„Lieber WeiterdenkerInnen als Mainstream fördern“

Alexander Mankowsky
Alexander Mankowsky,

KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und UnternehmerInnen aus aller Welt sind eingeladen, ihre innovativen Projekte noch bis zum 13. März 2016 zum STARTS-Prize 2016 der Europäischen Kommission unter starts-prize.aec.at einzureichen. Eine mehrköpfige Expertenjury wird zwei der Arbeiten, die sich den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Kunst (Science, Technology and ARTS) widmen, mit jeweils 20.000 Euro prämieren. Alexander Mankowsky ist einer der JurorInnen, die sich im April 2016 in Linz zusammenfinden werden. Er arbeitet seit 1989 bei der Daimler AG, hat sich ursprünglich auf gesellschaftliche Trends in Sachen Mobilität konzentriert und forscht nun im Bereich der Zukunftsforschung für den deutschen Automobilhersteller. Wie er Kunst für seine Arbeit einsetzt und wo Europa noch mehr Mut brauche, darüber haben wir mit ihm vorab gesprochen.

Welche gesellschaftliche Rolle spielt Kunst für Sie als Zukunftsforscher?

Alexander Mankowsky: Aktuelle wissenschaftliche und zeitgenössisch künstlerische Arbeiten gehören für mich zusammen: Beide bieten Orientierung für treibende Kräfte in Gesellschaft und Technik. In der Kunstform kann ein Künstler oder eine Künstlerin Bruchstellen der kulturellen Realität kommunizieren, ohne dazu Begründungen liefern zu müssen. Damit ist Kunst von dem Filter der Sprache und des Beweises befreit, Kunst kann zum ersten Schritt auf dem Weg zur vermittelbaren Erkenntnis werden.

Alexander Mankowsky

Alexander Mankowsky sprach beim Ars Electronica Festival 2015 zum Thema Future Mobility – einen Videomitschnitt davon finden Sie auf unserem Youtube-Account. Credit: Tom Mesic

STARTS sucht innovative Projekte an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technologie und Kunst – was bedeutet für Sie eigentlich „innovativ“? Können Sie dies an konkreten Projekten festmachen?

Alexander Mankowsky: Die aktuell einschneidendste Entwicklung liegt in der Einführung von Automation in die Gesellschaft. Selbstfahrende Fahrzeuge und mobile Roboter werden die Lebens- und Arbeitswelt transformieren. Diese Transformation wird fast nur technisch-funktional betrachtet: wie effizient wird es, wie sind die legalen Rahmenbedingungen. Es ist sehr „verkopft“. Bei Daimler arbeiten wir an grundlegenden Innovationen, mit dem Ziel diese Technik zu humanisieren. Die Fahrzeuge sollen nach außen kommunizieren, um uns als Menschen eine Alternative zum im Alltag der Mobilität gängigen „Einfühlen“ zu bieten. Wir werden diese „Einfühlung“ mit einem Exponat an der Schnittstelle zwischen Kunst und Industrie darstellen. Mehr verrate ich nicht dazu.

„Ich verwende Kunst gerne um Sensibilität für Richtungsentscheidungen, ein Verständnis kultureller Bewegungen zu erzeugen.“ Alexander Mankowsky

Beispielweise welche Ziele wir im „Shared Space“ der Zukunft mit autonomen Fahrzeugen darstellen wollen. Kunst hat in dieser Weise zum F 015 Forschungsfahrzeug von Mercedes-Benz beigetragen. Daher haben wir die Europa-Premiere mit Ars Electronica gestaltet.

F 015 in Linz

Der F 015 Luxury in Motion, das selbstfahrende Auto von Mercedes-Benz, wurde im Rahmen des Ars Electronica Festival zum ersten Mal in Europa präsentiert. Credit: Florian Voggeneder

Was braucht es für ein innovatives Europa Ihrer Meinung nach? Bestimmte Rahmenbedingungen, Förderungen? Welche handelnden Personen spielen hier eine wichtige Rolle oder sollten es? Und braucht es vielleicht auch eine bestimmte Haltung, braucht es (mehr) Mut?

Alexander Mankowsky: Das Ziel der Harmonisierung ist mehr als erreicht und muss unbedingt durch ein Ziel der Unterschiedlichkeit abgelöst werden. Dazu braucht es natürlich Mut zum Widerspruch, zur Disharmonie. Wichtige Personen: Individualisten, dazu zählen Kunstschaffende mehrheitlich, Pioniere in Wissenschaft und Forschung. Lieber eine Weiterdenkerin oder einen Weiterdenker fördern als noch mehr Mainstream.

„Europa braucht Mut zu Diversität, zu Unterschiedlichkeiten und Nischen. Weniger Normierungen, mehr Individualität und Widersprüchlichkeit.“ Alexander Mankowsky

Beispiele für Initiativen in diesem Sinne seitens Daimler: die Arena 2036 in Stuttgart mit dem Fokus Technik, die Zusammenarbeit mit betahaus und Fab Lab in Berlin, die Zusammenarbeit mit Ars Electronica in Linz und das Vorhaben re:start Berlin mit dem Fokus Zeitgeist und Gesellschaft. In all diesen Beispielen geht es um Diversität, Co-Working und Öffnung gegenüber Neuem. Als Förderung könnte ich mir dazu vorstellen, dass Co-Working Spaces, Flächen und Raum in den Städten bereitgestellt werden.

Betahaus

Der Arbeitsplatz der Zukunft? Das betahaus in Berlin. Credit: Danique van Kesteren

Blicken wir 15 Jahre nach vorne: Welche Veränderungen werden wir in den Bereichen Industrie und Technologie beobachten?

Alexander Mankowsky: Aus heute noch sehr unterschiedlichen Industrien wie Tech und Automobil wird sich eine neue Form der Unternehmung herausgebildet haben. Damit ist nicht Industrie 4.0 gemeint, sondern eine Neuerfindung. Neue Arbeits- und Kooperationsformen werden sich mit innovativen Produktionsverfahren auf skalierbare Weise verbinden.

Woher nehmen Sie selbst Ihre Inspiration für Ihre Zukunftsperspektiven?

Alexander Mankowsky: Zeitgefühl ist das Wichtigste, ein Verständnis für die Dauer von technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Auf dieser Basis tausche ich mich gerne mit Avantgarden und Pionieren aus, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, Ingenieurinnen und Ingenieure, DesignerInnen, so vielfältig wie möglich. Ganz persönlich treibt mich der Wunsch nach ‚Humanisierung der Technik‘ an. Darin liegt für mich eine erstrebenswerte Perspektive in die Zukunft.

Was raten Sie KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und UnternehmerInnen, die ihre Projekte nun zum STARTS-Prize 2016 einreichen wollen?

Alexander Mankowsky: Sich nicht scheuen auch die anscheinend einfachsten Projekte einzureichen, der inneren Stimme, dem Impuls vertrauen.

Verpassen Sie nicht die Chance bis zum 13. März 2016 Ihr Projekt zum STARTS-Prize 2016 einzureichen! Mehr Infos dazu finden Sie auf starts-prize.aec.at.

Alexander Mankowsky

Alexander Mankowsky, 1957 in Berlin geboren, studierte Sozialwissenschaft, Philosophie und Psychologie an der Freien Universität Berlin. 1989 begann er seine Tätigkeit im Forschungsinstitut von Daimler in Berlin. Der multidisziplinäre Zugang am Institut vereinte eine Fülle von Disziplinen, von Sozialwissenschaften bis zu künstlicher Intelligenz. Seine aktuellen Arbeitsthemen sind Zukunftsstudien, die sich mit der sich ständig ändernden Kultur der Mobilität, der gegenseitigen Abhängigkeit von sozialer und technologischer Innovation und anderen Aspekten in Verbindung mit möglichen Wegen in die Zukunft befassen.

This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 732019. This publication (communication) reflects the views only of the author, and the European Commission cannot be held responsible for any use which may be made of the information contained therein.

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