Jeremiah Diephuis, Lehrender an der FH OÖ Campus Hagenberg für den Studiengang Medientechnik und -design, und Stefan Schraml, Interaktions- und Interfacedesigner in der Spieleindustrie, haben gemeinsam mit anderen aus der Linzer Spieleszene die GameStage ins Leben gerufen. Im Interview sprechen die beiden Game-Experten über die Vergangenheit und die Zukunft von Computerspielen, ihre Ausstellung beim Festival Ars Electronica und die Games-Veranstaltung bei den FamilyDays im November.
Bei der ersten GameStage im AEC im März 2013 (Foto: Radiated Pixel)
Was ist die GameStage@AEC?
S. S.: Vor mehr als zwei Jahren haben wir die GameStage mit kleineren Veranstaltungen in der KAPU und im KunstRaum Goethestraße begonnen, in der Tabakfabrik waren wir auch einmal. Dann hat sich die Kooperation mit dem Ars Electronica Center ergeben.
J. D.: Die GameStage ist Vernetzungsbasis, um Produzierende und Interessierte zusammenzubringen. Es gibt für Computergames keine Möglichkeit wie in der Kunst z. B. eine Ausstellung in einer Galerie zu machen oder etwas Ähnliches. Die GameStage bietet Gelegenheit für Studierende und kleine Firmen aus der Branche, sich zu präsentieren und Feedback von der Community zu bekommen. Auch Unfertiges kann gezeigt werden und an die Öffentlichkeit kommen. Es gibt in der Region überraschend viele international erfolgreiche Firmen, die aber in Österreich eher unbekannt sind.
Ihr seid beim Ars Electronica Festival mit einer Ausstellung zu 40 Jahren Entwicklungsgeschichte von Computerspielen vertreten. Was gibt es da zu sehen?
S. S.: Uns geht es darum, nicht nur das Spiel zu bewahren, sondern das Gesamterlebnis. Daher zeigen wir alte Computerspiele in ihrem Originalkontext: Originalmedien auf Originalgeräten. Einige Spiele werden wir auch gegenüberstellen: das Original-Setup und eine emulierte Version, bei der das alte Spiel auf einem modernen Rechner, mit moderner Maus, Tastatur und Flatscreen läuft.
J. D.: Andranik Ghalustians, einer der wahrscheinlich größten Spielesammler weltweit, der auch in die GameStage involviert ist, hat hierfür sehr viele alte Geräte zur Verfügung gestellt. Da kann man das Erlebnis, die Erfahrung vergleichen: Liegt es wirklich nur an der Idee des Spiels, an der Grafik? Oder tatsächlich an der Art der Interaktion, wie der Joystick sich angreift oder vielleicht sogar an der Latenz, die mit der alten Hardware vorhanden ist. Natürlich ist es auch eine Erinnerung an das Erlebnis mit dem Game, dem man vielleicht mit 10, 12 Jahren damals begegnet ist.
S. S.: Auch aus unserer Generation kennen aber viele diese Geräte nicht. Es war ja nicht selbstverständlich so eine Konsole zu haben. Man kann sich also eine Menge Sachen anschauen, die man sonst nie zu Gesicht bekommen hätte. Die Ausstellung soll auch Wurzeln und Entwicklungen von Games aufzeigen. Viele Sachen, die früher ausprobiert wurden und kläglich gescheitert sind, fangen jetzt an zu funktionieren. Z. B. war der Virtual Boy, ein dreidimensionaler Gameboy, 1995 eine Wahnsinnsidee, technisch furchtbar. Jetzt kommt tatsächlich das Oculus Rift, das in ein paar Jahren vielleicht Richtung Mainstream geht – 20 Jahre später.
Sprechen die Leute heute auf andere Computerspiele an als früher?
S. S.: Das lässt sich schwer sagen, weil sich alles so stark verändert. Die Technologieentwicklung geht rasend schnell.
J. D.: Aber auch 10-/12-Jährige kennen noch Super Mario und Yoshi und Sony. Von einem Schüler habe ich die Aussage bekommen: „Ich möchte ein gescheites Spiel machen, wie Mario, seitdem gibt es eigentlich keine gescheiten Spiele mehr.“
S. S.: Das kann natürlich auch an der Eltern-Generation dahinter liegen.
J. D.: Man sieht das aber auch bei den Spielen im Casual-Bereich, die wir auf dem Handy oder Tablet haben, das sie wieder in diese Schiene von Jump-and-Runs und 2-D-Grafik gehen. Ästhetisch schon ein wenig anders, aber die Spielmechaniken haben sich nicht irrsinnig geändert.
S. S.: Stimmt. Es gibt Mechaniken, die dazu gekommen sind, aber die Basics bleiben.
Computerspiele üben ihre Faszination auch – oder gerade – auf Kinder aus (Foto: Teresa Timelthaler)
Im November trifft die GameStage erstmals auf die FamilyDays. Wie passt das zusammen?
S. S.: Die GameStage ist keine Insiderveranstaltung für Spiele-Entwickler, sondern richtet sich auch an die Nutzer, die Computerspieler. Wir haben einen gewissen Medienbildungsanspruch und wollen den Leuten zeigen, was das für ein Medium ist und welche Vielfalt Computerspiele haben. An diesem Wochenende werden die guten und die vermeintlich bösen Seiten von Computergames angesprochen.
J. D.: Es wird eine Informationsveranstaltung, bei der Eltern Antworten auf ihre Fragen und Ängste finden. Wir möchten bei dieser Veranstaltung einerseits Wissenschaftler und Journalisten sprechen lassen, die uns Einblicke in die Psychologie und Soziologie von Computerspielen geben. Andererseits sollen die Kinder und Jugendlichen, die gewissermaßen auch schon Experten im Bereich Computerspiele sind, ihren Eltern Spiele zeigen. Bei der Schlaufuchsakademie an der FH haben wir in den Sommerferien mit 10- bis 12-Jährigen gemeinsam Spiele gestaltet. Es ist überraschend wie viel die Kinder schon zum Thema wissen und wie schnell sie mit den Entwicklungswerkzeugen zurechtkommen.
Wo entwickeln sich Computerspiele hin?
J. D.: Statistiken zeigen, dass Games in Richtung Mainstream gehen. Es ist noch ein Stück Arbeit, bis sie als Kulturmedium akzeptiert werden, aber es gibt sie mittlerweile nicht nur als Unterhaltungsmedium, sondern auch für viele andere Zwecke, wie im Bereich „Serious Games“ zum Lernen, als Kunst oder als Sozialkritik. Oder im „Persuasive Bereich“, wo man ein Spiel für Politik oder andere Themen nutzt, um von etwas zu überzeugen. Ein relativ neuer Bereich sind auch News-Games, die es erlauben ein wirkliches Ereignis selbst nachzuerleben. Z. B. war „Haiti Earthquake“ so ein News-Game. Du hast aus drei verschiedenen Rollen aussuchen können: Journalist, Opfer oder Hilfsarbeiter. Du bist vor Entscheidungen gestanden, z. B. willst du versuchen etwas aus deinem Haus zu retten oder lieber in die Stadt gehen um dort Schutz zu finden. Wenn du eine Entscheidung getroffen hast, hast du entsprechendes echtes Videomaterial vom Erdbeben gesehen. Der Punkt ist hier nicht, sich nur zu informieren, sondern mehr Bezug zu dem Thema zu bekommen und Empathie zu entwickeln. Du machst eigene Erfahrungen und die können wirklich sehr überzeugend sein.
S. S.: Der Reiz am Gamen war schon immer die Interaktivität. Film ist schön, aber relativ passives Konsumieren. Beim Spiel dagegen kann man mehr oder weniger aktiv eingreifen. Es gibt ein ganzes Arsenal an Belohnungsstrategien. Das macht es interessant. Jetzt brechen Games aus aus dem Unterhaltungsbereich. Es werden laufend Dinge mit Spielelementen versehen, um etwas interessanter zu machen. Feedback auf Aktionen spricht Leute einfach an, da mischt sich dann Interaction-Design und Game-Design recht schnell. Ich glaube, dass Games in alle Lebensbereiche vordringen werden. Es ist ein sehr junges Medium, es wird sich viel tun. Es wird hoffentlich auch ein erwachseneres Medium werden. Momentan ist der Hauptfokus männliches Publikum von 18 bis 25 Jahren, da wird hingezielt, da ist auch die öffentliche Wahrnehmung – Stichwort „Shooter“. In Wirklichkeit ist der Einflussbereich aber jetzt schon viel größer. Es fehlt nur noch an Inhalten für andere Interessensgruppen. Das kommt sicher.
[bio img_src=“https://ars.electronica.art/aeblog/files/2013/08/jeremiah_diephuis.jpg“ alt_img=“Jeremiah Diephuis“] Jeremiah Diephuis ist Lehrender an der FH OÖ Campus Hagenberg für den Studiengang Medientechnik und -design.[/bio]
Stefan Schraml ist als Interaktions- und Interfacedesigner in der Spieleindustrie tätig.