FLY FACTORY – Sind Insekten die Ernährung der Zukunft?

Fly Factory Insekten Fliegen Ars Electronica Export Earth Lab
The Fly Factory,

Ars Electronica Export präsentiert gemeinsam mit dem Polytechnischen Museum Moskau eine Ausstellung, in der sich alles um unsere Erde und ihre Zukunft dreht: „EARTH LAB – Artists as Catalysts“. Internationale KünstlerInnen zeigen in der Moskauer Schokoladenfabrik „Roter Oktober“ Perspektiven für unseren Planeten und schaffen damit neue Sichtweisen auf alte Probleme. Búi Bjarmar Aðalsteinsson ist einer von ihnen – der isländische Künstler und Designer nimmt sich des Problems der Lebensmittelherstellung im 21. Jahrhundert an. Was passiert, wenn wir die Weltbevölkerung nicht mehr ernähren können? Wie bekämpft man Lebensmittelverschwendung? Und wie ernährt man Menschen in Gegenden, wo Landwirtschaft nur erschwert möglich ist?

Mit seiner Fly Factory, oder Fliegenfabrik, stellt er eine Lösung vor: Insekten als Nahrungsmittel. Die kleinen Tierchen verbrauchen nicht nur weniger Platz, sondern benötigen auch weniger Ressourcen als andere Nutztiere. Außerdem sind sie für ihre relativ geringe Größe extrem nährstoff- und vor allem proteinreich.

Bei der Fly Factory werden in drei Kammern jeweils Fliegen gezüchtet, als Larven geerntet, und verarbeitete Produkte gekühlt. Die Abwärme des Kühlschranks wärmt die Brutstätte, die Abfälle der Fliegen dienen als Nährboden für die Larven, deren Exkremente dienen wiederum als Dünger für Pflanzen in der Fliegen-Kammer – es ist ein in sich geschlossenes System, nachhaltig und zukunftsweisend. Wir haben uns mit dem jungen Designer ein bisschen mehr über seine Fabrik unterhalten.

Ihr Werk Fly Factory wird momentan im EARTH LAB gezeigt, einer Ausstellung, bei der KünstlerInnen sich mit unserem Planeten und dessen Zukunft befassen. Wie und warum ist Fly Factory wichtig für diese Reflexion?

Búi Bjarmar Aðalsteinsson:  Die Fly Factory ist nur ein Beispiel davon, wie wir das Problem der Lebensmittelverschwendung und –Herstellung lösen können. Die Factory, also die Fabrik, ist dazu gedacht, in einem Restaurant oder einer Kantine benützt zu werden. Die Insekten in der Fly Factory ernähren sich von Lebensmittelabfällen und können dann geerntet und für die Speisekarte verarbeitet werden. Insekten sind extrem interessante Organismen, die sich darauf spezialisiert haben, Biomüll zu recyceln und gleichzeitig Nahrung für das Ökosystem zu produzieren.

Warum benützen Sie speziell die Art der Schwarzen Soldatenfliege in Ihrem Projekt?

Búi Bjarmar Aðalsteinsson:  Die Schwarzen Soldatenfliegen sind für mich sehr spannend, da sie effizient und nährreich sind. Trotzdem gibt es noch Millionen anderer Insekten, die man ebenfalls benützen könnte. Ich würde mich darüber freuen, wenn andere DesignerInnen und WissenschaftlerInnen diese Möglichkeiten austesten würden. So können wir sehen, wie wir eine nachhaltige und effiziente Lebensmittelproduktion erschaffen können.

Black Soldier Fly Factory

Credit: Daniil Primak, Polytechnisches Museum Moskau

Wie war der Entwicklungsprozess für Fly Factory?

Búi Bjarmar Aðalsteinsson: Ich begann die Arbeit an der Fly Factory, nachdem ich vom enormen Potential von Insekten gelesen hatte. Ich wollte dabei hauptsächlich ein Objekt erschaffen, das vertrauenswürdig und robust aussieht. Deshalb beziehe ich mich auch stark auf industrielle Küchenausstattung in meinem Design. Meine Hauptaussage ist, dass die Insektenproduktion durchaus möglich ist und wir bereits jetzt damit anfangen könnten – wenn wir wollen.

Als ich die Rezepte für die Insekten entwickelte, arbeitete ich eng mit KöchInnen und SpezialistInnen zusammen. Zuerst wollten wir analysieren, welche Art von Lebensmittel mit Insekten angereichert werden könnte. Dabei kümmerten wir uns besonders um ihr Aroma. Schließlich machten wir uns auch Gedanken darüber, welche Art von Gerichten am ehesten von Menschen gekostet oder auch gekauft wird. Das war auch die Geburtsstunde von dem späterem Projekt Jungle Bar, einem Energieriegel aus Grillen.

Fly Factory Ars Electronica Export Earth Lab Moscow

Credit: Florian Voggeneder

Sie versuchen also, Insekten in ein Konsumgut zu verwandeln. Vor welche Herausforderungen wurden Sie dabei gestellt? Wie sind die Reaktionen auf Ihre Fly Factory – können sich Menschen auch wirklich vorstellen, die Insekten zu essen oder sogar zu züchten?

Búi Bjarmar Aðalsteinsson: Man muss sich immer vor Augen halten, dass sich ein großer Teil der Weltbevölkerung schon von Insekten ernährt, und das schon seit hunderten, wenn nicht sogar tausenden von Jahren. Die Frage ist vielmehr, wie man Personen aus der westlichen Welt dazu bringt, Insekten zu essen. Die Reaktion auf die Fly Factory war phänomenal, denn das Projekt zog sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien auf sich. Aber trotzdem schien es, als wären die Menschen nicht wirklich bereit dafür, selbst Insekten zu konsumieren. Das Ziel war es jedoch nie, Leute dazu zu überreden, Insekten zu essen, sondern sie zum Nachdenken zu bringen: „Würde ich Insekten essen?“ Das ist eine Frage, die sich die meisten Leute in Europa oder den USA noch nie gestellt haben. Natürlich bekam ich auch jede Menge positive Rückmeldungen von Leuten, die selbst die Fliegen gerne probieren oder züchten möchten.

Fly Factory Export Earth Lab Moscow

Credit: Búi Bjarmar Aðalsteinsson

Infolge der Fly Factory begannen Sie mit der Produktion (und dem Verkauf) eines weiteren Produkts, das Insekten enthält – der Jungle Bar. Bleibt die Fly Factory ein reines Ausstellungsstück? Oder könnten Sie sich auch für die Fliegenfabrik eine industrielle Herstellung vorstellen?

Búi Bjarmar Aðalsteinsson:  Die Fly Factory wurde vor allem als Ausstellungsstück entworfen. Viele ihrer Teile könnten aber für die industrielle Nutzung gebraucht werden. Momentan arbeite ich als Berater für Firmen, die bereit für die Herstellung von Insekten-haltigen Lebensmitteln sind. So kann ich meine Erfahrung mit der Zucht der Tiere zum Einsatz bringen – aber auch die Idee von essbaren Insekten weiter vermitteln.

Fly Factory EARTH LAB Moscow

Búi Bjarmar Aðalsteinsson (1988) studierte Produktdesign an der Isländischen Academy of Arts, sowie an der Nationalen Kunstakademie Oslo (Kunsthøgskolen i Oslo, unvollendet). Bui spezialisierte sich vorwiegend auf Design in der Lebensmittelherstellung. Sein Design zeichnet sich durch das Zersetzen von traditioneller Verarbeitungsmethoden, mit dem Ziel neues Wissen zu schaffen und Nachhaltigkeit zu fördern, aus. 

Búi Bjarmar Aðalsteinssons Fly Factory wird vom 21. Juni bis zum 25. September in der Ausstellung „EARTH LAB – Artists as Catalysts“ in der ehemaligen Schokoladenfabrik „Roter Oktober“ in Moskau ausgestellt. Weitere Informationen zur Ausstellung “EARTH LAB – Artists as Catalysts“ finden Sie auf export.aec.at/earthlab.

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