Lange Nacht der Bühnen 2017: Urban Dance Styles

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Von Popping und Locking über Breaking bis hin zu Dancehall, Waacking und Voguing– Urban Dance Styles ist vieles. Eine Kostprobe der abwechslungsreichen Tanzformen erwartet uns dieses Jahr bei der Langen Nacht der Bühnen am 11. November 2017: Der Lehrgang Urban Dance Styles der Anton Bruckner Privatuniversität und das Linzer Tanzkollektiv Urban Artists zeigen in einer einstündigen Performance im Ars Electronica Center, was sie können.

Markus Eggensperger, Koordinator der Lehrgangs Urban Dance Styles, gibt uns im Interview einen kleinen Vorgeschmack, erklärt, warum Urban Dance nicht mehr Street Dance heißt, und zeigt, dass Hip-Hop und Co auch auf Bühnen zuhause sind.

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Markus Eggensperger. Credit: Vanessa Graf

Markus, du bist Koordinator des Lehrgangs Urban Dance Styles an der Anton Bruckner Privatuniversität. Was sind die Inhalte dieses Lehrgangs, was sind Urban Dance Styles?

Markus Eggensperger: Es ist ein berufsbegleitender Lehrgang, den man nach einem Jahr mit einem Diplom abschließt. Es gibt ihn erst seit 2016, wir sind also gerade in der Entwicklung, aber nach zwei Jahren ist unser Ziel, dass man den Lehrgang mit einem akademischen Trainer abschließt. Grundsätzlich ist es so, dass unsere Studierenden einmal im Monat für ein Wochenende nach Linz an die Bruckneruni kommen und in unterschiedlichen Bereichen ausgebildet werden.

Das Thema ist Urban Dance Styles, was bedeutet das also? Früher wurde der Begriff „Street Dance“ verwendet. Wir haben uns aber vor einigen Jahren dazu entschieden, den Begriff Urban Dance Styles im deutschsprachigen Raum zu etablieren und zu prägen, aus einem ganz einfachen Grund: Uns wurde im deutschsprachigen Raum mit den Namen Street Dance oft vorgeworfen, dass wir nichts auf einer Bühne verloren haben, dass wir auf die Straße gehören. Die Terminologie bedeutet aber im US-amerikanischen Raum etwas ganz anderes. Unter dem Begriff Street ist nicht die Straße damit gemeint. Es ist vielmehr so wie bei Streetwear, Kleidung, die ich nicht nur auf der Straße, sondern überall tragen kann. Das ist das, was dieser Begriff Street meint. Es ist eine Tanzform, die überall stattfindet, sei es in Clubs, sei es in einem Tanzstudio, sei es auf einer Bühne, oder sei es eben auch auf der Straße.

Welche unterschiedlichen Tanzstyle fallen unter die Urban Dance Styles?

Markus Eggensperger: Das ist eine nicht-taxative Aufzählung. Wir beschäftigen uns im Lehrgang mit Breaking, das ist die ursprünglichste Tanzform der Hip-Hop-Kultur, auch mit Hip-Hop Freestyle, mit Party Dances, Social Dances, also Tanzstile aus New York. Aus Los Angeles kommen die Tanzformen Locking und Popping, aus Chicago, oder Chicago und New York, House, auch damit beschäftigen wir uns im Lehrgang. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Urban Dance Styles. Dazu gehört Waacking, das aus Los Angeles kommt, Voguing, Dancehall aus Jamaica, oder auch Lite Feet, einer der neuesten Stile, die aus New York kommen. Diese Themen streifen wir am Rande, aber der Fokus liegt bei Breaking, Popping, Locking, und House. Und natürlich Hip-Hop Freestyle.

Warum wird statt Street ausgerechnet das Wort Urban verwendet?

Markus Eggensperger: Das Wort Urban bedeutet grundsätzlich im US-amerikanischen Raum kulturell genau das Gegenteil. Meine US-amerikanischen Kollegen und Kolleginnen finden das Wort schräg, weil sozusagen die High Society den Begriff Urban verwendet, wenn sie über Straßenkids redet, um nicht Street zu sagen. Das ist ein komisches Gefühl. Aber bei uns ist es genau umgekehrt! Wenn ich um Kulturgelder ansuche und gefragt werde, was ich denn mache, und ich sage Street Dance, dann wundert man sich: Warum willst du überhaupt Kulturgelder haben? Das ist mir nicht nur in Oberösterreich, sondern auch in anderen Bundesländern und auch auf Bundesebene über zehn Jahre lang so ergangen. Wenn es um Anerkennung, um Fördergelder, um Qualität geht, gibt es bei dem Begriff Hip-Hop die Assoziation – ihr seid Kids von der Straße, ihr könnt nichts. Bei Street Dance ist diese Assoziation ähnlich: Ihr sagt ja selbst, ihr macht Street Dance, wieso wollt ihr in ein Theater? Die Straße ist zwar ein Element von uns, wir machen auch Shows dort, waren die letzten Jahre zum Beispiel Teil des Pflasterspektakels, aber das wird oft falsch verstanden. Unser Tanz kommt nicht von der Straße, er wird einfach auch, so wie andere Kunstformen, auch auf der Straße präsentiert. Unsere Tanzform kommt von Hauspartys, nicht im Sinne von House als Musikform, sondern davon, dass man sich daheim bei jemandem getroffen und Party gemacht hat. Unsere Tanzformen kommen aus den New Yorker Clubs, aus den Clubs aus L.A. und aus den Clubs aus Chicago. Es ist ein Irrglaube, dass unsere Tänze sind auf der Straße entwickelt worden wären.

Urban Dance und Bühnen schließen sich also nicht gegenseitig aus.

Markus Eggensperger: Ganz im Gegenteil, Bühnen sind eine Präsentationsform unserer Tanzkunst und unserer unterschiedlichen Kunstformen. Ich glaube sogar, eine ganz wesentliche, weil man in großen Häusern und auf großen Bühnen ein anderes Publikum erreicht als auf der Straße.

Urban – das Wort steckt auch im Namen des Kollektivs Urban Artists, bei dem du tätig bist. Um was handelt es sich genau?

Markus Eggensperger: Urban Artists ist ein Verein mit Sitz in Linz, der aus dem Lehrgang Urban Dance Styles heraus gegründet wurde. Die Mitglieder sind entweder Dozenten, Dozentinnen, Lehrende, Studierende aus dem Lehrgang, oder Absolventen und Absolventinnen. Rund um diesen Verein passieren ganz viele Events: Im Januar veranstalten wir zum Beispiel „Show Your Skillz“, das ist ein Battle, das im LENTOS Kunstmuseum stattfinden wird. Im April findet die „Urban Art Session“ im OK statt, sowie viele kleinere und größere Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Bruckneruni, mit der Kinderuni oder mit den unterschiedlichen Kulturinstitutionen in Oberösterreich. Hier geht es uns stark um die Kulturvermittlung.

Was hat es mit den vier Schlagworten DJing, MCing, Breaking und Writing auf sich, die man auf eurer Webseite überall findet?

Markus Eggensperger: Das sind die vier Elemente der HipHop Kultur. DJing, MCing, Breaking und Writing sind die vier Grundelemente der Hip-Hop-Kultur. Es wird in der Hip-Hop-Kultur immer von diesen „four elements“ als „basic“ gesprochen. Damit kann man am leichtesten verstehen, was Urban Artists macht. Wir haben Beatboxer dabei, wir haben MCs dabei, also jene, die ein Battle hosten, Moderatoren, Moderatorinnen, Conférenciers, oder auch jene, die rappen. MC steht für Master of Ceremony, DJ für Disc Jockey, das ist etwas bekannter – die Person, die hinter den Turntables steht. Das Wort Breaking ist ein Substitut, es steht in diesem Fall für alle Tanzformen der urbanen Tanzkulturen.

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Credit: Markus Eggensperger

Bei der Langen Nacht der Bühnen am Samstag gibt es eine Performance vom Lehrgang Urban Dance Styles und den Urban Artists. Was erwartet uns?

Markus Eggensperger: Eine Stunde spannendes, interessantes, unterhaltsames Programm mit einigen kleinen Überraschungen. Es performen wie gesagt die Urban Artists gemeinsam mit den Studierenden vom Lehrgang. Es ist zwar kein kultureller Begriff unsererseits, aber man kann es sich als Revue-Show vorstellen, eine Nummern-Show, also keine durchgehende Produktion. Sie hat aber einen roten Faden, sie begleitet in die Welt der urbanen Tanzformen, der urbanen Kultur, und führt das Publikum eine Stunde lang hindurch. Es gibt ganz klassische Shows, bei denen in kurzer Form ein Tanzstück präsentiert wird; es gibt aber auch zentral Jams, Battles, die inszeniert werden; es wird einen MC geben; es wird einen DJ geben. Wir werden diese unterschiedlichen urbanen Tanzstile in unterschiedlichen Formen präsentieren. Bei der Herkunft des Begriffs Hip-Hop gibt es die Interpretationsmöglichkeit, dass er für „coole Party“ steht, also Hip als cool, Hop als Party, und das ist genau das, was das Publikum erwarten wird.  Sie werden nicht nur Zuseher und Zuseherinnen, sondern auch Teil des Geschehens sein.

Wie schauen die Vorbereitungen für so eine Performance für euch aus?

Markus Eggensperger: Dadurch, dass unsere Studierenden über ganz Österreich verteilt sind, haben wir kleine Gruppen gebildet, die sich im Vorfeld schon gemeinsam getroffen haben – ein paar trainieren zusammen in Innsbruck, andere trainieren gemeinsam in Wien. Wir haben miteinander ein Programm geschrieben und werden den Samstag, an dem die Performance stattfindet, noch einmal als Probentag nutzen. Am Nachmittag sind im Zuge der Langen Nacht der Bühnen bei uns auf der Bruckneruni die Türen offen. Wer also an der Probenarbeit interessiert ist und wissen möchte, wie unser Unterricht aussieht, kann ab 15:00 Uhr auf die Bruckneruni in die Tanzabteilung kommen und uns beim Arbeiten zusehen.

Markus Eggensperger ist Koordinator des Urban Dance Styles Lehrgang an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz, Referent an der Johannes Kepler Universität, den Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, Salzburg und Steiermark, Gründer des DANCEprojects und des Künstlerkollektivs Urban Artists, und künstlerischer Leiter des Urban Dance Festival Austria. Er betreut zahlreich Kunst- und Tanzprojekte in Vereinen und Schulen und hat so große Erfahrung im Bereich der Kinder- und Nachwuchsförderung gesammelt. Als freier Mitarbeiter für diverse Printmedien veröffentlicht Markus regelmäßig Fachbeiträge zu pädagogischen und tänzerischen Themen (u.a. Helbling, Tanzschritt). Seine Tätigkeit als Tänzer (u.a. für Pussy Cat Dolls, Anastacia, Debby Harry, ORF, SF-DRS), Pädagoge und Choreograph (u.a. Deutschland, Schweiz), haben ihn maßgeblich in seiner Arbeit geprägt. Markus ist mehrfacher Europa- und Weltmeister im Showdance (Tanzwerk Wels).

Die Performance des Lehrgangs Urban Dance Styles und Urban Artists findet bei der Langen Nacht der Bühnen 2017 am Samstag, 11. November 2017, um 22:00 Uhr im Ars Electronica statt. Alle Informationen zu diesem und allen weiteren Programmpunkten finden Sie auf der Webseite der Langen Nacht der Bühnen 2017.

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