Mercedes-Benz: Seit 2013 offizieller Mobilitätspartner von Ars Electronica

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Zwei Mercedes-Benz vor dem Ars Electronica Center. Foto: Martin Hieslmair

Weltweit forschen 13.000 MitarbeiterInnen bei uns zur Zukunft der Mobilität

Seit vergangenem Jahr ist Mercedes-Benz Österreich offizieller Mobilitätspartner von Ars Electronica. Eine Partnerschaft, die nicht von ungefähr kommt. Angesichts der geradezu revolutionären Umwälzungen, die sich an der Schnittstelle von Mobilität, Energie und Urbanisierung abzeichnen, ist es alles andere als verwunderlich, dass innovative Konzepte und Visionen zur Mobilität der Zukunft immer stärker in den Fokus der Automobilhersteller rücken. Mercedes-Benz bzw. Daimler ist da keine Ausnahme, ganz im Gegenteil. Rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tüfteln in insgesamt 22 Forschungszentren in aller Welt für Daimler an der Zukunft des Automobils. Die wechselseitige Inspiration von Kunst und Wissenschaft, wie Ars Electronica sie schon seit längerem vorschlägt bzw. vorlebt, ist da eine von mehreren erfolgsversprechenden Strategien.

„Forschung und Entwicklung sind bei uns ein zentrales Thema, Kunst und Technologie der Schwerpunkt von Ars Electronica – eine ideale Konstellation. Wir freuen uns sehr, mit Ars Electronica einen so innovativen und zukunftsorientierten Partner gefunden zu haben.“

So Corinna Widenmeyer, Geschäftsführerin der Mercedes-Benz Österreich GmbH. Wir haben sie über die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von Mercedes-Benz, nach den diesbezüglichen Zielen und den größten Herausforderungen auf dem Weg dorthin gefragt. Und wir wollten wissen, welche neuen Allianzen in Zukunft geschmiedet werden müssen, um unserem zukünftigen Mobilitätsverhalten entsprechen zu können.

Marcus-Automobilpreis 2013 des ÖAMTC – E 300 BlueTEC HYBRID gewinnt den Marcus-„Wegweiser“ (Copyright Daimler)

Frau Widenmeyer, gleich zum Einstieg würden wir gern wissen, wie die Zukunftsvision von Mercedes-Benz aussieht? Anders gefragt, was sind die konkreten Ziele Ihrer Forschung- und Entwicklungsaktivitäten? Und was die größten Herausforderungen, um diese zu erreichen?

Für Mercedes-Benz stehen der Weg zum emissionsfreien und der Weg zum unfallfreien Fahren ganz klar an erster Stelle. Mercedes-Benz bietet schon heute mehr als 50 Modelle mit CO2-Werten unter 130 g/km und ein einzigartiges Spektrum an Elektrofahrzeugen – vom Pkw, über Transporter und leichten Lkw bis hin zum Omnibus. Im Bereich Sicherheit helfen zahlreiche Assistenzsysteme Unfälle zu vermeiden oder Unfallfolgen zu mildern. Darüber hinaus entlasten sie durch teilautonome Fahrfunktionen die Fahrerinnen und Fahrer in eintönigen Situationen wie etwa Staus. Wie diesbezüglich die Zukunft aussehen wird, haben wir mit der ersten autonomen Stadt- und Überlandfahrt mit seriennaher Technologie ja bereits im August des Vorjahres demonstriert.

Bevor unsere beiden Visionen aber endgültig Realität werden können, sind noch zahlreiche gesetzliche, gesellschaftliche und natürlich auch technische Herausforderungen zu bewältigen. Zum Beispiel beim autonomen Fahren: Da muss das Kartenmaterial noch deutlich präziser, die Gesetzgebung an die neue Situation angepasst und auch die gesellschaftliche Akzeptanz Schritt für Schritt aufgebaut werden. Für das emissionsfreie Fahren hingegen gilt es, die dafür notwendige Strom- und Wasserstoffversorgung sicherzustellen, denn alternative Antriebe brauchen klarerweise auch alternative Infrastrukturen.

Zentrale Produktionsstätte des FUSO Canter in Europa Werk Tramagal feiert 50jähriges Jubiläum (Copyright Daimler)

Wo befinden sich die wichtigsten Forschungszentren von Mercedes-Benz und wie viele Menschen arbeiten dort ungefähr?

Die Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung haben insgesamt 22 Standorte in 10 Ländern. Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wir sprechen da von rund 10.800 Personen – arbeiten in den deutschen Forschungs- und Entwicklungszentren in Berlin, Böblingen, Sindelfingen, Stuttgart und Ulm/Nabern. Ausländische Schwerpunkte liegen in Indien, China und Nordamerika. Im November 2013 haben wir ein neues amerikanisches R&D Headquarter in Sunnyvale in Kalifornien eröffnet. Geforscht wird dort unter anderem an künftigen Premium-Infotainment- und Telematiklösungen. Weltweit sind rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Konzernforschung und Entwicklung von Daimler beschäftigt.

Flottenverbrauch von Mercedes-Benz Cars sinkt auf 134 g CO2km – Effizienz Bestwerte in allen Klassen (Copyright Daimler)

Stichwort Energie bzw. Ressourcenknappheit: Womit werden die Autos der Zukunft angetrieben? Strom? Wasserstoff? Brennstoffzelle? Was bedeutet das für Mercedes Benz?

Wir sind davon überzeugt, dass zukünftig verschiedene Antriebstechnologien auf den Straßen nebeneinander existieren werden. Welche Wahl die Kundinnen und Kunden letztendlich treffen, wird sehr stark davon abhängen, wie und wofür sie ihre Fahrzeuge jeweils nutzen. Bewegen sie sich hauptsächlich in der Stadt oder in Ballungsräumen, ist ein Elektroauto mit Batterie die ideale Wahl, für Langstreckenfahrten dagegen sind Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle wegen ihrer hohen Reichweiten und kurzer Betankungszeiten am besten geeignet. Die Technologien werden also keineswegs zueinander in Konkurrenz stehen. Und für uns ist klar, dass wir maßgeschneiderte Lösungen für eine nachhaltige Individualmobilität anbieten wollen und werden, die all diesen unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden.

Mercedes-Benz S 500: PLUG-IN HYBRID (Copyright Daimler)

Die Mobilität der Zukunft wird also vielschichtiger – braucht es da auch neue Allianzen? Zum Beispiel Kooperationen zwischen Automobilherstellern, Städteplanern, Behörden, Energielieferanten, der Telekommunikation, etc.?

Vor allem um die Wachstumschancen außerhalb unserer traditionellen Märkte und Segmente zu erschließen, bauen wir immer stärker auf die Unterstützung von Partnern. Die Erfahrung eines lokalen Partners vor Ort, seine Kenntnisse der Anforderungen des Marktes beziehungsweise seine spezifischen Kompetenzen in bestimmten Segmenten sind für uns sehr wertvoll. Häufig können auch bestehende Service- und Vertriebsnetze gemeinsam genutzt werden. Und in manchen Ländern, wie zum Beispiel China, machen länderspezifische Vorschriften einen lokalen Partner notwendig, um Fahrzeuge überhaupt produzieren oder verkaufen zu können. Ein anderes Beispiel ist die Elektromobilität, die ein echtes Gemeinschaftsprojekt ist, zu dessen Erfolg alle Beteiligten gleichermaßen beitragen müssen. In Deutschland wurde deshalb die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) gegründet, ein weltweit einzigartiger Zusammenschluss aus Vertreterinnen und Vertretern aus Industrie, Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Gesellschaft. Zu den Kernthemen dieses Gremiums gehört der Aufbau einer adäquaten Ladeinfrastruktur. Ganz allgemein besteht hier Konsens darüber, dass es Kernaufgabe der Automobilhersteller ist, Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen, wohingegen Treiber der Ladeinfrastruktur Energieversorger und die Politik sind.

Carsharing mit Car2Go in Wien (Copyright Daimler)

Stichwort Car2Go: Hat das Konzept des eigenen Autos vor allem in den Ballungszentren bald ausgedient?

Wir sehen neue Mobilitätskonzepte wie Car2Go nicht als Bedrohung, sondern als Ergänzung des Autobesitzes. Der Wunsch nach dem eigenen Auto bleibt für viele nach wie vor bestehen, auch wenn Studien zufolge insbesondere für jüngere Generationen der Gebrauchswert in den Vordergrund rückt. Vor allem in Ballungsräumen gibt es bereits jetzt Bevölkerungsgruppen, die aus verschiedenen Gründen kein eigenes Auto mehr besitzen wollen, sei es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder wegen der Parkplatzknappheit in Städten. Für ebendiese Menschen kann ein innovatives Mobilitätskonzept wie car2go natürlich eine passende Alternative sein. Außerdem: Jede Fahrt im car2go ist gleichzeitig ja eine Probefahrt in einem smart fortwo. Und natürlich freuen wir uns, wenn unsere car2go Kunden unseren Marken treu bleiben, sollten sie irgendwann einmal vielleicht doch ein eigenes Auto besitzen wollen.

Müssen wir Individualverkehr und öffentlichen Verkehr bald ganz neu denken? Oder anders gefragt: Sind Initiativen wie Car2Go nun dem Individualverkehr oder dem öffentlichen Verkehr zuzurechnen?

Der Verkehr der Zukunft wird zunehmend stärker miteinander vernetzt sein. Unterstützt wird diese intelligente Vernetzung durch neue Technologien, wie dem mobilen Internet via Smartphone. Wir bewegen uns zunehmend multimodal und kombinieren verschiedene Verkehrsmittel, je nachdem welches uns gerade die beste Lösung anbietet. car2go ergänzt hier vorhandene Verkehrsmittel und ist gewissermaßen öffentlich nutzbarer Individualverkehr.

Mercedes-Benz Concept Coupé SUV – Sportliches Coupé auf höchstem Niveau (Copyright Daimler)

Wie lang wird die Liste der Dinge sein, die im Auto der Zukunft via Internet in Echtzeit abgefragt, synchronisiert, aktualisiert, etc. werden?

Nachdem wir das Internet ja schon längst erfolgreich ins Fahrzeug gebracht haben, arbeiten wir bei Mercedes-Benz nun daran, unsere Fahrzeuge zum Teil des „Internet of things“ zu machen, als eigenständige Knotenpunkte mit eigener IP-Adresse. Der Mercedes-Benz der Zukunft wird ein intelligenter, automobiler Begleiter sein, der die Wünsche, Vorlieben und Bedürfnisse der Insassen eigenständig erkennt und entsprechend agiert – Stichwort Predictive User Experience.

Braucht mein Auto dann nicht auch einen Virenschutz? Wie anfällig ist ein solches System hinsichtlich (software-)technischer Defekte, aber auch was Manipulation, Diebstahl, etc. angeht? Kann mein Auto bald gehackt werden?

Unsere Fahrzeuge sind heute schon durch diverse Sicherheitsfunktionen geschützt. So nutzen wir beispielsweise unterschiedliche domains und sichern die Übergänge zwischen den Netzsegmenten durch spezielle Gateways. Viele der ECU (Anm.: Electronic Control Unit) realisieren als embedded devices genau definierte Funktionen mit sehr hohen Anforderungen an Verfügbarkeit, Echtzeitfähigkeit und Ausfallsicherheit. Die IT-Systeme unserer Fahrzeuge sind als closed system ausgelegt. Das bedeutet, es kann nur vertrauenswürdige Software, sprich von Daimler freigegebene Software, installiert werden.

Mercedes-Pionierleistung – Autonome Langstreckenfahrt im Überland und Stadtverkehr: S-Klasse INTELLIGENT DRIVE fährt autonom auf den Spuren von Bertha Benz (Copyright Daimler)

Aus welchen Wissenschaftsdisziplinen und -Bereichen speist sich aktuell die meiste Innovation? Gibt es heute Disziplinen, die noch vor zehn Jahren im durchschnittlichen Mercedes-Forschungszentrum nicht vertreten waren?

Die größte Innovationsgeschwindigkeit geht von den digitalen Medien aus: Ein Feld wie das eben angesprochene „Advanced User Experience Design“ gab es vor zehn Jahren nicht. Auch der Ausbau unserer Forschungszentren weltweit, wie zum Beispiel in Sunnyvale mitten im Silicon Valley oder in Wachstumsmärkten wie Indien und China sind ein deutliches Zeichen für diesen Wandel.

Wie hat sich Ihre Forschung und Entwicklung selbst verändert bzw. welche Tendenzen lassen sich hier für die nahe Zukunft erahnen?

Der Grad der internen als auch extrenen Vernetzung der R&D-Bereiche steigt ständig. Eine isolierte „Do it yourself“-Haltung ist nicht mehr zeitgemäß. Gebiete wie die Algorithmik, Sensorik und Aktorik am Fahrzeug entwickeln sich mittlerweile zu Kernkompetenzen. Themen wie das autonome Fahren beschäftigen längst nicht nur Ingenieure, sondern aufgrund der damit verbundenen gesellschaftlichen oder gesetzlichen Aspekte auch Soziologinnen und Soziologen oder Juristinnen und Juristen. Und dieses crossfunktionale Arbeiten zwischen Disziplinen und Bereichen wird ohne Zweifel weiter zunehmen.

Corinna Widenmeyer ist Geschäftsführerin von Mercedes Benz Österreich. Davor hatte sie verschiedene Positionen im Produktmanagement Pkw, in der DaimlerChrysler Venture GmbH sowie im Bereich Mergers & Acquisitions inne, 2008 wechselte sie zu Mercedes-Benz Ungarn und war hier als Managing Director und Chief Financial Officer tätig. 2010 bis Anfang 2013 leitete Corinna Widenmeyer den Stab des Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG als auch des Leiters des Geschäftsfeldes Mercedes-Benz Cars.