Furnished Fluid macht das Unsichtbare sichtbar

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Bei “Furnished Fluid” des japanischen Künstlers Akira Wakita dreht sich alles um Luftströmungen entlang von Möbelstücken aus dem 20. Jahrhundert. „W. W. Stool” (1990) des französischen Designers Philippe Starck ist bei diesem visuellen Experiment genauso vertreten wie der Big-Easy-Sessel (1991) des britischen Industriedesigners Ron Arad oder aber auch „Hill House 1“ (1902) des schottischen Designers Charles Rennie Mackintosh. Die 3-D-Modelle dieser Designklassiker dienten als Grundlage für seine Arbeit. Die für unser Auge nicht wahrnehmbaren Luftströmungen wurden schließlich mit einer eigenen Software errechnet und fließen in seinen Visualisierungen nun als bunte Partikel entlang von Ecken und Kanten. Das Projekt ist derzeit im Rahmen der Ausstellung „Elements of Art and Science“ im Ars Electronica Center Linz zu sehen. Akira Wakita spricht darüber, warum er sich mit dieser Form der Sichtbarmachung des Unsichtbaren beschäftigt hat.

Sie visualisieren Phänomene, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind. Warum interessieren Sie sich für Luftströmungen?

Akira Wakita: Seit meiner Kindheit habe ich irgendwie das Gefühl, dass sich die Phänomene, wie ich sie sehe und wahrnehme, von der Gesamtheit der Dinge unterscheiden. Für mich ist das der Geist des Zen, der mir als Japaner ein Gefühl einer heilen Welt mit auf meinen Weg gab. Als ich begann, Luftströmungen zu visualisieren, bekam ich zuerst genau die Ergebnisse, wie ich sie mir vorgestellt hatte, aber da war noch mehr zu sehen als ich mir erwartet hatte. Und genau diese spannenden und unvorhergesehenen Ergebnisse berührten mein Herz.

„Ich war fasziniert von dieser Visualisierung, weil ich dabei endlich erkannte, dass es da draußen Antworten gibt auf meine Fragen, die ich mir schon von Klein an stellte.“ Akira Wakita

Warum haben Sie sich für Designklassiker aus dem 20. Jahrhundert für Ihre Visualisierungen entschieden?

Akira Wakita: Mir gefällt es, Produktdesigns über die Kraft der Wissenschaft neu zu interpretieren. Ich achte dabei auf Eigenschaften der Objekte, die nicht absichtlich erscheinen, anstatt mir das anzusehen, welche Ziele sich die DesignerInnen am Beginn ihres Schaffens auferlegt haben. Wie ich dieses Industrie-Design bewerte, hängt von vielen Faktoren wie der Schönheit, der Textur, dass es ein Objekt der Massenproduktion ist und der Möglichkeit, es wieder zu verwenden, ab. Dadurch, dass ich das Berechnen der Luftströme in den Vordergrund rücke, können meiner Meinung nach neue Interpretationen entstehen. Ich habe mich deshalb für Stühle aus dem 20. Jahrhundert entschieden, da sie auch als Symbol für industrielle Artefakte stehen. Und gleichzeitig war es spannend für mich herauszufinden, dass viele dieser Stühle die Luftströme auf ihre eigene Weise beeinflussen – das war für mich sehr spannend.

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Credit: Martin Hieslmair

Es gibt also viel mehr um uns als wir fühlen oder sehen können – gibt es etwas, das Sie als nächstes entdecken möchten?

Akira Wakita: Auf jeden Fall! So möchte ich die Druckausbreitung in der Luft in ästhetischer Form visualisieren. Schockwellen und Überschallknall sind bekannte Phänomene, die auftreten, wenn Flugzeuge die Schallgeschwindigkeit überschreiten. Dabei geht es mir aber nicht nur um diese extremen Bedingungen. Ich bin mir sicher, dass sich Druck durch die Luft so ausbreitet, dass es laufend zu komplexen und neu strukturierten Mustern in unserer alltäglichen Umgebung kommt. Der Luftdruck um uns ist das Ziel meiner nächsten Arbeit.

Was denken Sie über die Verbindung von Kunst und Wissenschaft?

Akira Wakita: Ich glaube, Wissenschaft ist eine Sprache, um die Welt durch Karten, Brillen und Fenstern zu betrachten und dadurch besser zu verstehen. Deshalb ist die Wahrnehmung der Welt durch die Wissenschaft besonders wichtig für alle von uns. Wie auch immer richtet sich wissenschaftliche Erkenntnis an ExpertInnen, solange sie in komplizierten Formen wie in wissenschaftlichen Arbeiten wiedergegeben wird. Diese stellen aber ein Hindernis für die breite Öffentlichkeit dar, weil man sie kaum versteht. Und hier dockt die Kunst an mit ihrer sehr wichtigen Rolle als Medium für Menschen, das sehr einfach die Verbindungen zwischen Wissenschaft und dem Lebensumfeld der Menschen aufzeigen kann.

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Akira Wakita führte mehrere Studien zum Thema „Körperlichkeit“ durch und konzentrierte sich dabei unter anderem auf Echtzeitbilder, die durch physikalische Simulation generiert werden. In den letzten Jahren entwickelte er eine eigene Software, die auf fluiddynamischen und thermodynamischen Modellen beruht, um Visualisierungen zwischen Kunst und Wissenschaft zu erzeugen. Im Jahr 2014 wurde er zum Professor an der Fakultät für Umwelt und Informationswissenschaft an der Keio Universität in Japan ernannt.

Die Ausstellung “Elements of Art and Science” im Ars Electronica Center Linz mit Akira Wakitas Arbeiten läuft noch bis Sommer 2016. Mehr Infos zur Ausstellungen finden Sie auf ars.electronica.art/center

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