Fuji Xerox nutzt Ars Electronica Center als Inspirationsquelle für Japans Vorstände

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Manch einer möge sich die Frage stellen, woher große Firmen ihre Inspiration zu neuen, bahnbrechenden Erfindungen bekommen. Speziell zu solchen, die sich auf einem internationalen Markt behaupten können, der sich unter dem Aspekt zunehmender Globalisierung für kleine Start-ups geöffnet hat, die zunehmend in Konkurrenz treten. Multinationale Unternehmen genießen den großen Vorteil in Forschung investieren zu können und von den Netzwerken, die sich über die gesamte Welt erstrecken. Es geht dabei nicht alleine um harte Daten und Zahlenwerke, sondern auch um ungewöhnliche Wege, um den Bedürfnisse zukünftiger Generationen gerecht zu werden.

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Shoko Takahashi, Forscherin am Ars Electronica Futurelab, hat das Design des Fuji-Xerox Workshop auf dem Schirm. Credit: Michael Mayr

Eines der Netzwerke, das an Zukunftsinnovationen arbeitet besteht zwischen Hakuhodo, Japans angesehener Werbeagentur und seinen Kunden, die sich teilweise aus den bekanntesten Firmen Japans rekrutieren, wie zum Beispiel Fuji Xerox – letztere, die das jährliche ‘Executive Seminar Program’ ausrichten, das den Klienten eine Reihe von Workshops anbietet, die zu künftigen Produktentwicklungen beitragen sollen. Da sich Hakuhodo und Ars Electronica Futurelab als „Creative Catalyst“ eine Basis geschaffen haben, auf der sie Fragen nach den zukünftigen Bedürfnissen der Menschheit stellen, war es eine logische Konsequenz einen Teil des Programmes in Linz abzuhalten. Folglich kam eine japanische Delegation von 10 Vertretern der größten japanischen Firmen und 6 Repräsentanten von Fuji Xerox  im Ars Electronica Center an, um an einem Workshop teilzunehmen, der von Ars Electronica Futurelab’s Shoko Takahashi entwickelt und geleitet wurde. Die Manager kommen aus den unterschiedlichsten Industriezweigen, den Industriezweigen wie der Telekommunikation, des Logistikservices, der Nahrung und Medizin, aus Automobil-, Immobilie-, Elektronik- (Konsumentenseitig/Industrieseitig), Versicherungs- und Chemie-Industrie.

Wie sie das Ars Electronica Center als den Kern der Inspiration und Ausgangspunkt des Workshops zu nutzen wusste, erzählt Shoko Takahashi während eines Interviews.

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In nur knapper Zeit leitet Shoko Takahashi die Vorstandmitglieder großer japanischer Unternehmen durch die Aufgaben. Credit: Michael Mayr

Um den Lesern und Leserinnen einen Hintergrund zu vermitteln, kannst Du in ein paar Worten erklären was Deine Motivation war und wie Du die Teilnehmenden durch diesen ereignisreichen Tag geleitet hast?

 Shoko Takahashi: Fuji Xerox bietet dieses Programm alljährlich an, jedes Mal unter einem anderen Motto, dieses Jahr mit dem Thema „Die Revitalisierung der Städte durch Innovation“, und als Experten auf diesem Gebiet, haben sie sich uns ausgesucht. Das gesamte Programm dauert 3-4 Monate, wird von einem Coach begleitet und involviert einige Studientreffen in Japan und eine Besuchsrunde in Übersee. Ars Electronica war am sechsten Tag an der Reihe, kurz nach einem Stopp in Berlin und Walldorf in Deutschland. Basierend auf ihrer Vorstellung bereiteten wir eine kurze Vorstellung der Ars Electronica vor, die von Christopher Lindinger, seines Zeichens Director of Research and Innovation am Ars Electronica Futurelab, präsentiert wurde. Diese handelte von unserer  Zusammenarbeit mit verschiedenen Industrien und wurde mit einer geführten Tour abgerundet. Danach ging es dann zum „Inspirational workshop“.

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Nach der Einführung begeben sich die Vorstandsmitglieder auf eine geführte Tour durch das Ars Electronica Center. 

Wie hast Du „die Stadt“ mit den Aufgaben, die sie revitalisieren sollen zusammen gebracht?

 Shoko Takahashi: Da die Zeitspanne für den Workshop begrenzt war, musste ich mir eine möglichst einfache Idee einfallen lassen, eine die jeder sofort versteht und umsetzen kann. Die Richtung auf die die Gruppenarbeit zu lief, war das Erstellen einer zukünftigen Tageszeitung, genauer das Arrangement von Artikeln mit Headlines und kurzen Artikeln, mindestens aber einer kurzen Einleitung. Diese würde in 2040 veröffentlicht, dem Zeitpunkt wenn die Technologie einen Sprung gemacht haben würde. Um die Ideen für Nachrichten zu zünden, waren die Teilnehmenden dazu angehalten bei einer Schnitzeljagd mitzumachen, indem sie Teile, die sie der Ausstellung entnehmen und bei einem anschließenden spekulativen Brainstorming zusammentragen sollten.

Eine Schnitzeljagd bedeutet das Sammeln von Teilstücken, die zu einem Ganzen, in diesem Fall also die Frontseite einer Zeitung, führt. Da der Ausstellungsraum riesig und die Themen vielfältig sind- welches waren die Puzzleteile, auf die Du Dich beschränkt hast?

Shoko Takahashi: Um verschiedene Lösungen zu einer gleichbleibenden Aufgabenstellung zu erhalten, ist es notwendig Hinweisschritte zu offenen Fragen zu generieren. Aber zur gleichen Zeit wollte ich keinen beeinflussen. Also warf ich schlichtweg einige Schlüsselbegriffe in den Raum, wie zum Beispiel „menschliche Würde“, „Natur der Erde“, nur um einen möglichen Blickwinkel aus dem man die Zukunft betrachten kann zu generieren. Anschließend sollten sie Bilder in der Ausstellung finden, die unter den Schlüsselbegriffen vorkommen, diese dann fotografieren. Schließlich sollten sie darüber diskutieren, warum sie welche Fotos ausgesucht haben und warum gerade jene sich dazu eignen um eine Antwort auf mögliche Fragen zu finden. Die zusammengetragenen Bilder sollten sie inspirieren, aufwühlen, Angst einjagen, oder anekeln – je heftiger die Emotionen ausfallen würden, desto besser.

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Schlussendlich werden Manager zu Redakteuren und kreieren ihre eigene Zukunftszeitung . Credit: Michael Mayr

Worin besteht die Verbindung zu den Bedürfnissen der Gesellschaft wenn Du diese Fragen stellst? Und wie erzeugst Du die notwendige Inspiration um Lösungen zu den gestellten Aufgaben zu erhalten?

Shoko Takahashi: Am Ende des Tages solltest Du Antworten auf Deine eigenen Fragen finden, indem Du Dir bewusst machst, was Deine Eingebung, diese und keine andere Teile ausgesucht zu haben, getriggert hat. Du wirst Deine eigenen Schlüsse ziehen können, wenn Du Dir erklären kannst, welchen Sinneskanal Du benutzt um Deine Umgebung zu erfassen, welche neue Perspektive Du in Dir selbst entdeckt hast und ob Du zumindest drei Dimensionen wiedergeben kannst um eine Arbeit zu erklären. Außerdem war es die Aufgabe, dass jedes Gruppenmitglied aufzählt, warum es etwas nicht mochte und warum es gewisse Arbeiten vorzog und wie diese Priorisierung zustande kommt. Letztlich wie man diese Gewichtung in ein gesellschaftliches oder kommerzielles Modell der Zukunft überführen kann. Wenn man dieser Gedankenkette folgt, dann kommt man darauf wie man die Welt sieht, und wie man die Gesellschaft und Technologie wahrnimmt.

Da Redakteure in unseren Breitengraden dazu tendieren, das Negative zu akzentuieren, weil damit tendenziell eine hitzige Debatte einhergeht, wie ist die japanische Delegation mit der implizierten Negativität umgegangen? … Stichwort abstoßende Bilder.

Shoko Takahashi: Das ist typisch westlich, ja. Nachdem Japan lange Zeit großen Reichtum genoss, tendiert es dazu sich vor den größeren Problemen zu verschließen, die gelöst werden müssen. Nach einer Tradition stets einen Konsens zu finden, neigen wir dazu die positive Seite von Dingen hervorzuheben, oder zumindest neutral in der Darstellung zu bleiben. Um mit bahnbrechenden Ideen aufwarten zu können, muss man die Welt aber kritisch sehen.

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Im Ergebnis immigriert die Menschheit 2014 zum Mars, so titelt die Frontseite einer Zeitung, die im Workshop angerissen wurde. Credit: Shoko Takahashi.

Würdest Du bitte ein Beispiel der Visionen oder von den Zeitungsartikeln wiedergeben?

Shoko Takahashi: In der Diskussionsrunde präsentierten vier Gruppen ihre Zeitungen und es gab einige Überlappungen bzgl. der ausgesuchten Themen. Zum Beispiel schrieb eines der Teams über das Thema „Selbst-Operation“, was sie als im Jahre 2040 als verortet haben. Also erfanden sie die Neuigkeit über ein Gesetz zur Zulassung. Ein anderes Team schrieb über „Mars—Migration“. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass diese beiden Stories ineinander greifen um ein ganzes Bild der zukünftigen Gesellschaft abzugeben. Gemäß des technologischen Fortschritts – wie dem der Selbst-Operation, leben Menschen länger. Das führt graduell zu einer Überbevölkerung, was wiederum zur Migration zum Mars führt. Durch diese Präsentations-Sessions sahen die Teilnehmenden die größere Perspektive als die des Insulaners. Da die Vorstellungskraft durch das gegenüberstellen der Zeitungen genährt wurde, fiel es ihnen leichter die ganze Welt als eine Gesellschaft zu betrachten.

Und nun wo sie die Vision haben, was können die Vorstandsmitglieder entwickeln um erfolgreich zu sein?

Shoko Takahashi: Es gab tatsächlich eine Diskussion mit einem der Repräsentanten, wie man den Mars bewohnbar machen könnte, aber es war gar nicht das Ziel, sie dazu zu bringen mit gezielten Ideen für ein Produkt der Zukunft aus dem Workshop zu gehen. Wenn sie durch den Workshop gelernt haben, die Perspektive zu wechseln und die ganze Timeline im Auge haben, was sich von jetzt bis 20140 ändert, werden sie hoffentlich dazu angeregt sein, ihre persönliche Herausforderungen meistern zu können. Man braucht nicht notwendigerweise das Ars Electronica Center um dies zu bewerkstelligen, mehr die Methode. Es braucht die Sinnesschärfe um Dinge kritischer zu fühlen und zu denken – und das über einen längeren Zeitraum. Dann wird es einen gelingen neue Ideen zu entwickeln.