Als einer der weltgrößten interaktiven Lern- und Darstellungsdisplays eignet sich The Cube an der Queensland University of Technology (QUT) hervorragend um soziale Experimente mittels technologischer Manipulation menschlicher Interaktionen durchzuführen. Er dient Lauren McCarthy’s als „smart social environment,“ reagiert auf die Stimmung um ihn herum und versucht diese maßgeblich zu beeinflussen – sozusagen auf Knopfdruck! Bekannt dafür, dass sie heikle Fragen zwischenmenschlicher Natur gerade im Zeitalter virtueller Beziehungen auf provokante Art hinterfragt, beruht auch ihr aktuelles Experiment auf einer unheimlichen Utopie: Menschen, die nachdem sie ihre Gefühle verloren haben, diese durch Technologie nach dem „wünsch Dir was“- Prinzip zurückholen, und zwar nicht nur für sich, sondern im Bedarfsfall für die ganze Umgebung.
Credit: Lauren McCarthy
Wie sich das Big Data-Experiment auf die Studierenden an der QUT auswirkt und auf welchem Stand ihre Transmit³-Residency sich gerade befindet, verriet sie per Video-Interview.
Wie kamst Du auf die Idee Big Data im Kontext sozialer Interaktion zu untersuchen?
Lauren McCarthy: Wir hören von Firmen und Politikern wie sie über “Big Data” als etwas Abstraktes und Undurchsichtiges reden. Ich glaube es ist schwer zu verstehen was all das für uns zu bedeuten hat. Aber für mich ist es entscheidend. Unsere persönlichen Daten stehen in direkter Verbindung mit unserer Identität – sie beschreiben uns, sie eröffnen Einblicke in unser Leben und Persönlichkeiten. Sie formen uns auch. Die Systeme und Strukturen, die wir entwerfen, um unsere Daten zusammenzutragen, zu speichern und damit zu interagieren, definiert die Art wie wir über uns selbst denken. Also habe ich mich gefragt, ob wir damit etwas Interessanteres anstellen können, als unsere Schritte zu zählen, unsere Kalorien zu checken, oder die Likes unserer Facebook-Posts zu sammeln. Was passiert wenn wir uns stattdessen anschauen, was diese Daten im Hinblick auf unsere sozialen Beziehungen bedeuten. Gibt es Möglichkeiten der Verbesserung, oder ist es etwas, das wir kritisch hinterfragen sollten?
Hilfe oder „HILFE!!!“: Ein Google+ Hangout app analysiert Sprache und Gesichtsausdruck um das Gespräch zu verbessern.
Kannst Du uns bitte den experimentellen Aufbau am Cube der Queensland University of Technology beschreiben?
Lauren McCarthy: Wie Du vielleicht bereits weißt, gibt es bereits Sensoren um den Cube herum, die die Fähigkeit besitzen, Gefühlsregungen aufzuzeichnen, aber wir haben diese insofern erweitert, dass sie Leute tracken können, die sich um diesen Ort herum aufhalten, ihre Gesichtsausdrücke, ihre Geräusche und die Tonhöhe ihrer Stimmen aufzeichnen. Menschen, die hier reinspazieren werden mit einer bestimmten Frage konfrontiert, nämlich: “Wie willst Du Dich heute fühlen?“ Es gibt ein Interface, das mehrere hundert Gefühle zur Auswahl gibt, und wenn Du Dir eines ausgesucht hast, gilt diese Wahl nicht nur für Dich alleine, sondern auch für die Leute um Dich herum. Nehmen wir an, Du hast Dir „nostalgisch“ oder „neidisch“ ausgesucht, reagiert der Cube in der Art, dass er alle anderen dahingehend beeinflusst, damit sie sich genauso fühlen. Das macht die Installation durch eine Anpassung des Ambientes, durch Lichtveränderung, Farbgebung, Geräusche und so weiter.
Mit dem Sammeln der Datenströme beabsichtigen wir eine generelle Stimmung zu provozieren. Nehmen wir an, die Mehrheit im Bereich des Cubes fühlt sich genervt und es gibt nur einen Einzigen, der lächelt; dann wird „die Wand“ das herausfinden und die anderen anstacheln, bis sich diese Person auch genervt fühlt.
Wie weit bist Du momentan mit der Anwendung, um herauszufinden wie die Leute auf die Wand reagieren?
Lauren McCarthy: Wir sind inmitten des Entwicklungsprozesses. Wir haben gerade das Interface gebaut, sodass die Leute sich Stimmungen auswählen können. Wir haben bis jetzt die Ausgangs-Instruktionen und Stimmungstypen festgelegt. Diese Fragen zu optimieren und die richtige Einstellung für das Ambiente zu finden wird die Aufgabe der kommenden Wochen sein.
Im Experimentierstadium: Werden auch negative Gefühle angewählt? Credit: Lauren McCarthy
Warum ist es wichtig eine Person in der Position zu haben, den anderen die Gefühlslage aufzudrücken?
Lauren McCarthy: Manchmal sitze ich in einem Zug und erlebe jemanden, der weint. Dann denke ich mir: „Warum gibt es nicht mehr weinende Menschen? Es kann doch nicht sein, dass niemand sonst an diesem Ort ein trauriges Gefühl verspürt, oder wegen der Probleme anderer mitweint.
Was ja ein Ausgleich zu dem wäre, wozu wir erzogen sind, nämlich unpopuläre Gefühle zu unterdrücken – was wiederum mit vielen Phobien einhergeht. Aber das bedeutet ja, dass Du die Gesellschaft zu einer weniger uniform agierenden Gruppe erziehen, sondern umgekehrt, sie dazu bringen möchtest, eine größere Palette an Gefühlen zuzulassen.
Lauren McCarthy: Ja, die Frage, die mir wochenlang im Kopf rumging war, was die Anweisungen der Wand tun würden. Sind sie dazu da, um Dich besser fühlen zu lassen, oder sich ordentlich zu benehmen? Vielleicht überlassen wir es lieber den Leuten, was sie damit anfangen wollen. Es ist ihre Sache, was sie erleben möchten. Es ist nicht wie bei dem Kauf eines Zugtickets. Es gibt keine Rundfahrt, also auch keine Garantie dort anzukommen, von wo man abgefahren ist.
Auf der Suche nach der passenden Realisierung werden Formen und Farben ausprobiert. Credit: Lauren McCarthy
Wie kannst Du garantieren dass die Menschen sich nicht durch das Menü wählen, wie sie TV Programme zappen?
Lauren McCarthy: Daran arbeiten wir noch, um sicherzustellen, dass die Erfahrung nicht nur eine sporadische ist.
Da es um Gefühle geht, wie entscheidest Du über die Auswahl, welche sind wünschenswert, welche nicht? Es wird ja keine unendliche Zahl an Wahlmöglichkeiten geben…
Lauren McCarthy: Wir haben schon ein paar hundert, und natürlich können wir nicht alle anbieten. Zukünftig stelle ich mir eine solche Installation sowohl in privaten Situationen als auch an öffentlichen Plätzen vor. Wenn Du zum Beispiel nach Hause kommst, suchst Du Dir anstatt den Fernseher anzuschalten eine Stimmung aus, in die Du Dich hinein versetzen möchtest. Oder Du hast eine Dinner Party und anstatt Musik im Hintergrund laufen zu lassen, provozierst Du Gefühlsregungen. Was an der öffentlichen Variante so reizvoll ist, dass man einander völlig Unbekannte auf schnellste Art und Weise in Verbindung miteinander bringen kann. Als einer meiner Freunde im Zug Zeuge eines schweren Unfalls wurde, war er darüber geschockt, dass sich die Leute anstatt zu helfen mit ihren Smartphones beschäftigt haben. Ich fragte ihn, wie er annehmen kann, dass die Menschen um ihn herum wissen könnten, dass er geschockt ist, wenn er mich auch nur über Smartphone informiert. Vielleicht ist meine Methode ein Weg das zu ändern.
Studierende vor dem Cube sollen in Stimmung kommen – in welche hat eine(r) stellvertretend ausgesucht. Credit: Lauren McCarthy
Glaubst Du, man bekommt durch Deine Installation einen objektiveren Eindruck von dem wie sich Leute fühlen, im Vergleich zu Facebook, wo man sich so präsentieren kann, dass es eher einem erdachten Image gleichkommt?
Lauren McCarthy: DAS ist eine der Implikationen meiner Arbeit. Vor ein paar Jahren hat Facebook eine Studie durchgeführt ohne die User davon zu informieren. Man hat, weil man rausgefunden hat, dass sich die Menschen besser fühlen, wenn sie nur Positives lesen, die negativen Dinge aus den Feeds gelöscht. Als es dann doch rauskam, war die Aufregung groß. Ich war einfach nur von dem Gedanken fasziniert, was es für Konsequenzen haben würde, wenn man sich per Facebook seine Stimmung aussuchen könnte, wenn man online geht. Würde es bedeuten man könnte auch die Stimmung der anderen Leute beeinflussen, würde man, indem die Wahl auf die immer gleichen Gefühle lenkt, etwas zutiefst Menschliches unterschlagen?
Was ja sehr verstörend wäre, zuerst lässt Du Dich von Technologie erziehen, dann brauchst Du die Maschine wieder um Dich zum Menschen zu erziehen…
Lauren McCarthy: Das ist in der Tat eine dystopische Vorstellung, dass wir in naher Zukunft alle unsere Menschlichkeit verlieren, sodass wir uns ein Gerät besorgen müssen, mit dem wir unsere tägliche Dosis Traurigkeit, Melancholie, Glück und so weiter abbekommen.
Ist der Mensch noch ein Spiegel seiner Gefühle und wenn nicht, kann uns Technologie dazu verhelfen Gefühle zu zeigen? Credit: Lauren McCarthy
Ist es nicht ohnehin sehr 1984-artig, sich vorzustellen einem Display zu gehorchen wie man zu reagieren hat?
Lauren McCarthy: Natürlich gleicht es einer Utopie, einen Raum zu betreten, wo wir einer Maschine sagen wie wir uns fühlen wollen, und anschließend übernimmt die Maschine die Kontrolle – aber so funktioniert unser Leben ja bereits. Wir glauben mit dem Smartphone ein mächtiges Tool zu besitzen, das wir kontrollieren. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt und eine große Firma teilt uns mit, wie wir uns verhalten sollen, stülpt uns ein ganzes System über. Bei meiner Arbeit geht es genau darum diese beiden Situationen gegenüber zustellen, diejenige in der wir glauben, dass es Spaß macht sich Gefühle auszusuchen, das heißt sich die Freiheit zu nehmen Gefühle auszusuchen und auf dann wiederum die dystopische Seite davon.
Wann wirst Du die Endresultate haben und was wirst Du mit denen am Ende des Tages anfangen?
Lauren McCarthy: Die Arbeit sollte Mitte August beendet sein. Dann gehen wir „live“ mit den Endresultaten und sie werden eine Woche hindurch zu sehen sein. Es wird eine Dinner Performance geben um zum Ausgangspunkt zurückzukommen, oder zumindest ein Dinner in einem Restaurant. Jedenfalls habe ich vor The Cube einzubinden und es wird Schauspieler beim Launch des Screens geben. Mehr wird noch nicht verraten.