden, sondern im Besonderen die Künstler/innen hinter diesen Arbeiten präsentiert werden. Deshalb erfährt man auch gleich im Eingangsbereich zur Ausstellung, mit welchen Künstlerinnen und Künstlern man es im Folgenden zu tun bekommt: Man erfährt etwas über ihr Leben, über ihr Denken, ihre Interessen, ihr Anliegen, ihre Arbeitsweisen, ihren Alltag und bekommt zudem Informationen, wie es und warum die jeweiligen Werke, Installationen und Artefakte überhaupt entstanden sind. Erst danach, wird man als Besucherin und Besucher mit den Arbeiten konfrontiert.

Seiko Mikami bespricht letzte Details mit Gustavo Valera, der die Ausstellung in Bilbao ermöglicht hat.


Bilbao ist ja ein klingender Name, was Kunst und Kultur angeht. Wie kam es eigentlich zur Kooperation zwischen der Alhóndiga Bilbao und der Linzer Ars Electronica?

Sehr oft bekommt Ars Electronica Export die Möglichkeit einer internationalen Präsenz aufgrund des „BotschafterInnen-Prinzips“. Das bedeutet, dass unsere Ausstellungen und Aktivitäten häufig über Personen vermittelt werden, die Teil unseres weltweiten Netzwerks sind. So manchen Jurorinnen und Juroren des Prix Ars Electronica haben wir etwa Aktivitäten in Taiwan, Sao Paulo und Spanien zu verdanken, aber auch dem einen oder anderen unserer Besucherinnen und Besucher beim Electronica Festival oder im Ars Electronica Center. Eine ebenfalls sehr wichtige Rolle kommt den vielen Kooperationspartnern des Ars Electronica Futurelab zu.

Finnbogi Pétursson gönnt sich neben seinem „Earth“ eine kurze Schaffenspause

Die Ausstellung in Bilbao ist über einen langjährigen Freund der Ars Electronica vermittelt worden, der schon öfter mit mir zusammengearbeitet hat: Gustavo Valera. Er ist nicht nur ein genialer Techniker und technischer Consulter für diverse Institutionen und Künstler, sondern auch ein Vermittler der Medienkunst und -kultur, was man etwa an seinem letzten Projekt „Hello World“ sieht, das er mit Ultra-Lab gemacht hat. 2012 hat er Lourdes Fernández, die damals gerade eben neu designierte Direktorin der Alhóndiga Bilbao, nach Linz ins Ars Electronica Center gebracht, um gemeinsam über mögliche Kooperationsprojekte nachzudenken.

MERRICK von Daan van den Berg

Es geht also nicht nur um eine Ausstellung, sondern um eine längerfristige Zusammenarbeit – oder anders gefragt, was interessiert Bilbao an Ars Electronica und Ars Electronica an Bilbao?

Zurzeit planen wir eine biennale Ausstellungspräsenz in Bilbao in der Alhóndiga. Darüber hinaus arbeiten Lourdes Fernández und das Ars Electronica Futurelab an einem gemeinsamen Residency-Programm für Künstlerinnen und Künstler. Alles Weitere wird sich ergeben, es gibt da bereits ein paar Ideen. Ja, und der Bilbao-Effekt ist wirklich etwas, der begeistert: Geht man durch die Straßen und lässt man die architektonischen Bauten auf sich wirken, bzw. erkennt man, dass fast alles in Bilbao einem Designanspruch unterliegt, dann wird einem schnell klar, welche Funktion ein Haus wie die Alhóndiga Bilbao zu leisten hat. Denn die Alhóndiga ist kein Museumskomplex. Wir reden da von einer Bildungs- und Freizeiteinrichtung für die Leute in Bilbao: neben den Ausstellungs- und Workshop-Räumlichkeiten gibt es dort eine auf drei Stockwerken aufgeteilte und extrem frequentierte Mediathek oder einen öffentlichen Swimmingpool im Obergeschoss (der durch ein Glasfenster im Boden auch vom Untergeschoss aus betrachtet werden kann), ein Fitnesscenter, ein Kino und einen Veranstaltungssaal sowie diverse gastronomische Einrichtungen.

Genau diese Konstellation bzw. Situation ist es auch, die uns von Ars Electronica so reizt bzw. interessiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass aus dieser Partnerschaft noch spannende Dinge entstehen werden.

Letzte Frage: Ars Electronica Export hat grade unlängst eine Ausstellung in Berlin eröffnet, nun ist man in Bilbao zu Gast – seit wann setzt Ars Electronica eigentlich Ausstellungen in aller Welt um und wie wird’s diesbezüglich weiter gehen? Gibt’s schon konkrete Pläne?

Seit 2004 setzen wir verstärkt Aktivitäten im Ausland um – Ars Electronica Export feiert also nächstes Jahr bereits sein 10 jähriges Jubiläum! Wirsind in diesen Jahren in Metropolen wie New York, Shanghai, Singapur, Mexico City, Sao Paulo, Venedig, Tokyo und Berlin genauso präsent gewesen wie in kleineren Städten. Ziel ist es dabei immer die Marke Ars Electronica weiter auszubauen und zwar im Bewusstsein, dass es letztlich all die internationalen Künstlerinnen und Künstler sind, die die Ars Electronica zu dem machen, was sie ist: eine seit fast 35 Jahren existierende (und damit wahrscheinlich die älteste) Institution, die sich mit Medienkunst und digitaler Kultur beschäftigt. Mit unseren Export-Aktivitäten wollen wir genau diesen Weg weitergehen, wir wollen immer neue Kontakt zu Künstlerinnen und Künstlern knüpfen und diesen im Rahmen unserer Aktivitäten Möglichkeiten der Präsentation eröffnen. Was künftige Projekte angeht, möchte ich hier noch nicht allzu viel verraten, aber im Moment pflegen wir gerade sehr intensive Kontakte zur russischen Medienkunstszene. Mal sehen, ob wir im kommenden Jahr Projekte mit Perm, Moskau und Kaliningrad realisieren können …

Ab 4. Juli 2013 ist die Ausstellung zu sehen, auf http://export.aec.at/bilbao2013 gibt es Infos zu den Projekten, den KünstlerInnen und der Alhondiga.

Manuela Naveau (geb. 1972), lebt und arbeitet in Linz/Österreich. Seit ihrem Studium an der Kunstuniversität Linz arbeitete sie seit 1997 als Künstlerin und Kuratorin national und international. Seit 2003 ist sie als Kuratorin und Projektmanagerin für die Ars Electronica nach Linz zurückgekehrt und gemeinsam mit Gerfried Stocker (künstlerischer Geschäftsführer der Ars Electronica Linz GmbH) entwickelte sie die Abteilung Ars Electronica Export, die sie seither operativ leitet. Neben dem Kuratieren, Produzieren und Positionieren von Ars Electronica Ausstellungen in einem internationalen Umfeld liegt ihr Interesse in den verschiedenen Erscheinungsformen zeitgenössischer künstlerischer Praxis. Zurzeit forscht Manuela Naveau zum Thema „Crowd & Art“ und untersucht in ihrer PhD Arbeit neue Formen der Partizipation an künstlerischen Prozessen über das Medium Internet sowie deren Einfluss auf eine sich im Wandel befindliche künstlerische Praxis.