Mit „Fake History“-Maschinen nach vorne blicken

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Foto: Vincent Ip

Ein Fahrrad in einer Medienkunst-Ausstellung? Scott Hessels, der Erschaffer des „Lenticular Bicycle“, das derzeit Teil der Ausstellung Device Art im Ars Electronica Center ist, hat viele Geschichten zu erzählen. Aber es ist vor allem das Fahrrad selbst, das uns über unseren zukünftigen Energieverbrauch nachdenken lässt indem wir auf eine „Fake History“, auf eine fingierte Geschichte, zurückblicken.

Hier in der Ausstellung „Device Art“ zeigen Sie das „Lenticular Bicycle“ – was hat es damit auf sich?

Scott Hessels: Es ist ein Fahrrad, das zu einer mobilen Kino-Maschine umgebaut wurde. Das „Lenticular Bicycle“ ist Teil der Serie „Sustainable Cinema“, die aus fünf kinetischen Skulpturen besteht, die ich gemacht habe. Sie alle nutzen natürliche Energie wie Wind oder Wasser, um eine optische Illusion zu erzeugen, dass man meint, das wäre der Beginn des Kinos. Wenn man etwas in die Vergangenheit der Geschichte des bewegten Bildes geht, sieht man, dass Filmstreifen aus Rinderknochen, Zellstoff und pulverisierten Mineralien hergestellt wurden. Die „Bildschirme“ waren aus Seide, und noch früher bestanden sie aus Tierhäuten und Holzfasern. Das Kino entstand also eigentlich mit organischer natürlicher Energie. Dann folgten das Industriezeitalter sowie das digitale Zeitalter und die Nutzung der Natur verschwand. Also dachte ich: Was wäre mit dem Kino geschehen, wenn es sich von diesem Ursprung weiterentwickelt hätte? Diese Maschinen sind „Fake History“-Maschinen – als ob man sagen könnte: „Ich erinnere mich noch genau als Filme auf Fahrrädern abgespielt wurden.“

Man kann auf diese Fake History zurückblicken, um besser über umweltverträglichere und verantwortungsvollere Wege von Energie und neuen Geräten nachdenken zu können. Zurückblicken ist immer ein Weg, um nach vorne zu schauen.

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Sie erzählen mit Ihrem Kunstwerk aber auch Geschichten…

Scott Hessels: Dieses Fahrrad wurde eigentlich in einer Hintergasse in Schanghai hergestellt, gemeinsam mit lokalen Metallarbeitern und wir kauften die alten Teile des Fahrrads von Schrottplätzen. Die Animation ist linsenförmig, was auch sehr kostengünstig ist. Und alles dreht sich um die Geschichte von Dingen, die Menschen mit sich in ihrem Leben herumtragen. Sie wissen, the elektronischen Dinge, das Einkaufen, als ob das Fahrrad in einer bestimmten Art uns auslachen würde. Aber wenn man auf die zylindrische Projektionsfläche schaut, sieht man ein kleines Mädchen, das sich von ihrer Last befreit. Das Fahrrad ist sehr einfach gebaut und ist funktionstüchtig. Wir betreiben es hier mit einem elektrischen Antrieb, aber man könnte aufsteigen, in die Pedale treten und es würde sich dadurch selbst drehen.

Foto: Tom Mesic

Warum haben Sie sich für ein Fahrrad als Objekt für Ihre Medienkunst entschieden?

Scott Hessels: Alle Fahrräder aus Südostasien sind umgebaut in mobile Geschäfte und es geht hier um den Übergang, kein Geschäft oder keine Fassade mehr an einem Ort zu haben. Man rüstet ein Fahrrad um. Mir gefiel der Gedanke wirklich sehr. Die Schaltungen und so weiter, sie sind alle grob, aber es liegt ihnen eine so nette Qualität zugrunde. Device Art ist immer sehr verspielt – hier wird die Maschine zur Botschaft.

Und KünstlerInnen sind immer rebellisch. Man kann rebellieren mit Inhalt, in dem, was man sagt, oder man kann rebellieren in der Form, wie man etwas sagt.

Wenn Sie durch die Ausstellung „Device Art“ blicken, geht es überall um die Rebellion der Form. Alltagsgegenstände werden umgekehrt, sodass man auf sie in einem völlig anderen sozialen Verhältnis auf sie blickt. Hier haben wir ein gewöhnliches Fahrrad, aber es hilft ihnen dabei, über Energiesysteme und die Geschichte des Kinos nachzudenken.

Foto: Tom Mesic

Sie bezeichnen sich selbst als Bildhauer, Medienkünstler und Filmschaffender. An was arbeiten Sie gerade?

Scott Hessels: Ich betreibe das Programm „Extreme Environments“ an der School of Creative Media in Hongkong. Letztes Jahr im Dezember startete ein Team an StudentInnen der City University of Hong Kong in die Antarktis, um dort im Rahmen einer Forschungsexpedition rund um Kunst und Wissenschaft neue Wege zu finden, den Klimawandel besser zu verstehen. Dieses Programm führte die StudentInnen in gefährdete Ökosysteme – wir verwendeten Sensoren, um die Umgebung zu messen bzw. zu „lesen“ – und sie kamen zurück mit einer Fülle an Daten, angefangen von Bildern, Videos bis hin zu wissenschaftlichen Datensätzen, die sie schließlich in neue Medienkunstprojekte einfließen ließen. Es ist ein sehr erfolgreiches Programm in Hongkong und es geht vor allem darüber, die Umwelt als Energiequelle für Medienkunst zu nutzen.

Die Ausstellung „Device Art“ im Ars Electronica Center ist noch bis Mitte 2015 zu sehen.

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