Seit zehn Jahren vergibt die Internet Foundation Austria (IPA) – zu der übrigens auch die österreichische Domain-Registrierungsstelle nic.at zählt – mit ihrer „netidee“ Fördergelder an Einzelpersonen als auch an Universitäten und Unternehmen in Österreich. Damit soll unter anderem die vielseitige Nutzung des Internets gefördert werden. Seit 2005 floss bereits eine beachtliche Summe von insgesamt etwa sechs Millionen Euro in vielversprechende Internet-Projekte. Nun stehen auch die GewinnerInnen des Jahres 2015 fest – Grund genug, um mit dem Vorstand von netidee, Ernst Langmantel, über die eingereichten Ideen zu reden und einzelne davon kurz vorzustellen.
Wenn Sie auf die eingereichten Projekte blicken, erkennen Sie einen Trend, wonach derzeit nach Lösungen gesucht wird?
Ernst Langmantel: Wir hatten insgesamt 157 Förderanträge. Durch die Sonderpreise für die beste Einreichung zu den Themen „Internet & Umwelt“ sowie „Open Science“ gab es durchaus beabsichtigte Schwerpunkte in diesen Bereichen. Insgesamt aber ist derzeit Internet of Things (IoT) in verschiedenen Ausprägungen sehr prominent vertreten, dann folgen Themen wie Privacy und Gamification. Aber auch ganz neue Ansätze haben wir bewusst angeregt und spielen eine starke Rolle. Und ganz wichtig, die Ergebnisse unserer geförderten Projekte sind Open Source und stehen der Allgemeinheit zur Nutzung und Weiterentwicklung zur Verfügung.
Credit: data.offenerhaushalt.at
Können Sie uns ein paar Beispiele nennen, welche Projekte in diesem Jahr über netidee gefördert werden?
Ernst Langmantel: Gerne, beginnen wir gleich mit einem sehr spannenden Technologieprojekt: „BitPocket – Tools for the Bitcoin“ soll Bitcoin-Zahlungen für jedes Unternehmen einfach zugänglich machen. „Macchina.io“ ist eine Open-Source-Software-Entwicklungsplattform für Internet-of-Things-Gateways und Devices. Zivilgesellschaftliche Projekte sind unter anderem „MEHR!Medientransparenz“, das dem Medientransparenzgesetz durch Vernetzung bestehender öffentlicher Datensätze Leben einhauchen will. Oder „data.offenerhaushalt.at“, in dem Finanzdaten von über 800 Gemeinden, die mit einer Vielzahl von Auswertungen und Verknüpfungen untersucht werden können, bereit gestellt und auch in einem internationalen Datenformat beschrieben werden, damit auch eine Verknüpfung mit anderen Datenportalen möglich ist.
Medienkompetenz steht im Mittelpunkt eines Filmprojekts zu „Cybermobbing“ und bei „SICHER SOCIAL“, das den sicheren Umgang mit sozialen Medien mit Fokus auf Jugendliche zum Inhalt hat. Das Thema Open Science wird vom Projekt „Forschung: Raus aus dem Elfenbeinturm“ promotet, „Open Sheet Music Display“ stellt eine JavaScript-Bibliothek fĂĽr digitale Musiknotenanzeige im Browser zur VerfĂĽgung. UCIT-Urban Change in Time, das Nachfolgeprojekt eines frĂĽheren netidee-Stipendiums fĂĽr wissenschaftliche Abschlussarbeiten stellt die städtebauliche Entwicklung Wiens im Verlauf der Jahrhunderte auf beeindruckende Weise grafisch dar. Und OpenStrom ist ein Open-Hardware/Open-Software-Projekt, das die vieldiskutierte Smart-Meter-Funktionalität als offene Plattform fĂĽr alle realisiert. Last but not least sei das Projekt „Isaac –Machine Learning fĂĽr Online Spiele“ genannt: Selbstlernende Konzepte aus der Genforschung sollen hier genutzt werden, um selbstlernende Computerspiele zu entwickeln – im ersten Schritt geht es um einen Proof of Concept. Hier ist die netidee ganz vorne dabei!
Credit: UCIT – Urban Change in Time
Welche Projekte in den von netidee 2015 festgelegten Schwerpunkten „Internet und Umwelt“ und „Open Science“ klingen für Sie besonders vielversprechend?
Ernst Langmantel: Der Sonderpreis Open Science, fĂĽr den wir erfreulicherweise den in Ă–sterreich bekannten „Science Buster“ Werner Gruber als Juror gewinnen konnten, ging an das Projekt „GameSurvey„, das Gamification fĂĽr hochwissenschaftliche Datenerhebungen einsetzt. Ein Proof of Concept wurde bereits im Vorgängerprojekt erbracht, jetzt geht es um eine userfreundliche Implementierung. Der Clou dabei ist, dass bei sensiblen Themen wie beispielsweise Nationalsozialismus mit klassischen Erhebungsmethoden oft keine ehrlichen Antworten von den Befragten zu erhalten sind. Werden die Fragestellungen in Aspekte eines Spiels gepackt hat man deutlich bessere Chancen.
Den Sonderpreis fĂĽr Internet und Umwelt hat die fĂĽr Lebensmittel-Einkaufsgesellschaften („FoodCoops“) optimierte Bestell- und Verwaltungssoftware „FoodCoopShop“ erhalten. Mit den FoodCoops kommen wir nicht nur zu hochwertiger lokaler und oft biologisch angebauter Nahrung, sondern es werden auch jede Menge CO2 belastende Transportkilometer gespart. Unsere externe Jurorin in diesem Bereich war die vielfach ausgezeichnete Klimaforscherin Prof. Helga Kromb-Kolb. Bei der Preisverleihung im Rahmen unseres groĂźen Events im Wiener Museumsquartier drĂĽckte sie ihre Hoffnung aus, dass durch die neuen sozialen Medien im Internet in relativ kurzer Zeit ein breiter ökologischer Meinungsumschwung in der Bevölkerung erreicht und so der Klimawandel noch in Schranken gehalten werden kann. Alle technischen Umstellungen auf alternative Energiequellen gingen nämlich zu langsam und es wären nur mehr ein paar Jahre bis zum Point of no Return! Und, aus den eingereichten Umweltprojekten möchte ich gerne noch eines besonders hervorheben: Das Projekt „ForestGAMP“ der IT-HTL Ybbs, wo sich eine Klasse mit der Veränderung des lokalen Klimas und den Auswirkungen auf Blattgröße, Blattverdunstung und CO2-Aufnahme messtechnisch beschäftigt. Alle geförderten Projekte haben wir ĂĽbrigens auf netidee.at zusammengestellt.
Und bis zum Prix Ars Electronica 2016 ist es auch nicht mehr lange hin. Gemeinsam mit netidee wird 2016 ein Spezialpreis in der Kategorie „u19 – CREATE YOUR WORLD“ vergeben, bei der Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren aus Österreich ihre Ideen zum Thema Internet einreichen können. Zu gewinnen gibt es dabei die netidee 2016 sowie 1.000 Euro. Alle Infos zur Teilnahme gibt es auf ars.electronica.art/u19/prix. Und damit keine weitere Fragen offen bleiben: Die Einreichphase zum „großen“ Prix Ars Electronica 2016, dem traditionsreichsten Medienkunstwettbewerb der Welt, startet wie üblich im Jänner 2016. Mehr Infos dazu auf ars.electronica.art/prix
Das Berufsleben begann für Ernst Langmantel nach AHS und einem Studium der Nachrichtentechnik an der TU Wien 1983 mit einem Software-Entwicklungsjob bei Siemens in Wien. Im Bereich Kommunikationstechnik stand das analoge deutsche Mobilfunknetz-C am Programm, wo noch Jubel ausbrach, als der Beschluss bekannt wurde, das System für damals sensationelle 100.000 Teilnehmer zu erweitern. In weiterer Folge wechselte Langmantel in den Bereich der privaten Kommunikationssysteme, wo er mit seinen Mobilfunknetzerfahrungen und einigen Patenten als Projektleiter maßgeblich an den mobilen Funk-Mehrzellen-Erweiterungen für die Telefonsysteme auf Basis des digitalen Schnurlos-Standards DECT beteiligt war. Mit Beginn der EU-weiten Deregulierung öffentlicher Telefonnetze 1998 wechselte Langmantel als Leiter der technischen Abteilung zur österreichischen Regulierungsbehörde für Telekommunikation, später auch für Rundfunk RTR. In dieser Funktion arbeitete er in einem spannenden interdisziplinären Umfeld aus Technik, Wirtschaft und Recht und war in dieser Zeit auch Hauptverantwortlicher für das österreichische Telefonnummernsystem. Die Suche nach neuen Herausforderungen führte 2011 in die Selbstständigkeit als Unternehmensberater im Bereich Kommunikationstechnik mit Projekten bis in den Nahen Osten. Seit Beginn 2013 ist er auch Vorstandsvorsitzender der Internet Privatstiftung Austria – Internet Privatstiftung Austria (IPA) und dort unter anderem für Abwicklung und Weiterentwicklung des netidee-Förderprogramms verantwortlich.