Ars Electronica möchte dieses Jahr ein Zeichen zur Integration von beeinträchtigten Personen in die „normale“ Arbeitswelt setzen und hat deshalb gemeinsam mit FAB beschlossen, zwei Praktikanten in die Produktion des Ars Electronica Festival 2014 – passend zum Thema „C… What it Takes to Change“ – miteinzubeziehen. So, wie es ja eigentlich in den meisten Job-Ausschreibungstexten formuliert ist, richtet sich dieses Praktikum auch wirklich an Personen mit Beeinträchtigung.
Ziel ist es, durch dieses Pilotprojekt ein Feedback von beiden Seiten, sowohl von Arbeitnehmer, als auch von Arbeitgeber zu erhalten, um bei der Integration von beeinträchtigten Personen ins Berufsleben Verbesserungen und Vereinfachungen zu erzielen.
Unsere beiden Praktikanten Abdullah Karpuzco und Arber Tafilaj arbeiten nun seit 15. Juli, immer dienstags von 09:00 bis 12:00 Uhr, im Ars Electronica Festivalbüro. Mit einer besonderen WE GUIDE YOU TOUR am Ars Electronica Festival 2014, bei der die beiden maßgeblich beteiligt sind, endet das Praktikum.
Wir haben uns mit dem FAB-Betreuer unserer Praktikanten, Christian Gigl, und dem Leiter des Ars Electronica Festival, Martin Honzik, getroffen, um über diese erfolgreiche Zusammenarbeit zu sprechen.
Wie wichtig ist es beeinträchtigte Menschen in den „normalen“ Arbeitsprozess einzubeziehen?
Christian Gigl: Unserer Meinung nach ist dies eine sehr wichtige Sache, da sonst so etwas wie Inklusion nicht geschehen kann.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit FAB?
Christian Gigl: Wir wurden vor ungefähr drei Jahren, auf die Möglichkeit einer Kooperation im Rahmen des U19-CREATE YOUR WORLD Festival direkt von Ars Electronica angesprochen.
Martin Honzik: Genau. Dann begann eine Kooperation mit der BBRZ Gruppe, zu denen das FAB dazugehört. Nach ein bis zwei Jahren des sich gegenseitigen Versuchens sind wir dann vertiefend in die Strukturen des BBRZ hineingegangen und sind draufgekommen, dass es so etwas Wertvolles wie die FAB gibt. Warum das super zu uns und vor allem zu CREATE YOUR WORLD passt, ist auch ganz einfach gesagt. Es geht darum, dass man Menschen mit Einschränkungen via technologischer Hilfestellungen den Alltag erleichtert und sie im Idealfall voll integriert und sie zu voll integrierten Bürgerinnen und Bürgern macht und diese technologischen Gegebenheiten sind hier einfach vorhanden.
Christian, kannst du uns näheres zu unseren zwei Praktikanten Abdullah Karpuzco und Arber Tafilaj erzählen?
Christian Gigl: Beide sind Teilnehmer des FAB-Projektes Virtual Office, in dessen dreijährigen Kursverlauf eine EDV-Qualifikation für den Arbeitsmarkt erfolgt.
Welche Tätigkeiten haben unsere zwei Praktikanten übernommen?
Martin Honzik: Das ist mannigfach gewesen. Natürlich ist es so, wenn man sich auf so eine Situation einlässt, ist es für beide Seiten sehr spannend, weil unser System, das System von Ars Electronica, extrem nach Effizienz, gutem Management und guter Strukturiertheit ausgerichtet ist und das Ganze natürlich eigentlich auf technologischen Interfaces für Menschen ohne Einschränkungen ausgerichtet ist. Vor dem Hintergrund war es gar nicht so leicht Tätigkeiten zu finden, die da einfach genau passen würden. Es hat sich letztlich dann auf unsere Zentralorganisation konzentriert. Das ist die Organisation, die als erste den Weg zum Ars Electronica Festival einleitet und beschreitet. Vor dem Hintergrund waren es administrative Tätigkeiten.
Christian Gigl: Im Prinzip können beeinträchtigte Personen dieselben Tätigkeiten wie von sogenannten nicht beeinträchtigten Menschen übernehmen.
Martin, wie war die Zusammenarbeit mit den beiden?
Martin Honzik: Es hat herausragend funktioniert. Es ist, glaube ich, für beide Seiten eine Win-win-Situation gewesen. Also wenn ich unsere zwei Praktikanten angesehen habe, mit welcher Körperhaltung sie bei uns aufgetreten sind… Das war super! Es ist definitiv so, dass sie als vollintegrierte Mitarbeiter mit konkreten Aufgaben ausgestattet, eine andere Körperhaltung, einfach eine andere Attitude, einen anderen Stolz an den Tag gelegt haben. Auch von der anderen Seite ist es so, dass man sich einfach dessen bewusst wird, dass es andere Lebenswelten in dieser uns allen gehörenden Welt gibt und dass man sich, um Ziele zu erreichen einfach auf andere Lebenswelten einlassen muss. In dem Sinn, dass es einfach über den normalen Erklärungsraum hinausgehen muss, um speziell die Menschen, die die gleiche Welt mit ganz anderen Augen sehen, weil sie andere Hindernisse, andere Möglichkeiten, andere Herausforderungen im Alltag haben zu verstehen. Die Menschen haben eine andere Sprache mit einem anderen Bedeutungshintergrund und es ist extrem spannend sich mit dem auseinanderzusetzen.
Das wird auch am Ars Electronica Festival 2014 bei einer WE GUIDE YOU TOUR aufgegriffen. Was ist hier geplant?
Martin Honzik: Genau. Da geht es schlichtweg darum, dass wir den Kolleginnen und Kollegen von der FAB, die Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sind, die Aufgabe stellen unser Festival anzuschauen, zu explorieren, uns dann einen Augenzeugenbericht zu geben und das Ganze in einer Führung zu wiederholen. Wir machen das mit vollstem Bewusstsein dem Gegenüber, dass selbst wir jetzt in diesem Jahr Orte besuchen, die nicht für das was wir machen ausgerichtet und ausgestattet sind. Das heißt Barrierefreiheit ist zwar gegeben, es ist aber bei genauerer Betrachtung und bei allem Bewusstsein unsererseits so, dass es die ein oder andere Hürde auf improvisatorischer Seite zu überwinden gilt. Das heißt wir stellen uns da mit vollem Bewusstsein ganz vorne hin und wollen einfach daraus lernen. Im Wissen, dass das, was wir speziell für eingeschränkte Personen vorbereitet haben nicht hundertprozentig barrierefrei ist und sein wird.
Christian, ist es auch für andere Unternehmen möglich mit FAB zusammenzuarbeiten?
Christian Gigl: Natürlich bestehen diese Möglichkeiten. Viele Unternehmen scheuen sich aber davor. Vielleicht weil sie Angst vor dem Unbekannten haben.
Martin, was würdest du anderen Unternehmen raten, die das auch in Betracht ziehen?
Martin Honzik: Ich würde auf jeden Fall Jeder und Jedem und jeder Institution dazu raten das auch so zu machen. Was man auf jeden Fall dazu sagen muss ist, dass einem durch die Entscheidung dafür oder dagegen, einfach klar wird, dass das Ganze auf einer anderen Werteebene zu betrachten ist. Auch wenn das Ziel sein muss, dass Menschen mit Beeinträchtigung so integrierbar sind, dass die normalen Prozesse und Abläufe nicht an Effizienz, Genauigkeit oder Geschwindigkeit verlieren, weil es klar ist, dass die Minderheit in den Schwarm der Mehrheit hineinblickt und sozusagen die Perspektive von der Mehrheit aus gegeben ist. Es ist so ähnlich wie beim diesjährigen Festivalthema Change, also Veränderung. Wir holen wirklich aus allen anderen Expertenbereichen Leute rein und lassen uns durch deren Weltbilder inspirieren und nichts anderes ist das auch. Wenn man mit den Betreuerinnen und Betreuern über eine Typus-Beschreibung der beeinträchtigten Personen spricht, dann sagen sie, dass sie zu den ehrgeizigsten Menschen gehören, die ihnen jemals untergekommen sind. Man braucht dann nur eins und eins zusammenzuzählen, dann kommt man sofort auf den Punkt, wenn man eigentlich von vorneherein in einer Minderheit aufwächst, dann muss man sich ganz anders auf die Füße stellen, um sich durchzusetzen. Wenn dann Eine oder Einer die Chance bekommt sich zu integrieren, dann ist die Attitude, wie die von einer Spitzensportlerin oder eines Spitzensportlers. Das hängt dann aber natürlich auch mit allen Konsequenzen, wie beispielsweise Egoismus, zusammen. Mit dem muss man dann auch rechnen.