Homo Digitalis: Was macht die digitale Revolution mit uns?

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Wie lange sind wir eigentlich noch Mensch und wie geht es weiter mit dem exponentiellen Wachstum des Fortschritts? Verwandeln wir uns bereits vom Homo Sapiens in eine neue Spezies – den „Homo Digitalis“? Die gleichnamige Webserie von BR, ARTE und ORF begibt sich in sieben Episoden auf die Suche nach Antworten und begegnet dabei internationalen ExpertInnen auf dem Gebiet der Zukunftsforschung. Ausgangspunkt der abwechslungsreichen Erkundungstour von Helen Fares, der Protagonistin der Serie, ist das Ars Electronica Futurelab in Linz.

Das Ars Electronica Futurelab war nicht nur Schauplatz sondern auch wissenschaftlicher Partner der Webserie „Homo Digitalis“. Wie habt Ihr das Filmteam dabei unterstützt?

Christopher Lindinger: Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass sich das Filmteam rund um Christiane Miethge und Nils Otte schon in einem sehr frühen Stadium des Projekts an uns gewandt hat und wir damit unsere Expertise von Beginn an einbringen konnten. Das Ars Electronica Futurelab arbeitet hier in Linz ja laufend an der Entwicklung von Zukunftsszenarien – nicht nur deshalb waren wir von der Idee dieses „Homo Digitalis“ sehr begeistert. Spannend war für uns vor allem auch, diese gesellschaftsrelevanten Themen über die Zukunft des Menschen in dieses Format zu bringen und es gemeinsam zu entwickeln. Das Filmteam haben wir bei der inhaltlichen Entwicklung der Webserie begleitet, gemeinsam die Zukunftsthemen der Episoden abgesteckt, darüber gesprochen, welche Experimente wir durchführen und an welche Netzwerke wir andocken können, um geeignete GesprächspartnerInnen zu finden.

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Helen Fares hinter den Kulissen bzw. hinter der Fassade des Ars Electronica Center – Credit: Kyrill Ahlvers

Ein sehr zentraler Part für uns war aber unser Know-how im Bereich der gestaltenden Zukunftsforschung einfließen zu lassen. Wir entwickeln hier am Ars Electronica Futurelab Prototypen für Produkte, die in einigen Jahren auf den Markt kommen könnten, und wir kreieren ebenso spekulative Projekte, weil wir herausfinden wollen, wie die NutzerInnen damit umgehen, und um zu lernen, worauf es ankommt, wo die Schwierigkeiten liegen und so weiter. Das hat sich schließlich in eine zentrale Kernfrage der ganzen Webserie entwickelt – oder auch in eine Grundidee davon, dass die Protagonistin Helen Fares sich nicht nur die Projekte ansieht sondern sich auch immer wieder solchen Prototypen persönlich aussetzt. Gleich in der ersten Folge von „Homo Digitalis“ trifft Helen ihre „virtuelle“ Freundin…

https://www.youtube.com/watch?v=9loTyplX2yk

Du meinst das Hologramm ihrer Freundin Josie…

Christopher Lindinger: Ja, genau. Inspiration für dieses Experiment war das Projekt GateBox. Das ist ein japanisches Projekt, das bereits als Prototyp existiert, bei dem du eine virtuelle Freundin haben kannst, die sich mit dir unterhält. Bevor wir mit Helen ein ähnliches Experiment starteten, haben wir ihr das Video dieses Prototyps gezeigt, damit sie das einordnen kann, was sie anschließend zu sehen bekam. Mehr haben wir Helen darüber nicht erzählt.

In unserem Studio hatte sie schließlich eine halbe Stunde Zeit, sich mit ihrer virtuellen Freundin, die Josie ähnlich sah, zu unterhalten und mit diesem Prototyp zu spielen. Wir haben ihre Reaktionen beobachtet und wollten mehr über ihre ersten Impulse mit diesem Hologramm wissen. Natürlich haben wir das Experiment so angelegt, dass Helen es eher glauben konnte. Das war für mich auch eines der spannendsten Experimente, weil ihre Reaktion hier am heftigsten war. Danach hat es wahnsinnig viele Diskussionen gegeben, wie weit man damit gehen soll oder kann, welche Gefühle sie zu dieser Person entwickelt hat, obwohl sie nur virtuell existierte.

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Am Set. Credit: Kyrill Ahlvers

Welche Experimente habt Ihr noch durchgeführt?

Christopher Lindinger: In anderen Experimenten hier am Ars Electronica Futurelab ging es vor allem darum, verschiedene Technologien kennenzulernen und Helen zu zeigen, was damit heute schon möglich ist. Bei dem Freundschaftsexperiment haben wir sie wirklich dem Ganzen nichts wissend ausgesetzt und sie auch mehr oder weniger alleine gelassen. Bei den anderen Experimenten haben wir sie begleitet und ihr erklärt, was man damit machen kann, welche Perspektiven es dazu gibt. So hat sich Helen bei einem weiteren Experiment ein Brain-Computer-Interface aufgesetzt und konnte damit allein durch Kraft ihrer Gedanken eine Drohne steuern. Über eine VR-Brille hat sie ihr eigenes virtuelles Konzert vor einem Live-Publikum gegeben, im BioLab des Ars Electronica Center lernte sie ihre eigene DNA zu hacken, und sie hat eine Software ausprobiert, die anhand ihrer Mimik ihre Emotionen und Gefühlslagen buchstäblich von ihren Augen ablesen konnte.

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Szene aus „Homo Digitalis“

Die Webserie versucht vor allem eine zentrale Frage zu beantworten: Was macht die digitale Revolution mit uns als Menschen? Wie siehst du das – wie weit sind wir von der Spezies „Homo Digitalis“ entfernt?

Christopher Lindinger: Für uns am Ars Electronica Futurelab geht es genau darum, diese Frage aufzuwerfen. Wenn man mich aber persönlich fragt, würde ich sagen, wir sind eigentlich schon mitten drinnen, vielleicht in einem Frühstadium, aber wir haben uns schon zu einem „Homo Digitalis“ entwickelt. Wenn man sich anschaut, wie zärtlich wir unsere Smartphones streicheln, wie wichtig Technologie für uns geworden ist, was man für ein Gefühl hat, wenn man sein Smartphone den ganzen Tag nicht findet, und so weiter. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir diesen Zustand genau thematisieren. Da ist es einfach ganz gut, dieses Wort zu haben, „Homo Digitalis“.

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Was ist heute schon möglich mittels Gesichtserkennung? Szene aus der Webserie „Homo Digitalis“

„All das, was in der Zukunft entwickelt wird, das ist ja von uns Menschen gestaltbar. Das, was wir am Ars Electronica Futurelab wollen, ist, dass wir die Leute aufrütteln und ihnen diese Themen sehr nahebringen, damit wir rechtzeitig darüber diskutieren können, was wir als Gesellschaft wirklich haben wollen und was nicht.“

Die Technologie ist ja per se weder gut noch schlecht – die Frage ist nur, wie der Nutzen davon ist. Mit all der Technologie, die uns derzeit zur Verfügung steht, erleben wir ja laufend, dass sich Technologie und unser Verständnis, sie zu benutzen, immer schneller entwickelt. Dadurch ist es umso wichtiger, einen gesellschaftlichen Diskurs zu führen. Mit solchen Webserien erreichen wir noch weitere Zielgruppen. Und das ist natürlich großartig!

Hinweis: Alle sieben Folgen der Webserie „Homo Digitalis“ können Sie jederzeit auf www.homodigitalis.tv nachsehen. Wir wünschen gute Unterhaltung! 

Christopher Lindinger

Christoper Lindinger studierte Informatik an der Johannes Kepler Universität Linz und Kulturmanagement in Salzburg. Christopher arbeitete als Wissenschaftler im Bereich der Supercomputervisualisierung in Chicago und freiberuflich für die Computerspiele-Industrie. Aufgrund seiner Aktivitäten im Bereich der neuen Technologien, digitalen Kultur und Kunst ist er seit 1997 in die Ars Electronica involviert. Derzeit leitet er den Bereich Forschung und Innovation im Ars Electronica Futurelab und ist neben Beratungstätigkeiten für die Industrie und Regierungseinrichtungen auch als Lehrbeauftragter an verschiedensten Universitäten tätig.