FEAT, das steht für Future Emerging Arts & Technologies, also die Kunstformen und Technologien der Zukunft. Das Residency-Projekt verbindet KünstlerInnen mit verschiedenen EU-geförderten Future Emerging Technologies (FET) Programmen, um die Zusammenarbeit zwischen Kunst und Wissenschaft zu fördern. Neun Monate lang erhielten sieben KünstlerInnen die Chance, in Residencies an Forschungseinrichtungen und in Laboren zu arbeiten.
Zu welchen Fehlern, Missverständnissen und Fehlkommunikationen eine solche Zusammenarbeit führen kann und warum sie trotzdem wertvoll ist, wird beim diesjährigen Ars Electronica Festival am Samstag, den 09. September 2017, in einem Interview Panel diskutiert.
Erich Prem, Koordinator von FEAT, erzählt uns mehr über das Projekt.
„Parting the waves“ von semiconductor enstand im Rahmen von FEAT.
Erzählen Sie uns von FEAT!
Erich Prem: Wissenschaft und Kunst sind heute zwei Felder, waren aber einmal vereint. FEAT ist ein Versuch, sie im Zuge eines Projektes wieder zusammenzubringen und dabei nicht nur neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit für in der FET-Open Linie der Europäischen Union geförderte Forschungsprojekte zu entwickeln, sondern auch neue Wege der gegenseitigen Inspiration zu finden. Meine Kollegen und ich haben FEAT gestartet, um sieben Residencies führender internationaler Künstler in FET-Projekten zu organisieren und zu unterstützen.
Während dieser 9-monatigen Residencies haben die Künstler und Künstlerinnen eng mit Forschern und Forscherinnen, Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zusammengearbeitet, die sich mit Grundlagenforschung in visionären und neuartigen Technologiefeldern beschäftigen. Diese Felder umfassen Bereiche wie die Genregulierung, Quantenphysik, Unterwasser-Robotik, CO2-Speicherung und Exascale Computing. Aber diese Kooperationen waren keine rein künstlerischen Unterfangen. Wir haben auch die Auswirkungen des künstlerischen Engagements auf die Arbeit von Wissenschaftlern Wissenschaftlerinnen und Ingenieuren und Ingenieurinnen genauer untersucht. Darüber hinaus wollten wir Ergebnisse aus Technologieprojekten auch einem nichtwissenschaftlichen Publikum näher bringen, darunter Innovatoren, Innovatorinnen, Forschungsmanager und -Managerinnen sowie Bürgerinnen und Bürger.
FEAT Künstler Špela Petrič & MihaTuršič, ::vtol::, Anna Dumitriu, Vicky Isley & Paul Smith (boredomresearch), Joe Gerhardt & Ruth Jarman (semiconductor) bei der FEAT Ausstellungseröffnung im LifeSpace Dundee.
Wer sind die ProtagonistInnen von FEAT und was ist ihr Hintergrund?
Erich Prem: Zur Erreichung unserer Ziele sind selbstverständlich die Künstler und Künstlerinnen und die Forschungsteams in den FET-Projekten die wichtigsten Protagonisten und Protagonistinnen. Innerhalb der FEAT-Initiative ist meine Rolle als RTDI-Strategieberater und CEO von eutema die Koordination des Projekts, die langfristige Strategie sowie die Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse. Für FEAT haben wir eng mit Anna Dumitriu zusammengearbeitet, einer britischen Künstlerin und Kuratorin, deren Arbeit Handwerk, Technik und Biowissenschaften verschmilzt, um die menschliche Beziehung zur mikrobiellen Welt, Biomedizin und Technik zu erkunden. Die andere Schlüsselperson ist Lucas Evers von der Waag Society in Amsterdam. Er hat eine Ausbildung als Künstler und Lehrer und engagiert sich in vielen Projekten an der Schnittstelle von Bio-Kunst und Design.
Im Zuge eines im Januar 2016 ausgeschriebenen Calls haben wir sechs Künstler, Künstlerinnen und Künstlerteams ausgewählt, die nicht nur in der Kunstwelt einen Namen haben, sondern auch über einen wissenschaftlichen Hintergrund verfügen und daher die idealen Kandidaten und Kandidatinnen für das FEAT-Projekt sind: boredomresearch, semiconductor, Pinar Yoldas , Evelina Domnitch & Dmitry Gelfand, Špela Petrič & MihaTuršič sowie Kerstin Ergenzinger. Und natürlich hat Anna Dumitriu, unser „artist partner“, auch mit einem FET-Projekt zusammengearbeitet, was die Gesamtzahl der Residencies auf sieben bringt.
Kunstwerk “Ion Hole” von ::vtol:: entsanden im Zuge ihrer Kollaboration mit dem RySQ Projekt. Credit: Dmitry Gelfand
Das Projekt läuft nun schon seit einiger Zeit, was sind die wichtigsten Faktoren, um KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen zusammenzubringen? Was sind die Herausforderungen?
Erich Prem: Auf Grundlage der Rückmeldungen der Künstler und Künstlerinnen kann ich sagen, dass es besonders wichtig war, die Künstler und Künstlerinnen schon im Frühstadium eines FET-Projektes direkt in die Forschungsarbeit selbst einzubetten. Sowohl den Künstlern und Künstlerinnen als auch den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen war es ein Anliegen, dass die Künstler und Künstlerinnen die Fähigkeiten erlernen die notwendig sind, um zu realen Forschungsergebnissen beizutragen. Alle Beteiligten waren zuversichtlich, dass der Beitrag der Künstler und Künstlerinnen bedeutsam sein wird, wenn sie von Anfang an ins Projekt eingebettet werden.
Darüber hinaus waren Offenheit und Hands-on-Kooperation ein wichtiger Faktor für den Erfolg der FEAT-Residencies. Die Künstler und Künstlerinnen waren aktiv in ihrem FET-Projekt tätig. Sie mussten an der zu erforschenden Technologie arbeiten. Daraus ergeben sich nicht nur räumliche Nähe, sondern auch echter Austausch und intensive Interaktionen. Es hat außerdem zur Folge, dass Künstler und Künstlerinnen spezifische technische Kompetenzen erwerben können, z.B. In Bezug auf Labortechniken oder die Verwendung hochspezialisierter Instrumente.
Sie haben FEAT letztes Jahr beim Ars Electronica Festival 2016 vorgestellt! Worum ging es bei Ihrem Event?
Erich Prem: Nachdem uns ein ganzer Nachmittag zur Verfügung gestellt worden ist, wollten wir nicht nur einen guten Überblick über FEAT und all seine Aspekte geben, sondern auch Feedback von Publikum und Experten und Expertinnen einsammeln, die nicht direkt an dem Projekt beteiligt sind. So hat zunächst jeder Künstler, jede Künstlerin eine kurze Intervention gegeben, worauf sie von verschiedenen Fachleuten aus den Bereichen Kunst und Wissenschaft interviewt wurden. Im Anschluss folgte eine offene Diskussion mit dem Publikum, wo wir einfach gefragt haben: „Machen wir das richtig?“. Wir haben dabei auch wichtige, aber relativ selten diskutierte Themen behandelt, zum Beispiel wie man es vermeiden kann, elitär zu sein. Abschließend haben wir auch noch einen Round Table organisiert, in dem ein ExpertInnengremium aus Kunst, Wissenschaft und Forschungspolitik die Herausforderungen im Bereich der Interaktion zwischen Kunst und Wissenschaft für zukünftige Forschungsförderprogramme diskutiert hat.
Künstlerduo semiconductor vor Ihrem Werk “Parting the Waves” entstanden im Zuge ihrer Kollaboration mit dem Projekt QuProCS.
Welche Rolle spielen Kunst und Kreativität im Zuge der Entwicklung neuer Technologien?
Erich Prem: Einen Künstler oder eine Künstlerin in den wissenschaftlichen Prozess zu bringen, kann vielfältige Auswirkungen haben. Zunächst stellen die Künstler und Künstlerinnen grundlegende Fragen zu Wissenschaft und Technik und folglich zu den Projektzielen, die sie oft kritisch untersuchen. Als Außenseiter und Außenseiterinnen in der Welt der Wissenschaft sind sie in einer ausgezeichneten Position, um Zeit und Energie dem gesellschaftlichen Kontext zu widmen, der den Forschern und Forscherinnen sehr wohl bekannt sein mag, dem sie aber in ihrer täglichen Arbeit wenig Zeit widmen können. Weiters sind sie oft von neuen Materialien fasziniert und werden zu frühen Nutzern neuer Technologien – in einer Weise, wie sie oft nicht von den Entwicklern oder Entwicklerinnen der Technologien erwartet wird.
Darüber hinaus berichteten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass die Interaktion mit den Künstlern und Künstlerinnen sie etwas von ihrer täglichen Laborroutine befreit haben. Das hat ihnen einen neuen Blick auf ihre eigene Arbeit erlaubt und Zeit verschafft, die sie für weniger zielgetriebene Überlegungen aufwenden konnten. Letzten Endes ist die Kunst auch eine großartige Möglichkeit, komplexe wissenschaftliche Themen einem breiten Publikum zu vermitteln. Die Materialität der Werke ermöglicht die Einbindung ganz neuer Zielgruppen. Die Künstler und Künstlerinnen können uns zum Beispiel einen direkten, oft emotionalen Zugang zu den ästhetischen Qualitäten von Experimenten geben.
Müssen wir neue Technologien heute anders entwickeln als vor ein paar Jahren?
Erich Prem: Heutzutage gibt es immer mehr Forschungs- und Technologieprogramme, die in Künstler und Künstlerinnen investieren, z.B. Die STARTS-Initiative der Europäischen Kommission im Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“. Diese Initiativen sollen laut Call-Texten die Auswirkungen der wissenschaftlichen Arbeit erhöhen sowie neue Denkweisen begünstigen und Innovationen fördern, die sich aus der Kunst- und Wissenschaftszusammenarbeit ergeben. Einfach ausgedrückt können Künstler und Künstlerinnen der Technologieentwicklung helfen, indem sie neue Sichtweisen in Forschungsprojekte einbringen sowie die Ergebnisse einem breiteren Publikum näherbringen und damit die Aufnahme neuer Technologien unterstützen.
Aber es gibt einen anderen Aspekt, der berücksichtigt werden sollte: die Frage der Ethik in der Technologieentwicklung. Viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, wie zum Beispiel Sabine Roeser, haben angeführt, dass Forscher und Forscherinnen immer auch ethische Fragen stellen sollten, da technologische Entwicklungen immense Konsequenzen für das menschliche Wohlergehen haben können. Aber gleichzeitig werden Wissenschaftler, Wissenschaftlerinnen und Ingenieure und Ingenieurinnen in der Regel als Menschen gesehen, die sehr rational denken und Probleme quantitativ beurteilen. Roeser kommt zu dem Schluss, dass Emotionen ein guter Weg sind, um ethische Einsichten zu gewinnen und dass Künstler und Künstlerinnen den notwendigen emotionalen Input für moralisch verantwortungsvolle Technologieentwicklung bieten können. Sie können Narrative bereitstellen und sich auf die Geschichte der Technik und ihre ethischen Konsequenzen beziehen.
Anna Dumitrius Werk “Make do and Mend” entstanden im Zuge ihrerKollaboration mit MRG Grammar.
Ihrer Meinung nach, wie kann Europa innovativer werden?
Erich Prem: Es gibt natürlich keine einfache Antwort auf diese sehr komplexe Frage. Aber Künstler und Künstlerinnen haben in der Tat bewiesen, dass sie neue Sichtweisen und Ideen in Forschungsprojekte einbringen können. Durch ihre rein investigative Natur können die Künste Innovationen anstoßen, die wiederum andere Akteure und Akteurinnen weiterentwickeln, da die Künstler und Künstlerinnen selbst vielleicht kein Interesse an Innovationen als solche haben. Stattdessen können sie aber darauf abzielen, „Bedeutung“ zu erzeugen. Auf diese Weise können die Künstler und Künstlerinnen nicht nur eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Nutzung neuer Technologien einnehmen. Sie können sich auch auf tiefergehende Fragen nach der Bedeutung der Technologien konzentrieren. Dies kann zu sozialer Innovation als besonders interessantes Ergebnis vieler Kunst- Wissenschaftsinteraktionen führen.
Dr. Erich Prem ist Chef-RTI-Strategieberater und CEO der eutema GmbH. Er ist ein regelmäßiger Koordinator internationaler Forschungsprojekte, Evaluator von FTE-Projekten für die Europäische Kommission und ein erfahrener Programmmanager von Förderprogrammen. Dr. Prem ist zertifizierter Wirtschaftswissenschaftler und arbeitet wissenschaftlich in künstlicher Intelligenz, Forschungspolitik, Innovationsforschung und Erkenntnistheorie. Er hat mehr als 70 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht und war Gastwissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology. Er erhielt seinen Dr.tech. an der TU Wien, wo er auch sein Diplomstudium der Informatik absolvierte. Er war Dozent am Informatik-Innovationszentrum der TU Wien und absolvierte einen MBA in General Management an der Donau Universität Krems.
Das Interview Panel FEAT wird beim Ars Electronica Festival 2017 am Samstag, den 09. September 2017, zu erleben sein. Um mehr über das Festival zu erfahren, folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, Instagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/ai/.