Hätten Sie gedacht, dass die gefährlichste Aufgabe einer Biene das Wasserholen ist? Kann man eine Biene, die auf maximale Effizienz getrimmt und dabei nicht egoistisch ist, mit dem Menschen vergleichen? Mit dem Standort auf dem Dach des Ars Electronica Center in Linz finden die Bienen an der Donaulände und den angrenzenden Gärten einen hervorragenden Lebensraum. Und der köstliche Honig, den sie hier in der Stadt einsammeln, dient vor allem einem: Der Aufzucht der nächsten Bienengeneration.
Wie kam es eigentlich dazu, dass heute Bienen auf dem Dach des Ars Electronica Center leben?
Harald Wohlschlager: 2014 wurde das Projekt DACHMARKE* ins Leben gerufen, bei dem man begann, auf den Dächern einiger Kulturstätten der Stadt Linz, wie es auch das Ars Electronica Center eine ist, Bienen anzusiedeln. Das Projekt soll den Menschen einen Bezug zu den Bienen geben, und das ist gerade in diesem Fall am Dach des Ars Electronica Center sehr gut möglich.
Ist das Ihr einziger Bienenstock?
Harald Wohlschlager: Ich bin Imker und das Ars Electronica Center ist einer meiner Standorte. Es ist mein Lieblingsstandort, weil man hier immer interessierte Leute antrifft, mit denen man dann auch ins Gespräch kommt. Meine anderen Bienen stehen in einem Naturschutzgebiet im Mühlviertel, am Sternstein in einem Wald, wo weit und breit keine Leute anzutreffen sind. Man könnte annehmen, dass es den Bienen dort viel besser geht als mitten in der Stadt, dem ist aber nicht so. Hier im Ars Electronica Center sind die Bienen sogar wesentlich weiter entwickelt. Und die produzieren auch sortenreinen Honig, der wie alle anderen Honige sortenrein abgefüllt wird und im Ars Electronica Center gekauft werden kann.
Der Imker Harald Wohlschlager öffnet einen der Bienenstöcke. Credit: Martin Hieslmair
Wie oft müssen Sie die Bienenstöcke im Jahr betreuen?
Harald Wohlschlager: Das hängt ganz von der Jahreszeit und vom Wetter ab. Jetzt im Mai muss ich einmal in der Woche kommen und schauen, dass sich die Bienen entwickeln können und dafür genug Platz haben. Das geht jetzt so weiter bis in den Juni – nach der Sommersonnenwende reduziert sich meine Kontrolle dann auf alle paar Monate, um nachzusehen, ob es ihnen gut geht.
Was ist das Besondere an diesem Bienenstock hier im Ars Electronica Center?
Harald Wohlschlager: Der Standort hat zwei Besonderheiten: Der Kontakt zu den Menschen, wo Leuten aus der ganzen Welt die Imkerei und die Bienen nähergebracht werden kann. Und der Standort ist deshalb so besonders, weil so viele Bäume rundherum stehen. Wenn man rechnet, dass eine blühende Kastanie in etwa einer 1,5 Hektar großen Blumenwiese entspricht und da drüben aber gleich 30 solcher Bäume stehen, dann kann man sich in etwa ausrechnen, wie groß die Blumenwiese hier wäre. Und wenn man sich die Monokulturen anschaut, die mittlerweile schon überall entstehen, weiß man, dass eine derartige Fläche leider schon zur Seltenheit geworden ist. Darum ist das Ars Electronica Center so ein hervorragender Standort, auch hinsichtlich der Gegebenheiten von Licht und Schatten. Einfach ideal!
Die Bienenstöcke am Dach des Ars Electronica Futurelab. Credit: Martin Hieslmair
Damit die Bienen hier angesiedelt werden konnten, mussten Sie ja einen Trick anwenden…
Harald Wohlschlager: Genau, würde man einen Bienenstock nehmen und ihn zwei Meter weit von seiner ursprünglichen Position aufstellen, würden die Bienen trotzdem wieder an denselben Ort fliegen. Wenn ich jetzt aber Bienen hierher zum Ars Electronica Center bringen will, von einem Ort, der näher als fünf Kilometer entfernt ist, dann muss ich die Bienen zuerst mehr als fünf Kilometer weit weg bringen, dort etwa zwei Wochen stehen lassen – bis die Bienen vergessen haben, wo sie zuhause sind – und dann kann ich sie erst wieder hierher bringen, damit sie sich wieder auf das Flugloch einfliegen und hier ihr Zuhause finden können.
Wie viele Bienen leben eigentlich am Dach des Ars Electronica Center?
Harald Wohlschlager: Derzeit sind zwischen drei bis fünf Stöcke am Dach des Ars Electronica Center – das ist für mich ideal, weil ich sie gut betreuen kann. Im Winter kann man von ungefähr 3.000 Bienen ausgehen, die hier in einem Bienenstock wohnen. Im Februar beginnt die Bienenkönigin dieser Population wieder damit, 2.000 bis 3.000 Eier pro Tag zu legen. Im Mai ist dann der Höchststand von zirka 60.000 Bienen pro Bienenstock erreicht. Um die Sommersonnenwende verringert sich die Population dann schön langsam wieder. Zur Wintersonnenwende sind es dann nur noch etwa 3.000 Bienen pro Stock. Die Biene, die jetzt im Mai lebt, wird nicht besonders alt – je nach Wetterverhältnissen bzw. ob sie viel fliegen muss oder nicht, etwa ein Monat. Die Winterbiene muss jedoch ein halbes Jahr ausharren, sich gegenseitig wärmen, den Futtervorrat verzehren, um dann im Frühling wieder diese enorme Entwicklung zu machen.
Credit: Martin Hieslmair
Bienen haben je nach Lebensalter unterschiedliche Rollen – können Sie uns darüber mehr erzählen?
Harald Wohlschlager: Die Biene ist auf maximale Effizienz getrimmt. Alles, was die Biene macht, ist maximal effizient. Wenn sie Nektar sammelt, dann nimmt sie die naheliegende Blüte mit dem meisten Ertrag. Und genauso ist auch das Verhalten im Bienenvolk. Die Biene bekommt, wenn sie schlüpft, die einfachsten und ungefährlichsten Arbeiten – sie säubert den Brutplatz und darf die Brut zu füttern beginnen. Dann ist sie an der Reihe im Bienenstock Bautätigkeiten vorzunehmen und wandert mit ihren Aufgaben immer weiter in die Richtung des Fluglochs. Dort ist es am gefährlichsten. Hier sind schon die ersten Räuber anzutreffen, hier darf sie die Wache übernehmen, und wenn sie das auch hinter sich hat, dann darf sie hinausfliegen, den Nektar und den Pollen sammeln. Und wenn sie auch das erfolgreich erfüllt hat, ist sie zum Wasserholen bestimmt – das ist die letzte Tätigkeit einer Biene, weil hier die Ertrinkungsgefahr am höchsten ist. Wenn eine junge Biene diese Aufgabe übernehmen und sterben würde, wäre die meiste Arbeitsleistung verloren gegangen. Alles ist hier maximal effizient und nicht egoistisch.
Credit: Martin Hieslmair
Kann man eigentlich einen Vergleich zwischen Menschen und Bienen ziehen?
Harald Wohlschlager: Ein Vergleich mit dem Menschen ist eigentlich fast nicht möglich. Die Biene wäre in diesem Fall die menschliche Zelle und das Bienenvolk der gesamte menschliche Körper. Die Biene ist eines der wenigen Tiere, die nicht für den eigenen Erhalt arbeitet, sondern nur für die anderen. Die Biene sammelt den Nektar bzw. den Pollen nur für die anderen, damit sich das Bienenvolk wieder teilen, sich vermehren kann und über den Winter kommt. Das, was eine einzelne Biene sammelt, wird sie nie ernten können und davon wird sie persönlich nie profitieren. Wenn eine Biene krank ist, würde sie von sich aus den Bienenstock verlassen, damit sie ja kein anderes Insekt ansteckt und so die Ausbreitung von Seuchen verhindert. Honig und die Produkte der Biene sind also deshalb besonders gesund, weil sie immer darauf ausgelegt sind, dass sie absolut keim- und bakterienfrei gehalten werden und die Bienen auch nur die Stoffe aus der Natur holen, die sie dahingehend unterstützen.
Credit: Martin Hieslmair
Jetzt kann man über eine Webcam unter ars.electronica.art/bienen auch das Treiben der Bienen aus nächster Nähe beobachten – was sieht man dort?
Harald Wohlschlager: In einem der Bienenstöcke ist im unteren Bereich eine Webcam montiert, die von innen her auf das Flugloch gerichtet ist. Man sieht also, wie die einzelnen Bienen aus dem Freien hereinkommen und im Bienenstock den Pollen oder Nektar den anderen Bienen übergeben. Man sieht im zeitlichen Verlauf auch die Schwankung von früh bis abends. Zuerst ist der Bienenstock voll besetzt und die Bienen hängen bis zum Boden durch. Dann fliegen sie aber hinaus und die Bienenmasse wird weniger. Man sieht aber auch die verschiedenen Verhaltensmuster einzelner Bienen – manche trödeln herum und machen nichts, dann gibt es aber auch wieder ganz emsige. Alles hat seine Logik im Bienenstock.
Mit der gläsernen Absperrung am Dach des Ars Electronica Center ist es nun möglich, auch selbst die Bienenstöcke aus nächster Nähe zu beobachten. Wenn ich selbst hier bin, zeige ich interessierten Kindern und Erwachsenen, wie die Bienenkönigin aussieht oder dass man bestimmte Bienen auch streicheln kann. Wer selbst mal Interesse hat oder wenn sich eine Schulklasse dafür interessiert, dann kann man mich unter honig@süsses-gold.at erreichen und wir machen uns gerne einen Besichtigungstermin aus.
Harald Wohlschlager lebt in Linz und arbeitet bei einem IT-Unternehmen in Steyr. Seit 2012 ist er Imker und betreut in seiner Freizeit 30 Bienenvölker – unter anderem auf dem Dach des Ars Electronica Center, im Naturschutzgebiet „Tal der kleinen Gusen“ und im Mühlviertler „Sterngartl“. Der dabei entstehende Bio-Honig wird unter der Marke „Süßes Gold“ und auch im Shop des Ars Electronica Center angeboten.