Um der Seele des universitären Organismus Leben einzuhauchen, brauchte es die Erschaffung eines fiktiven Charakters. Die virtuelle Gestalt mit dem Namen „Soul of the Cube“ erscheint nun nach einjähriger Projektarbeit auf dem High-End Display „The Cube“, im neuen Science and Engineering Center der Queensland University of Technology (QUT). Der Herausforderung, das bis dahin zu rein didaktischen Zwecken verwendete Interaktions-Display künstlerisch zu nutzen, stellte sich Peter Holzkorn, Projektleiter beim Ars Electronica Futurelab. Im Interview verriet er, welche Probleme es bei der Geburt des virtuellen Wesens gab und was der Blick in die Seele eines Campus verrät.
„Soul of the Cube“ klingt nach dem Titel eines Sci-Fi-Kinofilms. Wie verhält sich dieser fantastisch anmutende Projektname zur Realität?
Peter Holzkorn: Insofern, dass der fiktive Charakter auf einem der weltweit größten digitalen interaktiven Lern- und Darstellungs-Displays erscheint, handelt es sich um ganz großes Kino. Allerdings lebt diese Gestalt von harten Fakten. Lediglich die Darstellung des Organismus scheint fantastisch. Ursprung der Idee zum Projekt „Soul of the Cube“ war eine technisch verbesserte und künstlerisch ansprechende Anwendung von „The Cube“. Insofern ist der Gedanke einer Fortsetzung wie bei einem Filmtitel gar nicht so verkehrt. Die Auslegung der Rieseninfrastruktur, mit einer von 12 Rechnern gesteuerten Oberfläche auf der Innenseite und mit einer auf vier Bereiche gesplitteten und von jeweils bis zu 7 Rechnern gesteuerten Außenseite, war ursprünglich primär didaktisch. So konnten die Besucher des Science and Engineering Centers verschiedene Anwendungen nutzen, um wissenschaftliche Inhalte optisch reizvoll zu visualisieren.
Die Idee zu einer künstlerischen und spielerischen Nutzung basiert auf der Absicht, die Wahrnehmung von Daten mittels einer alternativen Darstellung zu verändern. Mit anderen Worten ist das Sammeln und Verknüpfen von Daten zur Erschaffung des fiktiven Wesens, das wir als „The Soul“ bezeichnen, ein Mittel zum schöpferischen Zweck. Während das Ars Electronica Futurelab mit der Visualisierung beauftragt war, kümmerte sich die QUT um eine technisch bessere Performanz der getrennt voneinander laufenden Applikationen.
Peter Holzkorn, Horst Hörtner und Michael Platz vom Ars Electronica Futurelab vor „The Cube“ im australischen Brisbane, Credit: Sonja de Sterke
Was waren die einzelnen Herausforderungen, sowohl auf technischer als auch künstlerischer Seite?
Peter Holzkorn: Da die Applikationen im Tagesbetrieb manuell gestoppt und gestartet wurden, gab es oft ein schwarzes Bild auf den Displays. Neben den Aufgaben der Ablaufplanung (Scheduling) und des reibungslosen Übergangs von Start- und Stopp-Phasen der Applikationen (Transition) übernahm die QUT die Anwendungsentwicklung. Diese sollte so ausgelegt sein, dass verschiedene Entwickler einen einfachen Zugang zur Programmierung haben. Weil man beim QUT festgestellt hat, dass die Mehrheit der Resident Artists bereits mit der Game Engine „Unity“ arbeitet, war der Anreiz ein Unity-Framework zu nutzen gegeben. So schrieb man für die grafische Entwicklungsumgebung eigens ein Plug In.
„Mit dem Erweitern einer Game Engine, die normalerweise auf Multiplayer Games ausgerichtet ist, bewerkstelligte die QUT eine schnelle Interaktion zwischen den Rechnern und meisterte die Herausforderung der Bildschirm-Synchronisation.“
Da der fiktive Charakter zur Harmonisierung der Übergänge zwischen Start und Stopp der Anwendungen in Erscheinung tritt, war es die Aufgabe des Futurelabs, Daten zu finden und zu mappen, die ihm eine Seele einhauchen, und dem Wesen je nach Befindlichkeit eine Gestalt geben. Mit anderen Worten suchten wir basierend auf verschiedenen Daten nach möglichen Stimmungsmustern, die sich aus dem Verhalten der Campusbesucher ableiten lassen. Soweit die Herausforderung.
Welcher Datenquellen habt ihr Euch bedient und warum?
Peter Holzkorn: Prinzipiell haben wir uns zweier Datenpools bedient, die sich für die Verknüpfung von Verhaltensmustern anboten: Da das Gebäude des neuen Science and Engineering Centers vom Verbrauch her ganz auf Nachhaltigkeit gerüstet ist, ergeben sich aus den Verbrauchsdaten Rückschlüsse auf die Betriebsamkeit der Campusbesucher. So sind Angaben über Wasser-, Gas- oder auch Energieverbrauch ein Indikator für die Motivation der Verbraucher.
Die zweite große Datenquelle, die wir zur Generierung eines Befindlichkeitsprofils herangezogen haben ist die ePrints Datenbank. Darin sind ca. 72.000 Forschungsveröffentlichungen enthalten, auf die minütlich zugegriffen und von denen unterschiedlich viel runter geladen wird. Diese Zugriffe geben Auskunft über das Department, welches runterlädt, also über den Akteur und über die Wichtigkeit eines Dokuments, je nachdem wie oft auf dieses zugegriffen wird. Aber auch über das unterschiedliche Interesse an bestimmten Themen. Der nächste Schritt galt dem Finden einer Metapher zur Simulation eines Wesens, das je nach Mapping der Verhaltensmuster seine Form und Farbigkeit ändert.
Credit: QUT Cube Studio
Wie kam es dann letztendlich zu der Gestalt, die „The Soul of the Cube“ als virtuelles Wesen ist?
Peter Holzkorn: Wir haben uns nach mehreren visuellen Ansätzen für eine organische Textil-Struktur entschieden. Das Skelett, das dem Wesen Struktur gibt, resultiert aus der Vernetzung der Daten aus dem Research Network, wie zum Beispiel Autor, Fakultät, Unterabteilung, etc. Die bereits vordefinierten Stimmungsparameter werden durch die Intensität des Datenflusses aus den Verbrauchsdaten dargestellt. Das heißt je mehr von einer Ressource verbraucht wird, ist die Bewegungen intensiver und je nachdem was verbraucht wird, die Farbintensität stärker oder schwächer.
Das so genannte Mood Mapping ist eine angenommene Korrelation zwischen Datenstrom und vordefinierten Stimmungsparametern wie „Lebendigkeit“, „Nervosität“ und „Aufmerksamkeit“. So steht die Häufigkeit eines Systemstarts in einem direkten Zusammenhang zur Gefühlslage des kollektiven Campus. Inspirationsquelle zu dem Ansatz ist zum Beispiel die Kunstinstallation „ZeitRaum“ am neuen Terminal des Flughafen Wien, wo man eine sich veränderte Landschaft aus einem Mapping von Abflug- und Ankunftszeiten mit Flugzielen generiert hat.
Studentinnen arbeiten mit den Touchscreens des „Cubes“, Credit: QUT
Wie wurden die Touchscreens, die von den Besuchern zu spielerischen und edukativen Zwecken benutzt werden, in das Konzept des virtuellen Wesens integriert?
Peter Holzkorn: Das war ein Diskussionspunkt, der wegen der Konzeption, so wie ich sie beschrieben habe, schwer unterzubringen war. Letztendlich haben wir uns dazu entschieden, dass die Besucher, in der Zeit wo „die Seele“ erscheint, auf ihren Zustand einen geringfügigen Einfluss ausüben können. Da ihr Skelett durch Knotenpunke konstituiert wird, erscheinen bei Berühren des Touchscreens solche so genannte „Nodes“, die in den Organismus aufgenommen werden. Damit simulieren wir ein gewisses Eigenleben der Seele. Die Art der Berührung steht aber nicht im Zusammenhang mit der Stimmungslage des Campus, denn zwischen Klopfen und Streicheln des Touchscreens erkennt „die Seele“ keinen Unterschied. Wenn es ihr zu viel wird, reagiert sie unter Umständen gar nicht, aber auch dieses Verhalten kennen wir ja von uns selbst.
Peter Holzkorn ist Researcher/Artist im Ars Electronica Futurelab. Er studierte Informatik und interaktive Kunst in Wien und New York, bevor er 2011 dem Futurelab beitrat. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen Design und Entwicklung von Softwaresystemen für verteilte Sound- und Grafikanwendungen, Sensorsysteme und datengetriebene, generative Inhalte. Zu den Projekten, an denen er beteiligt war, zählen großräumige Medienkunst-Installationen (ZeitRaum), UAV-Schwarmkontrollsysteme (Spaxels), experimentelle Audio Games (Audioversum) und datengetriebene Kunst (Soul of the Cube). Zudem koordiniert er Aktivitäten im Rahmen der Ars Electronica Futurelab Academy, einem Programmframework für Wissenstransfer mit Universitäten und Organisationen in verwandten Forschungsfeldern.