Lea und Jakob haben Roboter im Blut

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In dem Sciencefiction-Klassiker „Die phantastische Reise“ steuert ein U-Boot durch die Blutbahn eines Menschen auf das Gehirn des Helden zu, um dort ein Blutgerinsel zu beseitigen. Diese Utopie von 1966 bewegt heutzutage immer noch die Gemüter – auch im künstlerischen Sinne. Lea und Jakob Illera schlagen die Brücke zwischen Science Fiction und eines greifbaren Szenarios, denn sie entwickelten im Zuge ihrer Bewerbung zur SPARKS-Residency am Ars Electronica Futurelab die Idee von Nanorobotern, sogenannten BeBots, die auf unsere Appetitentwicklung auf ungesunde Nahrung Auswirkungen haben sollen. Wie sie dieses hochbrisante Thema – auch im Hinblick auf Gegeninteressen einer großen Lebensmittel- und Fastfoodindustrie, aber auch in Betrachtung eines Eingriffs auf die Persönlichkeit – aufbereitet haben, verrieten sie während eines Interviews im Biolab des Ars Electronica Centers.

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Lea und Jakob Illera präsentieren per Scribble ihre Projektidee im Biolab des Ars Electronica Centers. Credit: Michael Mayr

Was brachte Euch auf die Idee, ein „Wearable“ künstlerisch so weiterzudenken, dass es als Nanoroboter, oder besser gesagt in der Gestalt unzähliger Nanoroboter, im Körper seinen Dienst unmerklich verrichtet? Kam diese Form einer doch streitbaren Heilmethode schon vor oder erst mit dem SPARKS-Call?

Jakob Illera: Im Zuge eines Radiointerviews wurde ich bereits vor 2 Jahren gefragt, wie ich mir die Zukunft vorstelle, zum Beispiel in Bezug auf Computer – und meine Antwort darauf lautete, dass wir wohl keine Geräte mehr mit uns rumschleppen werden, denn schließlich wird alles immer kleiner. Und die logische Konsequenz im medizinischen Bereich ist eine Versorgung, die nicht mehr von außen kommt.

Lea Illera: Ich war schon immer von Cyborgs und der Vorstellung wie sich Menschen und Maschinen miteinander verbinden, fasziniert – und natürlich wie sich das anfühlt, Technik in sich zu haben. Auf der anderen Seite interessiere ich mich auch für die Frage, was es für die Gesellschaft bedeutet, wenn es technisch „verbesserte“ Menschen gibt. Wer kann sich das leisten – und wer muss darauf verzichten? Mir gefällt bei unserer Annäherung an das Thema „Responsible Research & Innovation“ neben dem Science Fiction Ansatz, die Betrachtung von der Ebene einer Geistes-, bzw. Sozialwissenschaftlerin. Aber die konkrete Idee mit den Nanorobotern kam erst mit dem SPARKS-Call. Wir wollten ein möglichst realistisches Wearable entwerfen, das eine ethische Diskussion mit sich bringt, eines das ein gewisses Spannungsfeld erzeugt. Und das tut es alleine schon dadurch, dass es sich im und nicht am Körper befindet.

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Der futuristische Inhaler am Zeichenbrett…. 

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… und als 3D-Modell Credit: Christian Kittner

Wenn man an klassische Science Fiction Film-Motive denkt, sind die Träger solcher im Blut umherschwimmenden Stoffe meistens die Unheilsbringer, oder die Opfer ihrer Trägerschaft. Ist damit die Skepsis gegenüber solcher technischer Akteure nicht bereits vorprogrammiert?

Lea Illera: Deine Wahrnehmung bezieht sich vornehmlich auf die amerikanische Variante von Science Fiction-Filmen. Ich bin ein großer Fan von der japanischen Variante, wie „Ghost in the Shell“, wo das Tragen eines Botenstoffs im Blut eher als etwas Positives dargestellt wird. Die Verbindung von Mensch und Maschine ist ein Teil der japanischen Kultur und der Ästhetik – je nach Blickwinkel kann man Technik preisen oder verteufeln, das merken wir ja bei der Diskussion um den Gebrauch eines Smartphones.

Muss man den Menschen aber nicht vor sich selbst schützen, gerade wenn es um die Brisanz einer stofflichen und damit einhergehend charakterlichen Veränderung geht?

Lea Illera: Deshalb etwas potenziell „Gutes“ für den Menschen verhindern, kann ja nicht die Lösung sein. Letztendlich kannst Du Dein Gegenüber mit allem Möglichen bedrohen. Wenn wir dieser auf Sicherheit bedachte und Fortschritt verhindernde Denkweise folgen, dann wird die Menschheit vor Angst erstarren. Man muss das Urvertrauen haben, dass es das soziale Regulativ gibt.

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Eine kindgerechte Gestaltung der BeBots soll die Skepsis vor dem „Unbekannten“ nehmen. Credit: Werner Pötzelberger

Wenn aber der Gedanke dieser medizinischen Innovation in letzter Konsequenz weiter gedacht wird, dann forscht man am alten Menschheitstraum des ewigen Lebens, oder ist das zu weit gedacht?

Jakob Illera: Jede medizinische Innovation, die solch weitreichende Konsequenzen hat, wie die von uns angedachte, verlängert das Leben potenziell. Aber das ist nicht das primäre Ziel. Was wir wollen, ist eine Verbesserung des Lebensgefühls für jene Menschen, die es nicht schaffen, weniger Gewicht mit sich rumzuschleppen. Das Ziel ist, sich gesünder zu ernähren. Der Eingriff erfolgt in dem Moment, wo wir uns für das wertvollere und gegen das krank machende Lebensmittel entscheiden. Dem Missbrauchsaspekt halten wir entgegen, dass Medikament apothekenpflichtig ist- was aber nie davon abgehalten hat, sich eine Substanz illegal zu besorgen.

Da wird eine ganze Industrie zum Sturm auf Euer Produkt blasen, verhindert es deren Zielsetzung der Gewinnmaximierung durch potenziell ungesunde Inhaltsstoffe oder einer Produktion, die zu Kosten von Nachhaltigkeit geht.

Jakob Illera: Das kennen wir ja bereits seit dem Versuch der Einführung eines Ampelsystems. Das Brandmarkende durch ein Label würde bei unserem Ansatz allerdings wegfallen. Eher umgekehrt, würden die BeBots wie ein Adblocker funktionieren, so dass ich die Verlockungen der Lebensmittelindustrie gar nicht erst sehe. Aber dass Burgerketten und andere an der Foodindustrie beteiligten Big Player dagegen klagen würden, ist völlig klar.

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Frei nach Lucas Cranach der Ältere: BeBots hätten die Versuchung in die ursprüngliche Perspektive rück geführt. Credit: Lea & Jakob Illera

Wen man bedenkt wie Europa auf Gen-manipulierten Mais reagiert, ist die generelle Akzeptanz trotzdem schwer zu vermitteln, hören die Menschen meistens nur auf die plakative Botschaft, dass man wieder in die Natur eingreift.

Jakob Illera: Übergewicht ist ein weltweites Problem, das nicht nur direkte, sondern auch indirekte Auswirkungen auf den Körper und eine Gesellschaft hat. Dieses Jahr ist das Verhältnis zwischen Unter- und Übergewicht zum ersten Mal in Richtung Fettleibigkeit gekippt.

Lea Illera: Genau wie solche gesellschaftlichen Veränderungen langsam vonstattengehen, ist auch die Einführung der Nanotechnologie in die Medizin ein schleichender Prozess. Das heißt, wenn BeBots auf den Markt kämen, wäre das Stadium der Akzeptanz ein ganz anderes, wir sprechen hier von einer Spanne von 10 Jahren. Man denke nur an die veränderte Akzeptanz von Impfungen.

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Work in progress – der Sprühkopf des Inhalators in seiner Ausformung. Credit: Lea & Jakob Illera

Wenn wir schon von Marketingaspekten sprechen… wie würdet ihr dieses Produkt letztendlich an die Frau oder den Mann bringen?

Lea Illera: Wir haben weniger an Marketing gedacht, sondern an ein rezeptpflichtiges Mittel, das der Arzt nicht nur verschreibt um Menschen von ihrem Gewicht runterzubringen, sondern auch im Fall einer Lebensmittelunverträglichkeit. Solchen Patienten muss man die Schwellenangst nehmen, sich das Mittel zuzuführen. Wir lösten die Frage mit einem Spray, das wie bei einem Schnupfen durch die Nase aufgenommen wird, und zwar durch einen Inhaler, wie man ihn kennt. Die Bekanntschaft als Alltagsgegenstand soll die Vorbehalte auf ein Minimum reduzieren. Außerdem bevormunden wir ja niemanden – diejenigen, die weiter gerne Burger essen wollen, würden sich dem Mittel gegenüber verwehren. Diejenigen aber, die schon seit Jahren unglücklich und psychisch beeinträchtigt sind, sollen eine Möglichkeit auf ein besseres Leben bekommen. Das Ganze basiert auf Freiwilligkeit.

Wenn man bedenkt, dass sich Millionen dieser Trägerpartikel von Botenstoffen im Blut befinden, wie kommen die wieder da raus?

Lea Illera: Die zugeführten Stoffe bestehen aus dem Material, aus dem wir selbst sind, nämlich DNA, das heißt wir nehmen keine Fremdkörper in uns auf. Das ist auch wichtig zu kommunizieren. Sobald sie aufhören zu wirken, werden sie neutralisiert. Die Substanz wird über den Stoffwechsel abgebaut. Man muss in kein Krankenhaus, keine Fäden ziehen und idealerweise gibt es keine Nebenwirkungen und Allergien. Der einzig „negative Aspekt“ ist ein ideeller – wir beeinflussen Wünsche!

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Prototypen von BeBots und Inhalatoren. Credit: Michael Mayr

Da es sich um ein Kunstprojekt handelt, das im Rahmen einer Ausstellung gezeigt wird, komme ich zu der entscheidenden Frage: Was zeigt ihr eigentlich?

Jakob Illera: Wir zeigen natürlich die Produktverpackung, also den Inhaler, die Produktwirkung anhand einer Pictochart, und das Ganze möglichst runtergebrochen auf eine sehr einfache, fast kindgerechte Art. Vertiefende Inhalte zeigen wir zusätzlich auf unserer Webseite. Mit dem Inhaler selbst arbeite ich als Produktdesigner in meinem täglichen Brotjob, aber alles Weitere ist ziemliches Neuland.

Lea Illera: Wichtig ist uns auch das Zeigen der vergrößerten Nanobots als etwas „Niedliches“ – damit stehen wir in einer gewissen Tradition, denkt man an Grippeviren als Stoffpuppen, die es schon gibt. Oder an ein Apothekenjournal, in dem Kinder den Körper spielerisch erklärt bekommen. Wir brauchen ja einen wenig abstrakten Zugang, weil man das was es ist, nicht als Roboter begreift. Man sieht sie ja nicht einmal. Die Nanobots sind unsere Helferlein, die dort hinkommen wo Menschen keinen Zugang haben.

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