Das Auge in der Zauberkiste

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Foto: Martin Hieslmair

Das künstliche Auge wirkt relativ unscheinbar auf den ersten Blick. So liegt das vom Linzer Kunststudenten Julian Reil erschaffene Objekt sanft eingebettet in einer kleinen schwarzen Box. Wer jedoch genauer hinsieht, weiß, warum man plötzlich das Gefühl bekommt, verfolgt zu werden. Wie eine eigenständige lebendige Kreatur blickt es nämlich zurück – und Ausstellungsobjekt und BesucherIn beobachten sich gegenseitig. Die zweite Folge der Ausstellungsreihe „TIME OUT .02“ holt das Auge nun in Zusammenarbeit mit der Studienrichtung „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ der Kunstuniversität Linz in das Ars Electronica Center.

Was ist “The Eye Named Frank” eigentlich genau?

Julian Reil: Es handelt sich um eine quadratische Box mit etwa 30 Zentimeter Kantenlänge und in dieser Box, die mit Samt ausgekleidet ist, liegt ein Auge in der Mitte. Darunter verbaut sind zwei Servos, die in einer kartesischen Aufhängung zueinander platziert sind. Die Achsen schneiden sich also im Mittelpunkt des Auges. Durch die Bewegung des Servos ergibt sich eine rollende Bewegung des Augapfels an Ort und Stelle. Im stets offenen Deckel der Box ist ein Kamerasystem versteckt, das über eine Webcam und einer Facetracking-Software Gesichter erkennt und Informationen über Menschen im Raum an die Servos weitergibt. Das Auge ist so programmiert, dass es den BesucherInnen vor ihm in einem 50-Grad breiten Sichtfeld folgt. Das Auge schaut einen immer an. Der Prototyp, den ich gebaut habe, funktioniert zwar gut, aber als ich erfahren habe, dass es zu einem Ausstellungsobjekt werden soll, habe ich beschlossen, eine noch solidere Version zu bauen. Auch das Auge habe ich neu gemacht. Hier habe ich mich für eine Holzkugel entschieden, denn Glasaugen sind leider zu klein, zu teuer und zu schwer, und auch Styropor oder Plastik hielt den Tests nicht stand. Die Holzkugel wird vorher weiß grundiert, dann wird alles von mir fein aufgemalt und mit Glanzlack überzogen.

Welche Software kommt da zum Einsatz?

Julian Reil: Meine Software basiert auf der Programmiersprache Processing und der OpenCV-Bibliothek, die mit Funktionen für Gesichtserkennung und alle möglichen anderen Detektionen des maschinellen Sehens ausgestattet ist. Außerdem setze ich die Open-Source-Plattform Arduino ein, die die Servos kontrolliert.

Foto: Martin Hieslmair

Und wie kommt man auf so eine Idee, ein künstliches Auge zu schaffen?

Julian Reil: Das Konzept ist mir einfach so eingefallen und hat mir von Beginn an gut gefallen. Anfangs habe ich mit LEGO Technik versucht, es zu bauen, und als ich gemerkt habe, dass das tatsächlich funktioniert, bin ich dann zum Studiengangsleiter gegangen und habe ihm meine Arbeit präsentiert. Dann ist der Prototyp entstanden. Das Unheimliche daran ist ja, wenn man das Ding wochenlang in seiner Wohnung stehen hat und vergisst, es auszuschalten, dass man sich dann tatsächlich beobachtet vorkommt. Und man neigt dazu, ihm einen Namen zu geben und mit ihm zu reden. Wie ein digitales Haustier, wo viele Leute dann zu mir gesagt haben, dass ich es ausschalten soll, weil sie es nicht aushalten, beobachtet zu werden. Schon beim LEGO-Technik-Prototypen hat es sich gezeigt, dass sich das Auge zu einem eigenständigen Lebewesen und einer Entität entwickelt hat, wo man glaubt, beobachtet zu werden.

Wie kam das Auge zu seinem Namen? Und warum nicht zwei?

Julian Reil: Eigentlich ist es eine Hommage an Sergeant Frank Drebin aus der Komödie „Die nackte Kanone“. Am Anfang war es als nur als kleines Projekt an der Universität geplant und schließlich hat es den Namen Frank bekommen, weil dies in meinem Freundeskreis damals auch eine Kultfigur war. Warum es nur ein Auge ist, hat praktische und ästhetische Gründe. Zwei Augen wären viel schwieriger zu bauen. Und gerade ein einziges Auge spielt mit dieser Horrorkomponente und der Entfremdung des Objektes. Hier schwimmt auch die Idee des Minimalorganismus mit – welche Komponenten braucht eine Lebensform, um als Entität wahrgenommen zu werden? Es ist eine der notwendigen Minimalfunktionen. Wenn etwas den Blick erwidert, dann hat man schon ein viel größeres Entitätsgefühl als bei einem „eiskalten Händchen“, wie es in der Fernsehserie „The Addams Family“ der Fall war. Es geht relativ schnell, sobald etwas auf einen Reiz von außen reagiert, der einen selber betrifft. Außerdem wollte ich eine Mischung zwischen Märchenwelt und Technologie andeuten – schließlich ist die Holzbox ja mit rotem Samt verkleidet und das Auge in der Box wirkt wie aus einer Zauberkiste.

Foto: Florian Voggeneder

Warum verfolgt uns Frank?

Julian Reil: Viele Leute interagieren, wenn sie Frank zuerst sehen, gerne damit. Und sie werden sich bis zu einem bestimmten Grad mit dem künstlichen Auge unterhalten. Das macht auch Spaß. Dann wird es aber auch etwas unheimlich und man schaut es sich näher an. Man fragt sich, wie funktioniert es denn wirklich? Und letztendlich weiß man aber nicht, was mit den Daten passiert, die hier verarbeitet werden. Die meisten Leute geben sich aber dann schon mit dem Unterhaltungswert zufrieden und fragen nicht weiter. Aber, um es ganz plakativ zu sagen, arbeiten die sozialen Netzwerke mit derselben Taktik. Man wird unterhalten, es wird einem etwas geboten und man erhält Funktionen der Interaktion, die eigentlich verschleiern sollen, dass man in Wirklichkeit als Person komplett verkauft und quantisiert wird.

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