Nick Goldman, ein Mathematiker, der an DNA forscht, wird bei TOTAL RECALL – The Evolution of Memory eine neue Lösung für ein altbekanntes Problem präsentieren. Seit Jahren ist er mit der Herausforderung konfrontiert, große Datenmengen zu verarbeiten und zu speichern, jetzt hat er eine Methode entwickelt, mit der man digitale Informationen in DNA speichern kann. Was als Scherz begann, hat sich zu einem ernstzunehmenden Projekt und einer Alternative für die Zukunft entwickelt.
Nick Goldman, wie sind Sie auf die Idee gekommen, DNA als Datenträger zu verwenden?
Es hat eigentlich mit einem Zufall begonnen. Mein Partner und ich arbeiten beide im Bereich der Genom-Forschung, das heißt, wir wissen recht gut Bescheid über die aktuellen biologischen Methoden, mit DNA umzugehen und sie zu manipulieren. Genforschung ist ja derzeit ein sehr intensiv betriebener Forschungszweig, das verstehen unserer Ursprünge, das Verändern von lebenden Organismen, der Fokus auf die Gesundheit des Menschen, viele ForscherInnen versuchen, zu verstehen, wie Organismen funktionieren.
Wir verfügen also über viel Erfahrung in diesem Bereich, und am Europäischen Bioinformatik Institut, wo wir beide arbeiten, ist eine unserer Aufgabenbereiche das Speichern und Verwalten von einer der größten Genom-Datenbanken der Welt. WissenschaftlerInnen schicken uns ihre Daten, wir archivieren sie, vernetzen sie, analysieren sie, und schicken sie via Web wieder an die WissenschaftlerInnen zurück. In diesem Bereich unserer Arbeit sind wir mit dem Handhaben solcher Datenbanken konfrontiert, und ein großes Problem ist schlicht die Menge an Daten, die uns zugeschickt wird. Die Entwicklungen im Bereich der Technologie sind rasend, sie bewirken eine Verdoppelung der Datenmenge innerhalb von 9 Monaten.
Wir sitzen also oft in Meetings, in denen wir diskutieren, wie wir mit diesem Problem umgehen können, wie wir mehr Daten effizienter speichern können, und am Ende eines dieser Meetings haben wir herumgespaßt, über Methoden nachgedacht, DNA zu speichern, Methoden, die nicht auf Festplatten basieren, weil sie teuer sind, nicht besonders lange haltbar sind, viel kosten, sowohl in der Anschaffung, als auch im Betrieb.
Und während wir also locker herumscherzen, kommt uns auf einmal die Idee: DNA an sich ist ein sehr effizientes Medium, um Informationen zu speichern. Was natürlich witzig ist, wenn man DNA in DNA speichert, weil man natürlich sagen könnte, dass man dann DNA einfach in der ursprünglichen Form abspeichert und fertig, man muss sie nicht mittels Computer codieren. Aber es kann nicht nur DNA sein, sondern jede digitale Information, die Bits und Bytes können statt auf magnetischem Material auf Molekülen der DNA gespeichert werden. Wir haben uns also an diesem Abend hingesetzt, haben ein paar Blatt Papier zur Hand genommen, einige Ideen notiert, unser Wissen über den aktuellen Stand der DNA-Lese-Technologie eingebracht, und plötzlich stellten wir fest, dass wir hier etwas hatten, dass man sehr gut als Nebenprojekt laufen lassen könnte, dass wir das tatsächlich zum Laufen bringen könnten.
Das war 2010, und weil es nicht unser Hauptprojekt ist, haben wir bis jetzt nicht sehr schnell entwickelt. Es hat ungefähr 1 Jahr gedauert, bis wir so richtig in Fahrt kamen, um zu sehen, dass die Idee wirklich umzusetzen ist, dann nochmal ein Jahr, um die Experimente zu entwickeln und die Resultate zu erhalten, und dann noch ein paar Monate, um alles in wissenschaftlicher Manier zu verschriftlichen.
Was ist der aktuelle Stand der Dinge, sind Sie im Stande, digitale Daten zu kodieren und wieder zu lesen?
Ja, wir haben ein funktionierendes System, wir haben den Machbarkeitsbeweis angetreten, wir haben ca. 1 Megabyte an Information gespeichert, verschieden Computerdateien, wir haben sie kodiert, in die DNA übertragen, sie wieder ausgelesen und die Daten waren wieder fehlerfrei am Computer verwendbar.
Es hat für ziemlich viel Aufsehen gesorgt, eine Vielzahl an Leuten ist mit uns in Kontakt getreten, Leute, die gerne ein „echtes“ Projekt daraus machen würden. Wir wollen jetzt auch etwas Größeres probieren, was natürlich sehr teuer ist, aber wir führen gerade Gespräche mit verschiedenen Gruppen, aber Details kann ich aktuell leider keine weitergeben.
Eines der Projekte, über die wir reden können, werden Sie gemeinsam mit der Künstlerin Charlotte Jarvis bei TOTAL RECALL – The Evolution of Memory vorstellen. Was hat es damit auf sich?
Ich habe Charlotte letztes Jahr getroffen, gerade als wir dabei waren, die wissenschaftlichen Papier auszuarbeiten. Sie hat in den Niederlanden mit Wissenschaftlern zusammengearbeitet, während wir unseren proof of principle, bei dem wir lediglich DNA-Moleküle manipuliert haben, durchgeführt haben. Sie hingegen arbeitet mit lebenden Bakterien, genetische Manipulation, etwas, das aus der Gentechnik bekannt ist, besserer Mais und so weiter.
Sie hat jedenfalls gemeinsam mit den niederländischen Wissenschaftlern den ersten Artikel der Internationalen Menschenrechtserklärung in DNA umgewandelt. Sie hat großes Interesse daran, wissenschaftliche Ideen einem breiteren Publikum vorzustellen, und so Ängste und oft auch Ignoranz zu nehmen. Deswegen hat sie diesen Text gewählt, weil er sich mit Menschenrechten und auch mit unserem Wissen auseinandersetzt.
Ich habe sie bei der Vernissage zur ihrer Ausstellung, die auf dieser Idee aufbaut, getroffen, und wir haben gemeinsame Pläne für die Zukunft geschmiedet. Ihr gefällt die Idee, dass man alles Mögliche kodieren kann, sie hat bisher lediglich mit englischem Text gearbeitet, aber es kann alles sein, alles, was mit einem Computer verarbeitet werden kann.
Unsere ursprüngliche Idee war es also, PDFs, Bilder, Text, mp3s in DNA zu kodieren, um zu zeigen, was möglich ist.
Dann haben wir die Idee weiterentwickelt, ein sehr großes Projekt entwickelt, das sich mit Musik beschäftigt, aber bis jetzt konnten wir die Finanzierung noch nicht aufstellen. Als die Ars Electronica mich nach Linz zum Festival einlud, schlug ich Charlotte vor, dass wir diese Gelegenheit als Start für unser Projekt nutzen könnten, wenngleich auch in einer kleineren Variante, quasi als proof of principle, um später das größere Projekt durchziehen zu können.
Jetzt kann ich noch nicht allzu viele Details verraten, vieles ist noch geheim, ich kümmere mich um die wissenschaftliche Seite des Projekts, Charlotte übernimmt die künstlerischen Agenden. Es handelt sich um ein Musikstück von Mira Calix, das speziell für diese Gelegenheit komponiert wurde und in DNA kodiert wird. Bei unserer Präsentation stelle ich die wissenschaftlichen Details vor, Charlotte wird zeigen, wie sie von diesem Projekt inspiriert wurde.
Am Ende wird es die Gelegenheit geben, an einer Performance, die Musik und DNA beinhaltet, teilzunehmen.
Eine letzte Frage: Die Idee, digitale Daten in DNA zu speichern, ist teilweise aus einem Witz heraus entstanden, teilweise aus der Notwendigkeit heraus. Wie weit sind wir Ihrer Meinung davon entfernt, dass wir die gerade besprochene Technologie im Alltag einsetzen können?
Das ist wirklich sehr schwer zu sagen, weil die Aussage auf Technologie basiert, die sich rasend schnell entwickelt. Vor 6 Monaten hätte ich noch gesagt, dass es sicher noch 10 Jahre dauern wird, wegen der Kosten, wegen der Geschwindigkeit, und am Ende dieser 10 Jahre könnte eine Privatperson vielleicht etwas Leistbares haben, um wirklich wichtige Information sicher aufzubewahren, als sicherste verfügbare Methode. Statt es einem Cloud-Betreiber zu überlassen, der jederzeit vom Markt verschwinden kann, hätte man da eine Alternative.
Man könnte es recht leicht selbst bedienen und es wäre zukunftssicher, weil die Technologie zum Lesen von DNA vorhanden ist.
Wir wurden überrascht vom großen Interesse, das an unserer Forschungsarbeit entstanden ist, Leute, die bereit sind, zu investieren, das macht viele Dinge natürlich leichter.
So wie die Dinge gerade laufen, dass wir Gespräche über größere proofs of concept führen, dass große Unternehmen sich beteiligen, das ist großartig.
Also vielleicht waren 10 Jahre sogar pessimistisch, vielleicht sind wir schon in 5 Jahren so weiter.
Es geht uns auch nicht darum, Festplatten oder USB-Sticks zu ersetzen, es geht um besonders wertvolle Daten, die DNA frisst keine Erhaltungskosten, wir werden sie auch in Zukunft lesen können. Festplatten gehen kaputt, sie kosten viel in der Erhaltung und im Betrieb, und sie machen viele Probleme.
DNA ist etwas, das wir immer verstehen werden, solange es Menschen gibt, werden wir wissen wollen, wie lebende Organismen funktionieren.
Wir werden also nicht die herkömmlichen Speichermedien ersetzen, aber eine sichere Alternative für Einzelpersonen, Unternehmen und Regierungen schaffen.
Wollen Sie mehr wissen? Dann kommen Sie zwischen 5. und 9. September nach Linz zu TOTAL RECALL – The Evolution of Memory, Nick Goldman ist mit seinem Thema in sehr guter Gesellschaft.