Fashion & Technology: Die Zukunft der Mode

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Die Verbindung von Mode und Technologie kann weit mehr sein als Smart Clothing und Wearables: Hier geht es um neue Prozesse, innovative Materialien und noch nie gesehene Formen. Aber auch für Technologiekritik bleibt Platz – zumindest im Studium Fashion & Technology (FAT) an der Kunstuniversität Linz, das sich genau dieser Schnittstelle widmet.

Am Ars Electronica Festival 2018 wird die Thematik genauer untersucht: In einer Ausstellung von FAT werden Werkstücke der Studierenden präsentiert, im Platform Event „The Politics of Fashion: Fashion as Social Bot“ wird diskutiert, was Technologie und Mode vereint – oder trennt. Christiane Luible, Studiengangsleiterin von Fashion & Technology, verrät im Interview mehr.

Generative Rendered Design. Credit: ViktorWeichselbaumer

Demnächst endet der erste Durchlauf des Bachelorstudiums Fashion & Technology, die ersten Studierenden präsentieren ihre Bachelor-Abschlussarbeiten. Kannst du mir zu diesem Anlass etwas über das junge Studium erzählen?

Christiane Luible: Wir haben 2015 mit dem Studium im Wintersemester gestartet. Das Bachelorstudium dauert insgesamt 7 Semester. Jetzt, nach sechs Semestern, sind viele aber schon mit ihrer praktischen Arbeit fertig. Dazu kommt später noch eine schriftliche Arbeit, das heißt, nach der Abgabe der praktischen Arbeit im Juli haben die Studierenden noch ein Semester lang Zeit, ihren theoretischen Teile zu schreiben, ihre praktischen Arbeiten vielleicht zu vervollständigen und sich vor allem auch über die Präsentation ihrer Arbeiten, Gedanken zu machen. Unter diesen praktischen Arbeiten, die man jetzt schon sehen kann, sind fünf Arbeiten, die den Aspekt Technologie auf eine sehr interessante Weise umgesetzt haben. Diese Arbeiten wollen wir vorab am Ars Electronica Festival ausstellen.

Warum eigentlich die Idee, ein Modestudium in Linz anzubieten? Linz ist keine Modestadt…

Christiane Luible: Vor der Gründung des Studiums gab es eine Experten- und Expertinnenkommission, die sich darüber beriet, ob es Sinn macht und wenn ja, welche Ausrichtung es hier geben könnte. Linz ist zwar keine Modestadt, aber durch die Ars Electronica und durch die Industrielandschaft mit einem Schwerpunkt in Automatisierung, Mechatronik, Digitalisierung, additiver Produktionsverfahren oder Faser- und Materialtechnologie, also Technologien die in der Zukunft in der Mode eine wichtige Rolle spielen könnten, ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass es durchaus sinnvoll ist hier ein Modestudium anzubieten. Man findet hier zukunftsweisende Technologien auf sehr engem Raum, genau darauf ist auch das Studium ausgerichtet. Es geht aber nicht nur um Innovation und neue Technologien, sondern auch um traditionelle Textiltechnologien, schließlich existiert hier mit dem Textilen Zentrum in Haslach oder mit der Firma Lenzing auch eine bedeutende textile Tradition. Unser Ziel ist es, im Studium die traditionellen mit den neuen Technologien zu verbinden und daraus etwas Neues entstehen zu lassen.

Visual Invisibility. Credit: Sara Kickmayer

Bei den Stichworten Fashion und Technologie denkt man sofort an Wearables, der Ansatz ist aber hier ein anderer…

Christiane Luible: Das stimmt, viele denken zuerst, wir bringen sozusagen ein wenig Technologie an der Kleidung an und es entstehen typische Wearables, Kleidung, die blinkt und furchtbar viel kann. Wir möchten hier aber einen anderen Weg gehen. Wir möchten Mode und Technologie auf eine Art und Weise verbinden, dass sie sich gegenseitig bedingen. Mode und Technologie sollen auf eine Art und Weise ineinander greifen und verschmelzen, sodass neue Prozesse, Materialien, Formen oder auch Wechselbeziehungen und schließlich neue Ästhetiken entstehen.

Wir haben zum Beispiel zwei Studierende, die Mode nicht mehr mit der herkömmlichen analogen Schnittgestaltung entwickeln, sondern digital in 3D generieren. Auch wenn diese Methoden in anderen Bereichen bereits stärker genutzt werden, sind dies für die Mode immer noch neue Ansätze. Wir arbeiten hauptsächlich mit Textilien und diese sind sehr komplex bezüglich einer genauen digitalen Darstellung.

Auch neue Materialien sind bei uns ein wichtiges Thema. Die Studierenden experimentieren zum Beispiel von Anfang an mit Bioplastik oder stellen Materialien aus Pilzen her. Wir hinterfragen in der Arbeit mit den Studierenden existierende Methoden der Mode. Wir versuchen neue Prozesse, Materialien und Formen zu entwickeln  und genau hier kommen die unterschiedlichsten Technologien zum Einsatz.

Credit: Florian Voggeneder

In den Arbeiten sieht man eine starke Auseinandersetzung mit dem Körper und der technologisierten Umwelt. Wie kann man mit Mode über unsere medialisierte Umgebung reflektieren?

Christiane Luible: Traditionell gibt es in der Mode das Material, die Struktur oder die Form als Gestaltungselemente.  Wenn ein Kleidungsstück auf den Körper oder die Umwelt reagiert kommt mit der Interaktivität ein weiteres Gestaltungselement für den Modedesigner hinzu. Diese Interaktivität sehen wir jedoch nicht nur in Verbindung mit Elektronik. Diese kann zum Beispiel auch auf biologischer oder mechanischer Ebene stattfinden.

Bei der Round Table Discussion zur Ausstellung geht es genau um diese Themen, „The Politics of Fashion: Fashion as Social Bot“. Was erwartet uns?

Christiane Luible: Wenn man darüber nachdenkt, was Kleidung kann, steckt eigentlich die Frage dahinter, wie man den Menschen perfektionieren kann. Wir gehen hier ein bisschen in die Medientheorie, über die Kleidung hat man Tools, kann den Körper, seine Körperfunktionen oder seine Biodaten überwachen, um sich zu steigern und immer mehr zu verbessern. Zumindest wird es oft so wahrgenommen – in Wahrheit geht es gar nicht um diese Optimierung. In der Mode sind momentan andere Themen vorherrschend, und das wollen wir in dieser Diskussion zusammenbringen.

Die Welt der Mode durchläuft im Moment einen fundamentalen Wandel, vielleicht den größten ihrer Geschichte seit der Industrialisierung. Die Mode ist neben der Bau- und Lebensmittelwirtschaft die Industrie, die die drittmeisten Ressourcen verbraucht. Die Mode ist eine sehr personenintensive Branche. Kleider werden von Hand in Billiglohnländern genäht. Die Löhne der Leute, die die Kleider nähen, kommen  in der Kalkulation nicht mehr vor, sie sind so niedrig. Die Mode ist eine Branche, die sich erneuern muss.

Neue Technologien versprechen die Mode- und Bekleidungsindustrie heute radikal zu verändern. Das hat aber erst einmal nichts mit Körperoptimierung zu tun. Wir möchten also die üblichen Verdächtigen der Wearables, Smart Clothing oder der Körperoptimierung dem gravierenden Wandel der Modeindustrie gegenüberstellen.

Sculpting Identity. Credit: Nina Krainer Photo: Esthaem 

Das geht doch schon sehr in Richtung des Festivalthemas, „Error – the Art of Imperfection“…

Christiane Luible: Sehr! Der Titel ist sehr spannend für uns. Wie bereits erwähnt findet in der Modebranche im Moment ein Umbruch statt. Wir sprechen zwar schon seit 3 bis 4 Jahren von diesem Wandel. Ich sehe diesen jedoch als einen längeren Prozess, der über ein Jahrzehnt oder zwei stattfinden wird. Aber diesen Prozess gibt es und wir wollen ihn genau mit einer solchen Plattform weitergestalten. Ich denke, das ist genau so eine Diskussion, die hier in Linz stattfinden kann, weil Linz keine Modestadt ist. Das Festival, wo es um Kunst und Medientechnologie geht, passt perfekt zu dieser Aufbruchsstimmung, die in der Mode gerade stattfindet. Es geht darum, eine alternative Präsentationsplattform für Projekte und auch Diskussionen zu schaffen.

Der Trend von Entschleunigung, Rückzug, Besinnung auf Nachhaltigkeit ist momentan nicht nur in der Modebranche stark zu spüren.

Christiane Luible: Ja, genau darum finde ich, dass es so wichtig ist, diesen Dialog am Ars Electronica Festival zu führen. Es gibt momentan auch sehr viele Forschungsprojekte in diese Richtung, oder Konferenzen und Symposien zu diesem Thema. Wenn es um Fashion und Technology geht, redet man aber trotzdem oft von diesem traditionellen Zusammenhang der Wearbales. Ich sage traditionell, obwohl das eigentlich auch neu ist, aber für uns ist es ein Modebegriff, über den wir hinauswollen. Es gibt einen viel spannenderen Umgang mit Mode und Technologie, den man mitprägen kann. Es ist gut, auf einem Medienkunstfestival auch eine Diskussion für die Mode stattfinden zu lassen und noch eine Ausstellungsplattform zu schaffen, die nicht dem existierenden Präsentationssystem der Mode unterworfen ist.

Credit: Florian Voggeneder

Was erwartet uns also bei der Fashion & Technology Ausstellung am Ars Electronica Festival?

Christiane Luible: Es wird keine Modekollektionen zu sehen geben. Stattdessen sieht man interessante Materialentwicklungen, Formentwicklungen und neue Prozesse.

Nina Krainer zum Beispiel wendet in ihrer Arbeit hauptsächlich analoge Prozesse an. Wenn man ihre Objekte zum ersten Mal sieht, könnte man denken es wären 3D gedruckte Kleider. Dabei besteht ihre Arbeit aus rein analogen Methoden und feinster Handarbeit. Nina Krainer möchte hierbei den Wert von analoge Prozessen in einer digitalen Welt valorisieren. Diese Arbeit ist bei uns auch möglich – es ist uns wichtig, dass die Studierenden eine Haltung zur Technologie einnehmen. Man muss sich nicht wie wild auf neue Technologien stürzen.

Sara Kickmayr interessiert sich für Mikrostrukturen, Molekulartechnologie und deren Ästhetik. Gemeinsam mit der Firma Profactor hat sie sich Microstrukturen angesehen und diese mit einem Nanodrucker auf Stoff gedruckt. Ihre Arbeit zeigt auch auf, dass ein Semester nicht reicht, um sich eine neue Technologie wirklich anzueignen, tiefer zu gehen und neue Entwicklungen anzustoßen.

Eine andere Studierende, Mirela Ionica, erforscht einfache Möglichkeiten, die Auswirkungen von Naturkräften und Phänomenen im Entwurfsprozess zu nutzen. Die Gravitation ist eine fundamentale Kraft im Universum. Sie ist eine starke, bindende Kraft im großen Maßstab und eine schwache Kraft im kleinen Maßstab auf Teilchenebene. Das Projekt beginnt mit einfachen Silhouetten und Formen, die dann analog und digital verzerrt werden.

Julio Escudero stellt sich die Frage, was passiert, wenn er die Form seines Körpers in die Umgebung einblendet. Mit seiner Arbeit eröffnet er die Kommunikation zwischen Körper und Kleidung, Kleidung und Umgebung, Körper und Umgebung. Hierbei ist der Austausch von Information zwischen analogen und digitalen Methoden die Basis seiner Arbeit.

Die Studierendengruppe rund um Michael Wieser denkt die Entwicklungsschritte von einem Kleidungsstück komplett neu an. Hierfür haben sie sich in Kleinstarbeit Software aus den verschiedensten Bereichen angeeignet. Das Resultat ist eine neue Prozesskette, die es so in der Mode noch nicht gibt. Wir zeigen nicht die ganze Prozesskette, jedoch einen Ausschnitt, ein virtuelles Modell, bei welchem man mit visuellem und haptischem Feedback generatives Design erleben kann.

Christiane Luible ist Studiengangsleiterin von Fashion & Technology an der Kunstuniversität Linz. Ihr Hauptarbeitsgebiet ist praxisorientierte Designforschung für den Bereich Modedesign. Dabei konzentriert sie sich auf die 3D-Modellierung und virtuelle Simulation von Mode und den Einfluss digitaler Medien auf den Prozess des Modedesigns. Christiane Luible studierte Fashion Design an der Fachhochschule Pforzheim und am Fashion Institute of Technology in New York. Nach einem MAS in Graphics Communication an der Ecole Polytechnique in Lausanne promovierte sie am Miralab der Universität Genf über virtuelle Kleidungssimulationen. Sie erhielt mehrere internationale Designpreise wie den Lucky Strike Junior Design Award und den F.I.T. Kritikerpreis. Sie arbeitete an großen europäischen Bekleidungsforschungsprojekten wie E-Tailor, Leapfrog oder Haptex mit.

Die Ausstellung der Werkstücke der Studierenden von Fashion & Technology wird am Ars Electronica Festival, von 6. bis 10. September 2018, in der POSTCITY Linz zu sehen sein. Die Round Table Discussion „The Politics of Fashion: Fashion as Social Bot“ findet am Samstag, 8. September 2018, von 14 bis 15.30 Uhr auf der Workshop Stage statt. Mehr erfahren Sie auf unserer Webseite.

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