The Institute of Isolation: Grenzerfahrung als Heilmethode

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Der (eigene) Körper dient Lucy McRae als Experimentierfeld, um ihn an Extremsituationen anzupassen und wird so zum Gegenstand ihrer Observational Documentary. Wie sie auf die unterschiedlichen Ansätze zur Erforschung der Grenzen ihrer sterblichen Hülle kommt, was sie dazu bewegt hat, sich mit dem Phänomen der „Isolation“ als Vorbereitung zur Raumfahrt auseinanderzusetzen und inwiefern dies hilfreich ist, um Erkenntnisse im medizinischen Bereich zu gewinnen, verriet die Regisseurin und Hauptdarstellerin in einem ausgedehnten Zwiegespräch.

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Die „Vorgeschichte“ zum SPARKS Projekt: Future Day Spa. Credit: Lucy McRae

Dein letztes Projekt „Future Day Spa“ zeigt in welchem Ausmaß sich der menschliche Körper auf die durch Schwerenlosigkeit bedingte Isolation im Weltall einstellen kann. Deine im Rahmen von SPARKS stattfindende Observational Documentary heißt „The Institute Of Isolation“ – ist diese eine Fortsetzung zur vorangegangenen Arbeit?

Lucy McRae: Speziell in den letzten 12-18 Monaten beschäftige ich mich mit den Themen Gesundheit und Medizin aus der Science Fiction-Perspektive – ich benutze Kunst als Transportmittel, um etwas auszudrücken, was ich nicht verstehe. Da Projekte einem Ablauf und einer Deadline unterworfen sind, spielt der glückliche Zufall sowohl bei der Entwicklung der laufenden, aber auch der folgenden Projekte eine große Rolle. Und weil meistens nie genug Zeit zur vollständigen Erforschung aller Entdeckungen während des einen Projekts ist, mache ich aus den sich daraus ergebenden Fragen einfach das nächste Projekt.

Bei der Vorstellung von „The Future Day Spa“ auf der „re/code“ Technologie-Konferenz in Los Angeles spielte der glückliche Zufall wieder mit: Von den 100 Personen, an denen ich eine Isolierung des Körpers“ testete, zeigte ein Proband, der in einem Vakuum-Behälter lag, eine außergewöhnliche Reaktion. Als jemand, der eigentlich körperlichen Kontakt vermeidet, fühlte er sich durch die Ummantelung „umarmt“ – und daher sehr verletzlich. Als er sich aufrichtete fiel er mir um den Hals, obwohl er wie eingangs bereits erwähnt, Mitmenschen eher fern bleibt. Auf der Rückfahrt zum Hotel recherchierte ich über das sogenannte Touch-Syndrom und was es für jemand Betroffenen bedeutet, wenn er gegen seine Absicht berührt wird. Das Gehirn schüttet ein sogenanntes Vertrauens-Hormon Oxytocin aus, das sonst unterdrückt wird. Also warf das Future Spa Programm die Frage auf, wie man mittels der dort angewendeten Maßnahmen Krankheitsbilder wie Agaraphobie – die Angst vor Berührungen – und andere Krankheitsbilder wie Autismus, Depression oder Anorexia  behandeln kann.

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Das Storyboard zu „Institute of Isolation“. Credit: Martin Hieslmair

Ein klassisches Motiv von Science Fiction ist die Herausforderung der Natur durch den Menschen. Vor welche Herausforderung oder Frage stellst Du den Menschen durch die Technologie?

Lucy McRae: Ich habe mit 11 WissenschaftlerInnen Interviews geführt und benutze diese als Begleitkommentar zum Film. Sie geben Stellung zu ihrem Wissenstand über die gestellte(n) Frage(n) – wie zum Beispiel über das Heranwachsen eines Fötus in Abwesenheit von Erdanziehungskraft, eine Fragestellung, die sich per Zufall während einer Busfahrt mit einem Wirtschaftsexperten ergeben hat und mit der ich mich bereits schon zwei Jahre lang intensiv beschäftige. Ein weiterer Grundpfeiler meiner Arbeit ist die Tendenz die Grenzen meines eigenen Körpers auszuloten, sei es als Kind, Ballerina, als Athletin oder letztendlich durch meine Kunst. In der Vorbereitung auf eine Raumfahrt steckt die Antwort auf die Frage, ob wir Menschen fähig sind in Isolation zu überleben, denn Schwerlosigkeit ist nichts anderes als genau das. Also ist dieses Training auch die Vorbereitung auf einen bestimmten Lebensstil, den wir genau jetzt erforschen müssen, wollen wir irgendwann außerhalb der Erde überleben können.

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Drehbesprechung mit SPARKS-Projektleiterin Claudia Schnugg. Credit: Martin Hieslmair

In dem aktuellen Projekt porträtierst Du jemanden, der daran interessiert ist, sich selbst zu optimieren und wie diese Person den Prozess durchlebt. Ist der Grundgedanke, menschliches Leben auf wissenschaftliche Art und Weise oder durch Technik zu perfektionieren nur allzu menschlich? Oder führt unser Perfektionswahn nicht zu dieser von Dir oft als kühl dargestellten Welt.

Lucy McRae: Auch ich empfinde Unvollkommenheit als Schönheit, aber wir Menschen sind auf das Streben nach Perfektion und Mikrokontrolle aller Lebensaspekte ausgerichtet. Ich beabsichtige diese Ästhetik in keinster Weise, es passiert einfach, ich hinterfrage nicht einmal warum und möchte auch keine Antwort darauf. Aber die Isolation macht noch keine Kälte; kurioserweise bekam ich die Tage eine E-Mail von einer Frau, deren Location wir als Drehort benutzen werden. Sie berichtet von einer Freundin, die gerade auf Intensivstation liegt und wegen ihrer vollständigen Lähmung nur durch die Bewegung eines Zehs kommuniziert.  Das heißt Körper und Technologie sind bei ihr miteinander verschmolzen. Die Art und Weise, wie sie sich äußerte war so poetisch, als wäre ihre Freundin eine Insel in diesem bereits existierenden „The Institute of Isolation“.

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Vorbereitung zum 3-D Scan mit Andreas Jalsovec. Credit: Michael Mayr

Ist es eine wünschenswerte Welt für die betroffene Person oder projizieren wir das „Wünschenswerte“ nur auf eine Vorstellung, und was passiert dann, wenn wir selbst betroffen sind? Wollen wir dann in dieser Art am Leben erhalten werden?

Lucy McRae: Schön, dass Du dies hinterfragst… In dem Buch, „Evolving Ourselves“, was die Hauptinspirationsquelle für diesen Film ist, fragt der Autor genau danach, wie wir den Tod neu definieren. Wie wir ihm versuchen von der Schippe zu springen, wie wir ihn hinauszögern und quasi den Körper einbalsamieren, um uns am Leben zu erhalten – und das rein mit technologischen Mitteln. Das Gleiche machen wir mit Geburten, 33% aller Geburten sind vorzeitig. Ich sage nicht, dass das richtig oder falsch ist, ich bin schlicht fasziniert davon. Wenn wir solche Eingriffe bei der menschlichen Genetik vornehmen, und wenn diese von einem Computeringenieur oder einem Biochemiker getätigt werden, dann verwischen die Grenzen zwischen einem Ingenieur, einem Redakteur und einem Biologen, dann geht es nur noch um die Produktion und die Inszenierung von Leben.

Ein Teil des Films geht der Frage nach wie Landbau oder Architektur, sprich die Umgebung Einfluss auf die menschliche Lebensform ausüben kann. Was ist dann die Rolle des Architekten hierbei? Und dann wird es interessant, wenn wir uns vorstellen, was passiert, wenn man einen Laser auf das Gehirn richtet und Angst oder Freude durch Lichtstrahlen triggert – wie beeinflusst das wiederum das Aussehen von Gebäuden? Im Endeffekt würdest Du als Architekt, die Gefühle der Menschen beeinflussen.

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Filmszene aus „The Institute of Isolation“, in der Therme Bad Fischau geschossen. Credit: Claudia Schnugg

In wieweit beruht Dein Film „Institute of Isolation“ auf harten Fakten?

Lucy McRae: Die Kapitel meines Films korrespondieren mit denen aus dem erwähnten Buch und diese basieren wiederum auf wissenschaftlichen Arbeiten, PHD Papers, die mit Fußnoten untermauert sind. Der Film ist eine obersavitonal fictional documentary – also ist es nicht 100% Science Fiction, und auch nicht 100% Hard Facts. Beim Lesen war ich davon fasziniert was bereits alles möglich ist, wovon die Mehrheit nicht einmal eine Ahnung hat. Die Kernaussage ist, dass wir Menschen, die Evolution vorantreiben – und nicht wie es die Lehre von Darwin uns lehrt, die Menschen der Evolution unterliegen. Man muss nur schauen, wie Technologie Jobbezeichnungen hervorgebracht hat. Mit anderen Worten ist es durchaus denkbar, dass ein Kind auf die Frage was es später einmal werden will „Ingenieur auf dem Mars“ antwortet. Das heißt, dass der fiktionale Aspekt immer dichter an den wissenschaftlichen heranrückt. Da man nicht mehr länger von einer Unterscheidung sprechen kann, welche Disziplin eine andere mehr oder weniger beeinflusst, ist der Kunstaspekt bei diesem SPARKS Projekt auch so zeitgemäß.  Das Wundervolle daran ist, dass man Wissenschaft mit künstlerischen Mitteln erklären kann, weil die Grenzen fließend sind.

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Das Logo des fiktionalen Instituts. Credit: Claudia Schnugg

Stilistisch lehnst Du Dich bei „Institute of Isolation“ an die Filmästhetik von Wes Anderson. Wie erklärst Du jemanden, der den Regisseur nicht kennt, wie Deine Filme von der Farbigkeit, den Drehorten, den Charakteren her wirken?

Lucy McRae: Was ich an seinen Filmen vor allem mag ist seine Liebe zum Detail. Wes Anderson kreiert damit seine eigene erfundene Umgebung, die nicht unbedingt etwas mit der real existierenden Welt zu tun haben muss. Natürlich muss ich das was Wes mit viel Zeit und Geld macht runterbrechen. Dafür haben wir bereits skurril wirkende Drehorte ausgesucht, die den Detailreichtum mit sich bringen. Wir hatten zum Beispiel nur zwei Stunden, um in einem Krankenhaus zu drehen. Da muss jeder Schuss perfekt sitzen. Das ist der Novelty Prozess an diesem Projekt, denn normalerweise sitze ich zwei Tage in einem Studio, das perfekt ausgeleuchtet ist, nur um 90 Sekunden Footage zu bekommen. Es gibt mir ein neues Gefühl für Improvisation, also auch in Bezug auf Verlässlichkeit, dass die Menschen mit denen man zusammenarbeitet, funktionieren. Aber das war der Reiz bei diesem Projekt, mal eine andere Art von Film zu drehen, ein anderes Storytelling anzuwenden.

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