Ein Rahmen für Medienkunst: Die Festivalarchitektur 2017

crossing01,

Sie gibt den Medienkunstwerken einen Rahmen, leitet das Publikum durch die riesigen Ausstellungsflächen der POSTCITY, schafft die passende Atmosphäre und setzt das Festivalthema räumlich um: Die Rede ist von der Ausstellungsarchitektur für das Ars Electronica Festival 2017. Jürgen Haller und Christoph Weidinger, die Architekten von ANY:TIME ARCHITECTS, gestalten dieses Jahr die Räumlichkeiten der POSTCITY Linz für das große Medienkunstfestival im September. Wir haben uns mit ihnen getroffen und mehr über ihre Arbeit und die Architektur am Festival erfahren.

GRF-9509

Jürgen Haller und Christoph Weidinger. Credit: Vanessa Graf

Was muss man bei Ausstellungsarchitektur für Medienkunst beachten?

Jürgen Haller: Wir versuchen, die Kunstwerke schön zu präsentieren, ihrem Wesen entsprechend. Wir schaffen eigentlich so etwas wie einen Bilderrahmen, auch für Medienkunst lässt sich das machen. Unser Ansatz ist immer der, dass wir auf den Ort eingehen und versuchen, räumlich eine interessante Präsentation um das ausgestellte Objekt zu erstellen. Es ist eine Gratwanderung, dass wir uns als Architekten nicht in den Vordergrund bringen. Wenn der Bilderrahmen viel größer ist als das Bild oder der Inhalt selbst, dann ist die Übung misslungen.

Was ist die Herausforderung an der POSTCITY als Raum?

Christoph Weidinger: Die Herausforderung ist vor allem die Größe des Areals. Dass man dort eine Fläche bespielt, die eigentlich für ein Festival oder eine Ausstellung sehr weitläufig ist und unterschiedlichste Raumsituationen beinhaltet. Manchmal sind es wirklich helle Räume, manchmal ganz dunkel. Auch klimatisch sind sie sehr anspruchsvoll.

Jürgen Haller: Die POSTCITY hat einfach eine post-industrielle Bildästhetik. Es ist sehr speziell, dass wir Ausstellungsarchitektur in einem solchen  post-industriellenRahmen machen. Es ist ein großer Unterschied zu einem White Cube in einem modernen Museum, wo man in einem schönen, extra für die Kunst gebauten Raum etwas erstellt.

MAIS_PAR

Erste Entwürfe und Ideen für die Festival-Architektur. Credit: ANY:TIME ARCHITECTS

Wo liegt der Reiz bei einer Ausstellung für Medienkunst aus eurer Sicht?

Christoph Weidinger: Das Spannende ist, dass es sehr vielfältig ist. Auch, wie man Medienkunst fassen kann. Dadurch entsteht genau die Schwierigkeit, die Jürgen angesprochen hat, einen passenden Bilderrahmen zu schaffen. Die wesentliche Frage ist: Wie schaffe ich Bereiche, um diese unterschiedlichen Anforderungen, die von der Kunst kommen, in dieser Umgebung präsentieren zu können? Es ist auch wichtig, den Raum so zu unterteilen, dass die Kunstwerke dort gut präsentiert sind. Egal, um welche Art von Medienkunst es sich handelt.

HALLE_TRUCK

Nicht alle Ideen schaffen es zum Festival. Credit: ANY:TIME ARCHITECTS

Wie geht ihr an die Erstellung eines Ausstellungskonzepts heran?

Jürgen Haller: Wir versuchen, ein System zu finden, im industriellen Sinn und speziell auch für Artificial Intelligence als Thema, wo man eine grobe Gemeinsamkeit finden kann. Wir fragen uns, wie sich die Thematik verräumlichen lässt. Hier war unser erster Gedanke: Wir sind in einem Logistik-Zentrum. Wie würde eine künstliche Intelligenz diesen Raum einrichten? Wahrscheinlich nicht anders als eine große Spedition, eine Lagerhalle mit tausend verschiedenen Einzelteilen. Im Prinzip schaffen wir ein solches Traggerüst für Kunstwerke. Das geht so weit, dass wir Lagerregale und andere Lagerbehälter verwenden werden, auf denen man Kunst präsentieren kann. Diese Regale werden allerdings nicht wie üblich seriell in Reihe geschichtet, sondern wir arrangieren sie räumlich interessant, den jeweiligen Gegebenheiten entsprechend. Es gibt zum Beispiel eine lange Halle, in der wir quer arbeiten, dann gibt es eine, wo viel Publikumsverkehr ist, dort arbeiten wir längs.

Christoph Weidinger: Neben dieser Lagerlogistik an sich geht es auf einer Meta-Ebene um ein zweites Thema: die industrielle Landwirtschaft. In diesem Bereich wird schon sehr stark über Künstliche Intelligenz versucht, großflächig Nahrungsmittel zu produzieren. Dahingehend haben wir versucht, solche Nutzpflanzen in den Räumen der POSTCITY einzusetzen. Wir arbeiten wieder mit den Stadtgärten Linz zusammen, die für uns Pflanzen von Mais bis hin zu Sonnenblumen anbauen. Wir werden, soweit es möglich ist, etwas größere Felder mitten in den regelmäßigen Hochregallagern darzustellen. Das lässt den Raum ein bisschen atmosphärischer wirken.

roll_west

Credit: ANY:TIME ARCHITECTS

Wie schafft man es bei einem so großen Festival mittels der Ausstellungsarchitektur, dass man den Überblick behält?

Jürgen Haller: Wir glauben, dass wir über das Rahmenelement der Industrieregale, die immer wieder vorkommen, eine gewisse Systematik schaffen. Die Orientierung der Dinge wird dem Raum eine gewisse Prägung auferlegen. In den Untergeschossen werden zum Beispiel ganz andere Zonen geschaffen, mit anderen Themenbereichen. Hier kann man mit den Regalen gar nicht arbeiten, weil die Räume nicht so hoch sind. Da ist der Auftrag an uns, möglichst unsichtbare Ausstellungsarchitektur zu schaffen. Es sind kleinteilige Räume, wo die Exponate sehr speziell sind, praktisch in den Raum maßgeschneidert.

Es ist auch ein gewisser Reiz, dass die POSTCITY von Geschoss zu Geschoss so unterschiedlich ist. Es hat einen labyrinthischen Charakter, plötzlich öffnet sich eine Tür, man steht in einem großen Gang oder in einer riesigen Halle und mitten in einem anderen Thema, einer anderen Atmosphäre, einem anderen Geruch. Das spielt alles mit beim Konzept.

Christoph Weidinger: Wir arbeiten einerseits mit dem Areal an sich, mit seinen unterschiedlichen Raumsituationen, und andererseits mit neuen Elementen, die diesen Eindruck noch einmal verstärken. Vor allem im Obergeschoss geht es darum, mit der Positionierung des Regalsystems, das sich räumlich verengt oder erweitert, hoch oder niedrig ist, einmal hell, einmal dunkel, also mit diesen Gegensätzen zu arbeiten. Wir wollen unterstreichen, dass die Exponate das Wesentliche sind. In dem, wie wir die Schwelle von der einen in die andere Welt schaffen, sehen wir unsere Aufgabe, den Raum zu interpretieren und verändern.

GRF-9517

Die Architekten arbeiten in der Tabakfabrik an der Architektur fürs Festival. Credit: Vanessa Graf

Mittlerweile macht ihr schon seit zehn Jahren Ausstellungsarchitektur – auf welchen Erfahrungen könnt ihr aufbauen?

Christoph Weidinger: Wir haben durch zehn Jahre in der Ausstellungsarchitektur, von ganz kleinen Räumen bis hin zu großen, eine gewisse Erfahrung, was Abläufe betrifft. Wir wissen, wo wir zu welcher Zeit mehr Energie brauchen und wo wir uns dafür ein bisschen zurück nehmen, die Leute selbst arbeiten lassen können. Es ist fast so, als hätte man ein großes Musikstück: Man weiß, dass es letztendlich aufgeführt wird und fängt an zu proben. Die Proben werden immer intensiver, immer besser, bis dass es dann zur großen Premiere kommt. So ist das bei uns auch.

Anytime Architects

Jürgen Haller, geboren 1973 in Linz, studierte Architektur an der Kunstuniversität Linz. Er ist Mitgründer von pixelhotel von der E-Mobility-Firma b turtle, außerdem Mitinhaber von gentletent gmbh. Christoph Weidinger, geboren in Linz, absolvierte eine Zimmererlehre, bevor er an der Kunstuniversität Linz Architektur studierte. Er ist Initiator von zeroLab, Mitgründer von pixelhotel und Vorsitzender im Architekturforum OÖ (afo). Gemeinsam bilden sie das Team von ANY:TIME ARCHITECTS.

Wie die Ausstellungsarchitektur letzten Endes wirklich aussehen wird, können Sie beim Ars Electronica Festival von 7. bis 11. September 2017 in der POSTCITY Linz erleben. Um mehr über das Festival zu erfahren, folgen Sie uns auf FacebookTwitterInstagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/ai/.

,