Ein dunkler Raum, eine Fotokamera mit einer Belichtungszeit von mehreren Sekunden, eine sich bewegende Lichtquelle und eine große Portion an Experimentierfreude – das sind die grundlegenden Elemente des Light Paintings. Mit einem eigenen Workshop hat der Künstler Chris Noelle zuletzt beim Ars Electronica Festival 2015 in der Gleishalle der PostCity interessierten TeilnehmerInnen die Grundlagen des Light Paintings vermittelt. Jetzt hat er sich mit Johannes Braumann vom Roboterlabor der Kunstuniversität Linz zusammengetan und den Industrieroboter KUKA KR16 so programmiert, dass Figuren und Formen aus Licht in den Raum gezeichnet werden.
Zur Eröffnung der Ausstellung „Kreative Robotik“, die am 3. Februar 2016, um 18:30 im Ars Electronica Center stattfindet, können Sie sich selbst davon ein Bild machen. Wie sich Chris Noelle, der sich bereits seit zwölf Jahren mit Light Paintings beschäftigt, darauf vorbereitet hat und wie man selbst am besten mit dieser Art der Fotografie, der „Lichtschreibkunst“, experimentiert, erklärt er in diesem Interview.
Welchen Reiz hat Light Painting für Sie?
Chris Noelle: Light Painting ist für mich deswegen so interessant, weil ich damit immer wieder neu experimentieren kann – ohne dass langweilige Routine eintritt. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten lässt sich in ganz unterschiedlichen Stilrichtungen anwenden und schafft einen Mix aus Illusion und Realität – sozusagen eine formbare Virtual Reality zum Anfassen. Am Light Painting fasziniert mich vor allem die Vielfalt der Möglichkeiten. Es ist eine Technik, mit der ich stets neue und außergewöhnliche Konzepte abseits des Computers umsetzen kann.
Schon seit 12 Jahren beschäftigen Sie sich mit Light Painting – wie kam es dazu, dass Sie nun auf einen Industrieroboter zurückgreifen?
Chris Noelle: Der künstlerische Aspekt mit Robotertechnik zu arbeiten stand schon lange auf meiner Wunschliste. Beim Ars Electronica Festival 2015 in der PostCity habe ich mir die Roboter-Installationen in der Gleishalle angesehen und war fasziniert von deren Präzision und ihren stoischen Bewegungsabläufen. Vor Ort kam ich mit Johannes Braumann ins Gespräch, der die Roboter-Installationen betreute. Da er heuer an der Kunstuniversität Linz als Gastprofessor das Roboterlabor leitet, kamen wir einige Wochen später erneut zusammen und starteten die ersten Foto-Tests, deren Ergebnisse mich echt umgehauen haben. Seitdem haben wir uns regelmäßig im Labor getroffen, um die Einsatzmöglichkeiten auszuloten.

Credit: Chris Noelle in Collaboration with Johannes Braumann – lightwriting.de
Wie haben Sie sich auf dieses Projekt, bei dem nun der KUKA KR16 zum Einsatz kommt, vorbereitet?
Chris Noelle: Für die erste Testreihe hatten wir den Pixelstick auf den großen KUKA-Roboterarm im Roboterlabor installiert – das ist ein mit 200 LEDs ausgestatteter Stab, der wie ein Scanner Bilder abspielen kann. Da dieser Roboter aber vor Ort fix installiert und damit unbeweglich ist, sind wir auf den kleineren mobilen Roboter KUKA KR16 umgestiegen. Wir haben den Pixelstick in seiner Länge auf 100 LEDs halbiert und leicht modifiziert, damit er direkt von der Elektronik des Roboters angesprochen und gesteuert werden kann.
Johannes Braumann hat dann den Bewegungsablauf programmiert und ich habe die Grafiken entwickelt und mich um die Lightpainting-Hard- und Software-Lösung gekümmert, die aus den abgespielten Grafiken eine Echtzeit-Animation erzeugt. Dafür habe ich mir wiederum von meinem niederländischen Kollegen Gerrald van der Kolk ein „Max Patch“ programmieren lassen, das die einzelnen Lichtstreifen mit einer Art Feedback-Effekt im Live-Video zu Langzeitbelichtungen umwandelt. Vom Roboter habe ich eine Filmaufnahme des Animationsablaufs gemacht, wodurch ich die Geschwindigkeit der Bildabspielung und die Länge der einzelnen Grafiksegmente dann anschließend festlegen konnte.

Credit: Florian Voggeneder
Welche Steuerung verwenden Sie und können Sie uns schon sagen, welche Light Paintings Sie bei der Eröffnung von „Kreative Robotik“ zeigen werden?
Chris Noelle: Der KUKA KR16 läuft in einer Endlosschleife eine mit der Programmiersprache Grashopper entwickete Bewegung bzw. Choreografie ab und steuert dabei immer wieder das Abspielen der Bilddatei auf dem Pixelstick an. Das Bild selbst ist 3.000×100 Pixel groß und beinhaltet verschiedene bildliche und grafische Elemente, wie beispielsweise einen Vogelschwarm, aus dem das Ars-Electronica-Logo entsteht, einen freistehenden 3-D-Kubus, eine DNA-Helix und auch typografische Elemente.
Interessant ist hier der grafische Umdenkprozess, also die Entwicklung einfacher grafischer Elemente am Rechner in Verbindung mit dem Bewegungsablauf des Roboterarms. Eine DNA-Helix entsteht beispielsweise aus der Drehung des KUKA KR16 und der 2D-Grafik einer banalen Sprossenleiter. Aufgrund der Kürze der Testphase haben wir uns für die Installation auf die grundlegende Entstehung von einfachen Bildwelten konzentriert. Denn hier gibt es noch sehr viel Entwicklungspotential, wenn 3D-Kamerafahrten auf die Trackingabläufe der Robotersteuerung exakt abgestimmt werden. Das kommt alles erst im Laufe des Jahres zum Tragen. Dafür benötigen wir definitiv mehr Zeit für ausgedehnte Experimente.

Credit: Chris Noelle in Collaboration with Johannes Braumann – lightwriting.de
Ob Taschenlampe, Bildschirm eines Smartphones oder gar ein eigens dafür konstruierter Pixelstick – die Möglichkeiten, Lichtquellen für das Light Painting zu nutzen sind groß. Wie taucht man am besten in die Materie ein?
Chris Noelle: Wer Light-Painting-Fotos selber machen will, sollte sich zuerst mit einem Stativ und einer Kamera ausstatten, die manuelle Belichtungszeiten ermöglicht – also 2 bis 30 Sekunden Belichtungszeit im manuellen Modus, im Idealfall auch mit Bulb-Modus. Hat man keine eigene, leiht man sich am besten eine Testkamera im Freundeskreis und kann direkt die ersten Experimente starten. Das Schöne am Light Painting ist, dass es mit mehreren Leuten gemeinsam praktiziert werden kann.

Credit: Chris Noelle
Generell funktioniert jede Lichtquelle wie zum Beispiel eine Taschenlampe, eine Wunderkerze, LEDs, ein iPad, und so weiter im dunklen Raum zum Light Painting vor der Kamera. Ich fotografiere zum Beispiel mit 15 bis 30 Sekunden Belichtungszeit von einem Stativ aus mit Fernauslöser, Blende F 5,6 und ISO 100, um möglichst wenig Farbrauschen zu erzeugen und ein sattes Schwarz im Hintergrund hinzubekommen. Zuerst sollte man bei Helligkeit einen Hotspot scharfstellen und den Autofocus ausschalten. Alles was jetzt vor der Kamera beleuchtet wird oder sich bewegt, hinterlässt Spuren im Bild. Fotografiert man mit einer DSLR-Kamera, kann man das Ergebnis direkt nach der Belichtung anschauen. Für Fortgeschrittene ist auch der RAW-Modus interessant, da sich die Fotos damit auch nachträglich am Rechner noch modifizieren lassen.
Natürlich lohnt es ich auch, sich vorab im Web schlau zu machen, es gibt dort etliche Möglichkeiten tiefer in die Materie einzutauchen: Bei Youtube oder Vimeo einfach „lightpainting tutorials“ in der Suche eintippen und los geht’s mit den Lernvideos. Die Webseite der Light Painting World Alliance – kurz LPWA, der „Dachverband“ der internationalen Lightpainting-Szene – das ist definitiv eine tolle Inspirationsquelle. Hier kann man beispielsweise nach Ländern, Orten und KünstlerInnen suchen und sich auch einzelne Portfolios anschauen. Oder aber Flickr – dort gibt es mehrere interessante Gruppen, die sich dem Thema Lightpainting widmen und eine Menge Inspiration bieten wie die Gruppe „The Art of Lightpainting„.
Tutorials, die sich ebenso lohnen, finden sich auf lightpaintingphotography.com, lightpainting.sunnys.photos oder lightwriting.de. Dann gibt es noch einige interessante Online-Shops, wo spezielle Lightpainting-Tools erworben werden können, wie zum Beispiel herramientaslightpainting.com, lightpaintingbrushes.com oder thepixelstick.com. Wer sich für den Selbstbau von Lightpainting/LED-Tools interessiert, ist bei Adafruit gut aufgehoben. Hier gibt es zig Möglichkeiten für DIY-Bauanleitungen. Viel Spaß beim Stöbern!
Hinweis: Die Ausstellung „Kreative Robotik“ wird am MI 3.2.2016, 18:30, im Ars Electronica Center Linz mit einer Light-Painting-Performance im Deep Space eröffnet. Der Eintritt zur Eröffnung ist frei!