Dietmar Offenhuber, Ursula Feuersinger und Anita Brunnauer (v.l.n.r.), Fotocredits: Magdalena Leitner
„In/Visible City“ lautet das Jahresthema 2015 des Kulturprojekts Connecting Cities. Anita Brunnauer, Dietmar Offenhuber und Ursula Feuersinger produzieren im Rahmen von künstlerischen Residencies im Ars Electronica Futurelab Kunstprojekte, die auf der interaktiven LED Fassade des Ars Electronica Centers verwirklicht werden. Darüber hinaus werden die Projekte am sound:frame Festival in Wien präsentiert und im Rahmen der beim Ars Electronica Festival 2015 stattfindenden Connecting Cities Konferenz gezeigt.
Im Interview verraten uns die drei, worum es sich bei ihren Kunstprojekten handelt und wie man überhaupt etwas Unsichtbares sichtbar machen kann.
Dietmar Offenhuber, Ursula Feuersinger und Anita Brunnauer (v.l.n.r.)
Jede der drei im Connecting Cities Netzwerk teilnehmenden Institutionen legt einen anderen Fokus auf das Jahresthema “In/Visible City”. In der Ars Electronica ist der Fokus vor allem auf die Sichtbarmachung des Unsichtbaren. Wie kann man etwas Unsichtbares sichtbar machen und was könnte das beispielsweise sein?
Anita Brunnauer: Ich finde, dass man Emotionen, die ja eigentlich unsichtbar sind, gut sichtbar machen kann. Audio-visuell kann man das beispielsweise sehr gut transportieren.
Ursula Feuersinger: Unsichtbar oder auch teilweise undurchsichtig erscheinen mir auch viele digitale Informationen, die in unserer Welt herumschwirren. Das sind nicht nur kalte unpersönliche Daten ohne Verwendungsgeschichten. Sie können zum Beispiel auch unser Zusammenleben oder das soziale Gefüge einer Stadt näher beschreiben. Das kann man dann in vereinfachter Form sichtbar machen. Auch Töne, Sounds und Klänge kann man gut visualisieren.
Dietmar Offenhuber: Ich glaube, die Frage „Was ist unsichtbar?“ ist an sich schon sehr interessant, weil unsichtbar kann ja etwas Verschiedenes bedeuten. Einerseits sind bestimmte Sachen tatsächlich unsichtbar, weil beispielsweise Rohre unter Straßen vergraben und somit nicht sichtbar sind oder etwas so groß und so komplex ist, dass man es gar nicht beobachten kann von einem gewissen Standpunkt aus. Dinge können auch unsichtbar sein, weil sie abstrakt sind, wie eben beispielsweise Daten. Bruno Latour hat ja zum Beispiel gesagt, „die Stadt an sich ist unsichtbar“, weil man die Stadt als Objekt nie wahrnehmen kann. Sie hat so viele Facetten und egal worauf man schaut, verstellt man sich den Blick auf andere Dinge. Ich denke, die interessantesten unsichtbaren Dinge sind einfach die Gewohnheiten der Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt. Menschen machen verschiedene Dinge einfach automatisiert und nehmen diese in ihrem täglichen Leben gar nicht mehr wahr. Das betrifft natürlich auch sehr viele Infrastrukturen und verschiedene Elemente einer Stadt, die unser tägliches Leben bestimmen. Hier kann Kunst ein interessantes Irritationsmoment liefern, um aus diesen gewohnten Pfaden herausgerissen zu werden.
Ihr habt alle sehr unterschiedliche Projekte. Anita, dein Projekt heißt blindage. Das ist das französische Wort für Abschirmung. Dabei geht es um die Grenze zwischen Preisgabe und Verhüllung von Daten und als visuelle Metapher setzt du die Maske ein…
Anita Brunnauer: Genau, eine Maske bedeutet ja Abschirmung. Ich habe das Gefühl, dass wir uns täglich, zum Beispiel auf Social Media Kanälen, Masken aufsetzen. Das, was wir nach Außen preisgeben, spiegelt selten das wieder, wie wir uns wirklich fühlen. Ich denke auch, dass die LED Fassade des Ars Electronica Centers so eine Art Maske sein kann, indem durch diese schöne Außenhülle verschleiert wird, wie es den Menschen darin geht. Das ist einfach eine Parallele und ich bespiele das Thema Masken auf einer Fassade. Das ist irgendwie eine gewisse Synergie.
Weißt du bereits, wie das auf der LED Fassade schlussendlich dargestellt wird?
Anita Brunnauer: Ja, ich produziere ein High Resolution Footage (Anm.: Footage ist ein ungeschnittener Film), das dramaturgisch in drei Kapitel aufgebaut ist. Jedes Kapitel stellt dabei einen eigenen Abschnitt dar. Beim ersten Kapitel geht es um das Zusammenspiel von Mensch und Natur, im zweiten Kapitel geht es um den Kampf eines Tieres, das sich an die Gesellschaft anpasst und im dritten Kapitel geht es dann um den Gesichtsverlust im digitalen Zeitalter. Auf der Fassade arbeite ich extrem organisch, was ja eigentlich komplett gegen das Prinzip der Beleuchtung der LED Fassade des Ars Electronica Centers ist, weil diese normalerweise geometrisch aufgebaut ist. Ich arbeite auch sehr minimalistisch und versuche so im ersten Kapitel mit analog gebastelten Pflanzenmasken die Fassade organisch werden zu lassen, wenn man durch die Masken blickt. Im zweiten Kapitel ist es auch so und im dritten Kapitel zeige ich Mikroskop-Aufnahmen auf der Fassade, indem ich versuche ein Objekt extrem vergrößert auf der riesigen Fläche der Fassade darzustellen. Das ist wiederum eine Metapher für das Verhüllen mit einer Maske, weil eigentlich keiner wissen wird, was das eigentlich ist, was er sich da ansieht, weil es so stark vergrößert ist.
Dietmar, worum geht es in deinem Projekt?
Dietmar Offenhuber: Mein Projekt ist eigentlich sehr simpel. Ich bringe Beschwerden, die bei der Stadt eintreffen, auf die LED Fassade und visualisiere so, worüber sich Leute im öffentlichen Raum beschweren. Ich finde das sehr interessant, weil es inzwischen ja sehr viele verschiedene Systeme gibt, die solche Beschwerden auf einer Webseite veröffentlichen. Aber ich denke, es ist etwas anderes, wenn es direkt in den Stadtraum wieder zurückgespielt wird. Es entwickelt dann so eine gewisse Dynamik. Leute, die eine Beschwerde einschicken, sind sich bewusst, dass das sofort für Jeden und Jede im Stadtraum sichtbar ist. Mich interessiert hier einfach diese soziale Dynamik, die aus diesem Verhältnis zwischen den einzelnen Bürgerinnen und Bürger und der Stadtverwaltung entsteht.
Ich finde es aber auch auf der ästhetischen Seite sehr interessant, weil die Stadt ja eigentlich immer in Bewegung und nie in einem perfekten Zustand ist.
Es ist nie alles aufgeräumt, instandgehalten oder repariert und es gibt eigentlich keine Aussicht darauf, dass das irgendwann so sein wird. Es geht immer so weiter und ist immer etwas Imperfektes.
Was, glaubst du, ändert sich, wenn die Beschwerden sichtbar sind?
Dietmar Offenhuber: Ja, das ist die Frage! Auf der einen Seite ist es natürlich schon ein Unterschied, wenn ich eine Beschwerde oder positiv gesprochen eine Idee an die Stadt schicke, bin ich mir nicht sicher, ob das dort ankommt oder ob das überhaupt jemand liest, weil ich ja kein Feedback dazu bekomme. Auf der anderen Seite gibt es ein zweites Szenario, bei dem ich eine Beschwerde losschicke und dann ein persönliches Feedback von einem bestimmten Beamten bekomme, der sich darum kümmert und dann gibt es noch ein drittes Szenario, bei dem die ganze Stadt meine Beschwerde oder meine Idee sehen kann. Im dritten Szenario würde ich wahrscheinlich überlegen, welche Ausdrucksweise ich verwende. Je sichtbarer mein Anliegen ist, umso bewusster muss mir sein, dass das irgendwie ein öffentlicher Diskurs ist und ich eine andere Sprache verwenden muss und von meinen persönlichen Wünschen oder persönlichen Problemen mit der Stadt vielleicht stärker auf das Allgemeinwohl eingehe. Schön wäre es, wenn sich dadurch vielleicht ein gewisses Bewusstsein entwickelt.
Ursula, in deinem Projekt möchtest du die kollektiven Informationen einer Stadt in einem digitalen Querschnitt repräsentieren…
Ursula Feuersinger: Mein Projekt heißt Deep City. Dabei behaupte ich, dass unter der Stadt verschiedenen Schichten liegen, die man auf den ersten Blick nicht sofort sehen kann. In diesen Schichten finden sich dann Informationen, die unser Zusammenleben und dessen Bedingungen näher beschreiben. Dabei hat mich beispielsweise interessiert, wie dicht Menschen aneinander leben, wie sie sich fortbewegen, wie sich das anhört oder auch wie viele Grünflächen in einer Stadt verfügbar sind. Die Besucherinnen und Besucher können dann mit Hilfe einer Kurbel diese Informationen sozusagen „extrahieren“ und an die Oberfläche bzw. auf die Fassade bringen. Mit einem zweiten Interaktionselement – einem Würfel – kann man dann den Content auch horizontal drehen. Dabei wird jede Seite des Cubes für eine andere Stadt stehen. So wird ein internationaler Vergleich möglich und Linz kann sich zum Beispiel mit New York messen.
Möchtest du mit deinem Projekt auch erreichen, dass die Bevölkerung ein bisschen umdenkt?
Ursula Feuersinger: Ja doch. Es geht mir in meinem Projekt aber auch darum, dass die Leute nicht nur passiv mit Daten konfrontiert werden, sondern, dass sie selbst Teil des Ganzen, Teil der Stadt und auch Teil von „Big Data“ sind. Es sind ja eigentlich ihre eigenen Informationen, die sie erst einmal „heben“ müssen, um sie dann in einem größeren Zusammenhang zu sehen.
Anita Brunnauer alias nita. lebt und arbeitet in Wien als selbstständige Grafikdesignerin. zuvor Studium Multimedia Art an der Fachhochschule Salzburg mit dem Schwerpunkt Mediendesign, während der Studienzeit Praktikum bei nitrocorpz™ in Goiânia/Brasilien, später Artdirektorin für servus tv. Anfang 2014 folgte die Gründung von nita. Studio für visuelle Gestaltung. nita. ist Mitglied des sound:frame AV Labels, sowie seit Beginn der stille duzz down san records graphic ghost. Der visuelle Stil lässt sich als konstanter Wandel zwischen Tagtraum und Nachtwache, Oberfläche und Tiefgang beschreiben. ein visueller Seiltanz zwischen Kitsch und Melancholie. Entführung in einen surrealen Bilderwald, dort wo Tiere mutieren & vergessene ahnen auf Blätter gebettet werden.
[bio img_src=“https://ars.electronica.art/aeblog/files/2015/03/Dietmar_120x120.jpg“ alt_img=“Dietmar Offenhuber“] Dietmar Offenhuber ist Assistant Professor für Art + Design und Public Policy an der Northeastern University in Boston. Er promovierte in Stadtplanung am Massachusetts Institute of Technology, studierte am MIT Medialab und der TU Wien. Dietmar beschäftigt sich mit formeller und informeller Infrastruktur und hat mehrere Bücher im Bereich Stadt und Technologie veröffentlicht.[/bio]
Ursula Feuersinger ist Grafik- und Video Designerin aus Wien, Österreich. Nach dem Studium Informations-Design im Major Media & Interaction Design, arbeitete sie als Video Designerin in Berlin und produziert Bühnenprojektionen für Theaterstücke. 2007 zog sie nach Wien, wo sie seither als Visualistin, Ausstellungs- , Brand- , Web-, Print- und Video-Designerin tätig ist. Mit dem sound:frame Festival kollaboriert sie seit 2008; und ihre Videoarbeiten wurden in Shanghai, Melbourne, Genf, Moskau und Triest präsentiert. 2013 gründete Sie ihre eigenes Grafk und Motion Design Studio.
Die erste Präsentation der Ergebnisse findet am 4. April um 21 Uhr auf der Ars Electronica Fassade statt und im Rahmen der Eröffnung des sound:frame Festivals am 9. April werden die Projekte um 21:45 Uhr noch einmal vorgestellt.